In der Geduld liegt die Karriere
Autor und Unternehmensberater Simon Sinek sitzt auf einer kleinen Bühne der Show Inside Quest. Im Publikum 20- bis 30-Jährige die an seinen Lippen hängen. "Fragt man die Millennials, was sie vom Arbeitsleben erwarten, sagen sie: Wir wollen etwas bewirken, gratis Essen im Büro und Sitzsäcke", witzelt er. Als er fortfährt, vergeht ihm das Lachen: "Man sagt dieser Generation nach, sie sei narzisstisch, unfokussiert, schwer zu managen." Die Unternehmen würden sich den Kopf darüber zermartern, wie man sie im Job glücklich machen könnte. "Diese Generation kriegt alles, was sie sich wünscht. Aus irgendeinem Grund ist sie aber immer noch nicht glücklich." Warum? "Sie wächst in einer Welt der unmittelbaren Belohnung auf. Sie wollen das Staffel-Ende der Serie schauen? Sie spulen online vor. Sie wollen ein Date? Sie streichen bei Tinder nach rechts." Die Jungen im Publikum nicken. "Instant Gratification" nennt sich das Phänomen, bei dem kein Wunsch lange offen bleibt, der Körper auf regelmäßige Bestätigung und damit Dopamin-Zufuhr konditioniert wird. Auf etwas zu warten? Eine Zumutung für eine ganze Generation.
Die Berufswelt bremst ein
Und das sei das Problem. "Den Jungen fehlt die Geduld", stellt Sinek klar. Ihre Haltung spießt sich mit den Mechanismen der Berufswelt. Das Arbeitsleben wirkt plötzlich wie eine Bremse, denn da winkt keine schnelle Belohnung, da gibt es kein Vorspulen bis zum Top-Job und dem Glücksgefühl. Wer wirklich etwas bewegen will, braucht Ausdauer. "Das ist ein unbequemer, zäher Prozess", räumt Sinek ein. "Aber alles, worauf es im Leben wirklich ankommt, wie Liebe, Zufriedenheit im Job oder echte Freunde, braucht Zeit." Nachsatz: "Für all das gibt es keine App."
Wer das nicht verinnerlicht, wird nicht glücklich werden – nicht im Leben, nicht im Job. Weil das Tempo zu langsam scheint, die notwendige Gratifikation ausbleibt, wird man öfter Job wechseln, nach einer befriedigenden Abwechslung suchen, sagt Sinek. Dadurch wird man sich selbst aber auch nie die Zeit geben, die es braucht, um sich einen Ruf aufzubauen, Expertise anzueignen. Und vor allem, um zu spüren, wie gut sich erarbeiteter Erfolg letztlich anfühlt.
Erwartungen überdenken
"Heutige Berufseinsteiger wollen zu schnell Erfolge ernten", bestätigt auch Charlotte Eblinger, Chefin der Personalberatung Eblinger & Partner. "Sie verbuchen ihr Studium bereits als tolle Leistung und fragen gleich den ersten Arbeitgeber: Was krieg ich jetzt dafür? Wann werde ich Senior-Consultant?" Solche hohen Erwartungen habe es in den Generationen davor nicht gegeben, erzählt sie aus Erfahrung. "Ich habe heute im Coaching Menschen Mitte 40, mit denen ich erarbeite, dass es jetzt langsam an der Zeit wäre, die Lorbeeren für ihre Leistungen zu ernten."
Millennials sollten sich bewusst machen, dass sich ein Erwerbsleben über Jahrzehnte erstreckt und "kein Unternehmen die Jungen gleich verheizen will." Eblinger sagt aber auch, dass sich Unternehmen auf die Tatkraft der Jungen einstellen sollten. "Es muss einen Mittelweg für beide geben. Wenn in der Firma was weitergeht, gehen die Leute nicht weg." Ungeduld führe in ihren Augen nur zu Unzufriedenheit. Für die meisten Berufe brauche es Lebenserfahrung – und die kommt nicht von heut auf morgen, lässt sich nicht erzwingen.
Geduldige sind erfolgreicher
Der österreichische Volkswirt Matthias Sutter hat herausgefunden, dass geduldige Menschen langfristig erfolgreicher im Job sind. Seine These: Ausdauer schlägt Talent. Im gleichnamigen Buch erklärt er, dass Menschen, die einem sofortigen Impuls widerstehen können, bessere Bildungsabschlüsse haben, mehr Geld verdienen und stabilere Beziehungen führen – insgesamt glücklicher sind.
Ähnliches bestätigt die "Marshmallow-Studie" des österreichischen Forschers und Harvard-Professors Walter Mischel aus den 60ern. Er setzte kleinen Kindern einen Teller mit Marshmallows vor und sagte: Wer will, kann jetzt ein Stück essen. Wer warten kann, bis ich in wenigen Minuten zurückkomme, bekommt zwei. Jene Kinder, die damals Willenskraft bewiesen – 13 Jahre später lud Mischel die Studienteilnehmer wieder ein – waren als Erwachsene emotional gefestigter und auch zielstrebiger.
Und wie sieht das die Generation, der es nicht schnell genug gehen kann? Markus Raunig, seit dieser Woche neuer Geschäftsführer der "AustrianStartups" ist einer, der mit 26 Jahren auf einen bereits sehr dichten Lebenslauf blicken kann. In wenigen Tagen schließt er seinen WU-Master ab, er gewann High-Potential-Auszeichnungen, gründete während des Studiums Start-ups mit. Als ungeduldig auf seinem Weg würde er sich dennoch nicht bezeichnen. Er habe einfach früh Verantwortung tragen wollen.
So gehe es in seinem Umfeld vielen. Die "Instant Gratification" nehme zwar zu, aber: "Wer hoch hinaus will, fühlt sich in einem klassischen Job vielleicht schnell unterfordert. Daher könnte das Gefühl herrühren, die Jungen seien ungeduldig", erklärt er. Möglicherweise sei es für Junge schwer, sich geduldig zu zeigen, wenn sie sehen: in einem Start-up erreichen Gleichaltrige schneller mehr. "Vielleicht müssen sich Arbeitsmarkt und Firmen hier anpassen. Verantwortung ist schließlich einer der größten Motivatoren." Dagmar Hozova, 26 und Rechtsanwaltsanwärterin bei einer Wiener Kanzlei, gehört ebenfalls zu den Ehrgeizigen. "Ich bin kein geduldiger Mensch", sagt sie. "In diesem Beruf muss man aber zwangsläufig lernen, geduldig zu werden. Das Ziel ist ja sehr weit weg." Hozova studierte Jus in Zürich und in Wien, seit ihrem Abschluss 2015 arbeitet sie intensiv daran, in vier Jahren als Anwältin arbeiten zu können. Die Vorwürfe an ihre Generation kann sie gut nachvollziehen. "Wir kennen es ja nicht anders. Wenn wir etwas wissen wollen, googeln wir es, wenn wir Hunger haben, bestellen wir etwas." Alles müsse schnell gehen. Auf dem Karriereweg sei Geduld aber wichtig. Auch, wenn der nächste Karriereschritt noch viele Jahre entfernt ist. Hozova: "Der Beruf ist auf lange Zeit ausgelegt. Man schätzt ihn mehr, wenn man bereit ist, auf ihn zu warten."
Kommentare