Inside Alpbach – gemeinsam am Berg

Das Forum Alpbach versammelt Manager und Wirtschaftstreibende
Manager, Experten und Politiker treffen einander jedes Jahr im Tiroler Bergdorf Alpbach. Was läuft ab beim Europäischen Forum?

Eine wichtige Frage heuer in Alpbach: Kommt er oder kommt er nicht? In den vergangenen Jahren war Christian Kern, damals ÖBB-Boss, heute Bundeskanzler der Republik Österreich, oft gesehener Stammgast beim Europäischen Forum. Man sah ihn auf Diskussionsbühnen, man sah ihn bei Interviews mit Journalisten, man sah ihn im Böglerhof, man sah ihn durch die steilen Straßen von Alpbach joggen.

Es ist eine Kernfrage beim Europäischen Forum Alpbach: Wer ist dort? Wen kann man treffen? Mit wem kann man ins Gespräch, ins Geschäft kommen? Deshalb fährt man hin. Und um sich die hochkarätigen Gespräche anzuhören, die es in dieser Form in Österreich (vielleicht auf der Welt) kein zweites Mal gibt. Nirgendwo sonst kommt man näher an Wirtschaftstreibende, Politiker, Interessenvertreter, Experten heran. Bei keiner anderen "Tagung" ist die Stimmung so unkompliziert, so entspannt. Das hat auch damit zu tun, dass viele gerade aus dem Urlaub kommen, Alpbach als einen Wiedereinstieg in die berufliche Herbstsaison sehen. Der Ort ist winzig, dass man einander ständig treffen muss. Auf dem Weg in die Hauptschule, wo die Arbeitskreise stattfinden. Im Congress Centrum, wo die Vorträge abgehalten werden. Im Böglerhof, Alpbacherhof oder beim Jakober, den Hotels an diesem überschaubaren Platz.

Rund 5000 TeilnehmerInnen reisen jedes Jahr hierher, leisten sich 800 Euro Teilnahmegebühr – ohne Unterkunft und Verpflegung – für drei Tage Wirtschaftsgespräche (oder Gesundheitsgespräche, oder Technologie-, Politik-, Rechts-, Finanz- oder Baukulturgespräche). Das sind hohe Kosten, die von manchen Teilnehmern kritisiert werden. Weshalb sich bei den Wirtschaftsgesprächen in Alpbach auch einige Flanierer finden, die nicht am Programm teilnehmen, aber das gesellschaftliche Zusammentreffen nützen, um zu sehen und gesehen zu werden.

Erster Treffpunkt

Das geht besonders gut auf der Terrasse des Böglerhofs, erstes Hotel am Platz. Der Böglerhof ist wie die Jausenstation auf dem Weg zum Gipfel. Hier muss man einkehren, auch wenn das Service und die Küche oft überfordert sind bei so viel Kommen und Gehen. Auf der Terrasse des 5-Sterne-Hotels mitten im Ort, sitzen viele und es passiert viel. Den ganzen Tag lang bis weit nach Mitternacht. Es ist ein Jahrmarkt der Eitelkeiten. Schwarze Limousinen fahren vor, Manager und Politiker kommen vorbei, sehen sich um, setzen sich zusammen. Man kommt ins Gespräch, redet über den vergangenen Sommer und die neuesten Geschichten aus Wirtschaft und Politik. "Alpbach ist immer spannend. Hier wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Regierungsverschiebungen angezettelt", erzählt ein Banker. "Da brodelt es dann unter den Teilnehmern, es wird getuschelt, Gerüchte verdichten sich, Theorien werden aufgestellt, wer wen in welchem Amt ersetzen könnte." Tatsächlich passierte in den vergangenen Jahren Ende August politisch ziemlich viel – vielleicht fällt das auch nur zufällig mit dem Forum zusammen.

