Insolvenzler helfen sich selbst
Die Abwärtsspirale kam schnell und heftig: Kein Geld mehr auf dem Konto, Kündigung von Büro und Wohnung, Beziehungsprobleme, zunehmende Ratlosigkeit. Attila von Unruh war jahrelang erfolgreicher Unternehmer, bis eines Tages ein wichtiger Geschäftspartner die Rechnung nicht mehr zahlen konnte – und ihn damit mit in den wirtschaftlichen Abgrund riss. "Ich erlebte, wie man binnen kurzer Zeit vom Erfolg in die Krise rutschen kann", erzählt der Pleitier, "ich hatte das Gefühl, meine Welt bricht zusammen."
Was ihn am meisten belastete: "Es gab kaum Möglichkeiten, offen über meine Situation zu sprechen, und noch weniger Möglichkeiten der emotionalen Unterstützung". Sein eigenes Schicksal war Auslöser für die Gründung der "Anonymen Insolvenzler" im Jahr 2007 in Köln. Die ersten Gesprächskreise wurden gerne angenommen, die Idee verbreitete sich rasch in ganz Deutschland. Seit Mitte 2010 gibt es die "Anonymen Insolvenzler" auch in Österreich.
Die Selbsthilfegruppe bietet Menschen, die von einer Insolvenz betroffen sind, die Gelegenheit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, um dadurch neuen Mut und Perspektiven zu bekommen. "Scheitern ist immer noch ein großes Tabuthema", sagt von Unruh, "viele Betroffene fühlen sich schuldig und ziehen sich zurück." Die einen würden nicht einmal mehr die Post öffnen, andere ein Doppelleben führen.
Vertraulichkeit
Die Teilnahme an den Gesprächskreisen ist kostenlos und unverbindlich, die Teilnehmer kennen einander nur mit Vornamen. Vertraulichkeit ist Pflicht, was die Hemmschwelle, über Persönliches zu sprechen, herabsetzt: "60 Prozent der Teilnehmer sind Selbstständige, darunter Ärzte, Apotheker oder Steuerberater." Willkommen sei grundsätzlich jeder Pleitier. In mehr als 5000 Fällen konnten die "Anonymen Insolvenzler" schon helfend eingreifen. Elf regionale Selbsthilfegruppen gibt es inzwischen. Jene in Wien trifft sich das nächste Mal am Mittwoch, dem 28. März. Noch im Frühjahr soll Wiener Neustadt, etwas später Graz, Salzburg, Kärnten sowie Vorarlberg folgen.
Nächster Schritt ist die Gründung einer gemeinnützigen GmbH mit dem Titel "iStart, für Menschen die neu starten". Damit könnten die bisher ehrenamtlich tätigen Gesprächskreisleiter als Insolvenzbegleiter angestellt werden. Unterstützt wird von Unruh dabei von der gemeinnützigen Organisation Ashoka, die soziales Unternehmertum fördert.
Als Konkurrenz zur Schuldnerberatung sieht er sich nicht: "Dort wird auf der Sachebene geholfen, bei uns geht es um emotionale Unterstützung." Kritik, dass der Name "anonyme Insolvenzler" das Thema erst recht stigmatisiere, nimmt von Unruh ernst: "Ich hoffe, dass wir das anonym einmal aus dem Namen streichen können. Mein Ziel ist es, die Insolvenz aus der Tabuzone zu holen und eine Kultur der zweiten Chance zu schaffen."
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