Interview: Chefs hören zu wenig auf ihre Mitarbeiter

Interview: Chefs hören zu wenig auf ihre Mitarbeiter
Partizipationsmodelle seien in Unternehmen völlig aus der Mode, attestiert WU-Professorin Edeltraud Hanappi-Egger. Sie rät Firmenchefs zu mehr Talent-Management und weniger externen Beratern.

Sie hat ein Buch über Managementmythen geschrieben, ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Organisationsmangement und Gender. Edeltraud Hanappi-Egger über Krisenmanager und die Fähigkeiten, die jetzt gefragt wären.  

KURIER: Was sind die Herausforderungen für Manager zurzeit?

Edeltraud Hanappi-Egger: Vor allem der Umgang mit der Krise und die veränderten Rahmenbedingungen. Gleichzeitig haben diese geänderten Umfeldfaktoren auch immer einen Effekt auf die internen Prozesse. Die Notwendigkeit, die internen Prozesse und Strukturen neu aufzustellen, wird hier oft verkannt. Krisen bieten eine Chance: Bei Schönwetter werden eingespielte Prozesse in der Regel nicht verändert, in Krisenzeiten kommt es aber zu substanziellen Veränderungsmöglichkeiten. Die zentralen Themen sind Diversität und wie mit den veränderten Lebenswelten der Mitarbeiter umgegangen wird.

Wie oft passiert uns so ein massiver Wandel?

Im gesamtgesellschaftlichen Kontext nicht häufig, weil Krisen nicht oft und nicht angekündigt kommen. Wenn’s passiert, führt das  zu einer massiven Orientierungslosigkeit.

Wie müssten Manager der Verunsicherung entgegenwirken?

Es geht massiv um Konfliktmanagement-Kompetenz. Interessenskonflikte müssen ausverhandelt werden, gerade wenn es um große Veränderungen oder Umorientierung von Mitarbeitern geht. Es geht aber auch um die Frage der Strategieüberdenkung und wer macht das? Früher hat man hier stärker die Mitarbeiter eingebunden. Partizipationsmodelle – die Einbindung des Wissens der Mitarbeiter – sind völlig aus der Mode gekommen.

Warum?

Vielleicht gibt es zu viele Organisationsberater. Dieses Thema wird ausgelagert, es wird mehr darauf vertraut, dass Organisationsberater in die Firma kommen und Analysen machen. Es wird zu wenig darauf vertraut, dass man intern die Kompetenzen und das Wissen hat. Dafür braucht man aber ein Wissen über das Potenzial der Mitarbeiter – das haben viele Chefs nicht.

Stichwort Talentmanagement: Nehmen sich Firmen in einer  schwierigen wirtschaftlichen Phase  die Zeit und Muße, um sich genug um ihre Mitarbeiter zu kümmern?

Hier ignorant zu sein, wäre Öl ins Feuer gießen. Ich gebe Ihnen recht: Viele dieser Themen werden in Krisenzeiten als nicht besonders brennend erkannt. Etwa Diversitätsmanagement. Da wird oft gesagt: Darum können wir uns jetzt nicht kümmern, weil wir haben ein riesiges Organisationsentwicklungsprojekt laufen. Da braucht es ein Umdenken im Human Resource Management. Dass etwa durch den richtigen Umgang mit Diversitäten und mit der Schaffung von diskriminierungsfreien  Organisationsstrukturen ein großes Potenzial geschaffen wird. Nämlich genau dafür, solche Krisen auch bewältigen zu können, das Commitment zu haben, dass wichtige Leute im Unternehmen bleiben und nicht das Weite suchen. Ich sehe  ein Problem, wenn man diese Themen allzu sehr als ein Luxusthema, das wir uns leisten können müssen, abtun. Und damit auf die wichtigste Ressource verzichtet wird.

Sind die Manager in den Führungsetagen ausreichend gut geschult, um mit den derzeitigen komplexen Problemen und der Krise umzugehen?

Nach Selbsteinschätzung der Führungskräfte eben nicht. Viele finden, dass sie nicht ausreichende Kompetenzen haben, und orten einen Schulungsbedarf, der sie befähigt, mit diesen Aufgaben möglichst gut umzugehen und sie auch zu bewältigen. Dazu wäre es aber auch notwendig, dass die Business Schools ihre Curricula umschreiben: Wir gehen in vielen Bereichen immer noch davon aus, dass das, was vor 20 Jahren Gültigkeit hatte, immer noch gelehrt werden soll. Wir sind immer noch viel zu sehr bei einem klassischen Verständnis von Führung –  bei  einer kenngrößengestützten Steuerung. Ich würde Führung viel mehr als Interventionsfähigkeit beschreiben wollen als  managen von sozialen Gefügen.

Zur Person: Edeltraud Hanappi-Egger

Univ.-Prof. DI. Dr. Edeltraud Hanappi-Egger studierte Informatik an der TU Wien, sie absolvierte dort auch ihr Doktorat (und an der Uni Stockholm) und habilitierte. Seit 2002 ist sie Universitätsprofessorin an der Wirtschaftsuniversität in  Wien und Abteilungsleiterin für Gender- und Diversitätsmanagement – zu diesem Thema hat sie bereits mehr als 300 Publikationen verfasst.  

Im Rahmen des People Management Circle, organisiert von der Personalberatung Pendl & Piswanger, referierte Hanappi-Egger über den Wandel in der Arbeitswelt und die  Herausforderungen an das Management. Die großen Trends sieht sie in den Ich-AGs, der Flexibilisierung, der Beschleunigung und dass Arbeiten zunehmend ergebnis- und nicht mehr zeitorientiert ist.

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