Auch klopft man gerne ab, wer zu welchen Diskussionsrunden geht, wer sich in welchen Arbeitskreis setzt und wer bei welchen Events eingeladen ist. Vor allem auch: Wer zu den begehrten Nebenschauplätzen darf. Anhand der Einladungen dorthin wird die aktuelle Bedeutung jedes Gastes bewertet. Besonders hoch im Kurs stehen die abendliche Weinverkostung von Parade-Netzwerker und Interessensvertreter Wolfgang Rosam und der IT-Firma Atos auf der Böglalm, wo man nur mit Shuttle hinkommt; die geschlossene Dinner-Veranstaltung von T-Mobile; das Fischessen der Casinos Austria an einem kleinen Teich im Wald bei St. Gertraudi; oder der VIP-Empfang der Oesterreichischen Nationalbank.

In der Schule

Neben all der Gesellschaft: In Alpbach wird intensiv diskutiert, gedacht, gefragt. Werden Ideen gesponnen, kommt man auf neue Gedanken. Die Arbeitskreise sind eines der Herzstücke des Forums. Sie werden in den Klassenzimmern der Hauptschule abgehalten. Das Szenario ist immer gleich: Vor der Tafel ein Panel mit Experten aus Wirtschaft und Politik, Querdenkern und Interessensvertretern. Das Thema ist vorgegeben, ein Diskussionsleiter dirigiert zweieinhalb Stunden das Gespräch. Nicht selten 50 bis 70 Personen füllen das Klassenzimmer, sie diskutiert mit. Da sitzt die amerikanische Botschafterin neben der Studentin, neben dem Top-Manager, neben der Pensionistin. Die Nähe aller Beteiligten ist das Besondere.

Im Congress Centrum haben die Superstars ihre große Bühne. Einige hundert Zuseher fasst der Saal. Heuer etwa mit dabei: Wirtschaftsrebell Yanis Varoufakis, ehemaliger Finanzminister von Griechenland, und Pascal Lamy, ehemaliger Generaldirektor der Welthandelsorganisation.

Sie alle nach Alpbach zu holen ist die Leistung von Franz Fischler und Philippe Narval. Sie sind die Macher von Alpbach seit 2012. Auf ihrer Agenda: das Forum mit all seinen langen Traditionen in eine moderne Zeit zu überführen, mehr Vielfalt zu schaffen, es zu verjüngen und auch mehr Frauen aufs Podium zu holen. Trotz aller Bemühung wird Alpbach auch oft kritisiert: es gebe zu wenige konkrete Ergebnisse, es sei zu konservativ, verstaubt, zu männerlastig, zu alt.

Bundeskanzler Christian Kern ist übrigens heuer nicht nach Alpbach gekommen.

Das Europäische Forum Alpbach gibt es seit 1945. Es wurde damals unter der Bezeichnung „Internationale Hochschulwochen“ von Otto Molden, er war damals ein Wiener Student, und Simon Moser, Dozent der Philosophie an der Universität Innsbruck, gegründet. Es waren schwierige Jahre nach dem Krieg. Dass die Hochschulwochen in Alpbach beherbergt wurden, war eher Zufall. Seither finden hier jährlich im August die Österreichischen Hochschulwochen statt, seit 1949 unter dem Namen Europäisches Forum Alpbach. Zu den Teilnehmern der ersten Jahre gehörten vor allem junge Menschen, die aktiv im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert waren.

Heute ist das Forum international hoch angesehen. Drei Wochen lang finden Seminar, Symposien und Debatten statt, treffen einander 5000 TeilnehmerInnen aus über 90 Ländern. 700 StipendiatInnen und 650 SprecherInnen nehmen jährlich in Alpbach an den Gesprächen teil. Prominente Teilnehmer aus den Jahren: Theodor Adorno, Viktor Frankl, Erwin Schrödinger, Ban Ki-Moon, Indira Ghandi und viele andere.

Das Forum Alpbach ist ein gemeinnütziger Verein, es finanziert sich hauptsächlich über Teilnahmegebühren und Sponsoring von Unternehmen, zu einem kleinen Teil über öffentliche Förderungen. Präsident ist seit 2012 Franz Fischler, Geschäftsführer seit 2012 ist Philippe Narval.

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