Jeder Vierte kommt als Student ins Land

Die Universität Wien zieht Studierende aus 140 Nationen an. Das Potenzial an hoch qualifizierten Ausländern wird aber zu wenig für den Arbeitsmarkt genutzt.

Thomas Bullemore aus Chile hat sich nicht für Harvard, sondern für Wien entschieden. Dem künftigen Juristen und Wirtschaftswissenschaftler fiel die Wahl leicht: „Wien ist bekannt für die beste Lebensqualität der Welt, diese Stadt bietet einem mehr als jede andere“, schwärmt der Student. Bullemore ist einer von rund 24.500 ausländischen Studierenden, die im Wintersemester an österreichischen Universitäten neu zugelassen wurden. Damit stellen die Studenten immerhin 25 Prozent der gesamten Zuwanderung in Österreich, sieht man von den Asylwerbern ab. „Die Universität ist ein Zuwanderungsmotor“, sagt Heinz Faßmann, Vize-Rektor der Universität Wien. Jeder Vierte der aktuell 91.000 Studierenden kommt aus dem Ausland, damit liegt die Uni Wien etwa noch vor der US-Spitzenuniversität Harvard. Ein Drittel der Auslandsstudenten kommt zwar aus Deutschland, aber auch der Anteil der Nicht-EU-Länder steigt kontinuierlich.

Absolventen

Anders als in anderen Ländern kehren die meisten ausländischen Studenten nach dem Uni-Abschluss wieder in die Heimat zurück, lediglich 16 Prozent bleiben in Österreich. Faßmann glaubt, dass der heimische Arbeitsmarkt das Potenzial hoch qualifizierter Arbeitskräfte zu wenig nutzt und die bürokratischen Hürden trotz Einführung der erleichterten Zuwanderungsregeln mittels Rot-Weiß-Rot-Card nach wie vor hoch sind.

„Zuerst bilden wir sie aus und dann sagen wir ihnen ,Gehts bitte wieder zurück‘, das kann es wohl nicht sein“, argumentiert Faßmann. Dabei rufe die stark exportorientierte heimische Wirtschaft ständig nach den „besten Köpfen“.

So auch Hannes Bardach, Chef des Wiener Hightech-Unternehmens Frequentis, das Mitarbeiter aus 30 Nationen beschäftigt. „Technologie allein kann man schwer verkaufen, wenn nicht auch die Kultur des Landes verstanden wird“, weiß Bardach. Eine Chinesin, die in Wien studiert habe, sei die „Traumkombination“ bei der Besetzung eines Jobs in China gewesen. Frequentis beschäftigt 1030 Mitarbeiter weltweit, davon 600 Akademiker.

Damit bürokratische Hürden weiter abgebaut werden, fordert die Uni Wien die Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Card auf Bachelor-Absolventen. Bisher gilt ein Masterabschluss als Voraussetzung. Auch Doktoranden in Teilzeit seien benachteiligt, so Faßmann. Im Sozialministerium winkt man beim Bachelor mit Verweis auf den schwierigen Arbeitsmarkt ab. Bei Doktoranden soll es Reformen geben.

1600 Absolventen einer österreichischen Universität kamen heuer aus einem Land außerhalb der EU. Seit Juli 2011 können diese Studien-Absolventen eine befristete Arbeitsbewilligung für Österreich beantragen, wenn sie hier arbeiten möchten. Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Masterstudium oder Diplomstudium ab dem zweiten Studienabschnitt. Für ein Bachelor-Studium gilt die Regelung nicht. Lediglich 256 Absolventen nutzten bisher diese Möglichkeit und beantragten erfolgreich eine Rot-Weiß-Rot-Karte, geht aus der Statistik des AMS hervor. Mit der Karte dürfen sie sich zunächst sechs Monate zur Arbeitsuche in Österreich aufhalten. Ist ein ausbildungsadäquater Job gefunden, verlängert sich die Aufenthaltsbewilligung ohne weitere Anforderung.

Insgesamt wurden seit Juli des Vorjahres bis Ende November 2428 Rot-Weiß-Rot-Karten ausgestellt. Die meisten davon gingen an Schlüsselarbeitskräfte wie Manager, IT-Techniker und Maschinenbauer. Immerhin mehr als 300 Arbeitsbewilligungen erhielten Sportler, etwa Eishockey-Spieler aus Kanada. An Wissenschafter gingen bisher 95, an Lehrer 57 Rot-Weiß-Rot-Karten. Gemessen nach den Herkunftsländern haben die Bosnier mit 277 Bewilligungen die Nase vorn, gefolgt von Russen, US-Amerikanern, Kroaten, Serben und Mazedonier.

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