Im Büro: Schluss mit lustig

Komiker
Sparen als Hauptprogramm. Endlose Abstimmungsmeetings. Steigende Reglementierungen. So geht Unternehmen die Innovationskraft aus und der Spaß am Arbeitsplatz den Bach hinunter.

Es ist gerade einmal 15 Jahre her, dass Employer-Branding auf der Prioritätenliste der Unternehmensstrategien ganz oben stand. Arbeitgeber investierten Geist und Geld, um sich bei den heiß begehrten High-Potentials attraktiv darzustellen. Sie warben mit dem Arbeitsplatz als Bühne zur Selbstentfaltung und mit Kreativräumen, in denen auch gelacht werden darf. In eineinhalb Dekaden fortlaufenden Downsizings sind Humor und prima Klima weitgehend auf der Strecke geblieben: Nur noch ein Sechstel der Belegschaften (16 Prozent der Arbeitnehmer) ist mit vollem Engagement bei der Arbeit. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Beschäftigten, macht lediglich Dienst nach Vorschrift und jeder Sechste (16 Prozent) der Werktätigen hat innerlich bereits gekündigt, so die zentralen Ergebnisse des im März 2016 veröffentlichten Engagement Index des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup.

Kein Spaß

"Ich treffe kaum mehr jemanden, der von sich behauptet, der Job mache wirklich Spaß, sie oder er gingen mit Begeisterung zur Arbeit", räsoniert Sören Buschmann, Partner und Miteigentümer der Consulting-Gruppe BDO. Der langjährige geschäftsführende Gesellschafter der nunmehr zur BDO-Gruppe gehörenden Personalberatung Strametz und Partner ortet den Grund für diese Entwicklung in fehlenden Leadership-Qualitäten an den Unternehmensspitzen: "In den Chefetagen mangelt es an Charakter, Substanz und Integrität, Empathie, Resilienz und Reflexion". Dabei sei allen bewusst, dass die Transformation analoger Geschäftsmodelle ins digitale Zeitalter, in dem laut der Studie von Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Oxford University bis zum Jahr 2030 fast die Hälfte (47 Prozent) aller Jobs wegfallen werden, nicht mit alten Denkansätzen zu bewältigen.

Kontrolle frustriert

Martin Röhsner, Eigentümer und geschäftsführender Gesellschafter von "dieBerater – Human Concern" und der Catro Personalberatung Media GmbH, sieht im permanenten Sparen und Downsizing und der damit verbundenen Angst vor Arbeitsplatzverlust aber gar nicht den Hauptverursacher der Klimaverschlechterung: "Ich registriere sowohl bei Arbeitnehmern als auch im mittleren Management und bei Eigentümerunternehmern wachsende Frustration über steigende Reglementierungen und damit verbundene Kontrollwut." Immer mehr Führungskräfte litten darunter, sich permanent rechtfertigen zu müssen und fürchteten, für Schäden persönlich zu haften. Sie gingen daher in die Defensive. Dabei bleibe auf Dauer die Innovationskraft auf der Strecke und der Unternehmergeist versiege. Ein lähmendes Phänomen, das sich im Öffentlichen Sektor ebenso breitmache, wie in der Bankenlandschaft oder in Mittel- und Großbetrieben.

Druck wächst

"Insbesondere in internationalen börsenotierten Unternehmen wächst der Druck, den die Headquarter auf ihre lokalen Gesellschaften ausüben. Das liegt daran, dass das normale Wachstum nicht hergibt, was der Aktienmarkt verlangt", analysiert Headhunter Georg Unger, Managing Partner der international tätigen Unternehmensberatung NGS Global. "Die Mitarbeiter müssen mehr arbeiten, die Gehälter sinken und ein Ende ist derzeit nicht absehbar", sagt Unger, der die Bereitschaft von Belegschaften, unter solchen Umständen mit an einem Strang zu ziehen, zeitlich auf maximal ein bis zwei Jahre einschätzt. Unisono empfehlen Röhsner, Unger und Buschmann Unternehmen, sich ein Beispiel am Mindset der Start-up-Szene zu nehmen, der den in unseren Führungsetagen dominierenden Mid-Agern abhanden gekommen ist.

Vorbild Start-up

Was die schnell wachsenden Unternehmen wie Trivago (2015: 500 Mitarbeiter, Ziel 2018: 2000 Mitarbeiter), airbnb, runtastic oder watchadoo zum Beispiel gemeinsam haben? Eine Vision, empathische, kommunikationsfähige Führungspersönlichkeiten an der Spitze und Wohlfühlangebote für die meist sehr jungen und diversen Teams am Arbeitsplatz. "Der Stratege der Zukunft wird zunehmend zum Unternehmer (im Unternehmen) und muss sowohl in der eigenen Einheit als auch im Gesamtunternehmen darauf hinwirken, dass es eine entsprechende (Fehler-)Kultur und Offenheit gibt. Dass Innovationsspirit beziehungsweise permanentes Denken in Kundenlösungen geschaffen wird. Für die Etablierung unternehmerischer Mindsets und Kulturelemente können Start-ups gute Rollenvorbilder sein", konstatiert auch harvardbusinessmanager.de in seiner Ausgabe vom 1. Dezember 2016. "Obwohl die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt nicht gerade zu riskanten Wechselmanövern ermutigt, sollten leistungswillige und leistungsfähige Arbeitnehmer nicht abwarten bis aus Frustration Resignation wird", rät Psychologe Röhsner, der auch Coaching und Outplacement anbietet.

Folgende Fragen könnten bei der Wechsel-Entscheidungsfindung hilfreich sein:

-Gibt es im Unternehmen andere Einsatzmöglichkeiten?

-Basiert die gefühlte Frustration auf harten Fakten oder handelt es sich um ein diffuses subjektives Gefühl?

-Wie steht es um die eigenen Chancen außerhalb des Unternehmens und vielleicht gar in einer anderen Branche?

Wer derzeit wenig Grund zum Lachen und gar keine Möglichkeit zum Arbeitgeberwechsel sieht, kann es zeitsparend und kostenlos mit der 60-Sekunden-Methode der legendären, 2011 verstorbenen Motivationstrainerin Vera F. Birkenbihl versuchen: "Man muss es gar nicht lustig haben, es genügt, wenn man dem Gehirn Spaß vortäuscht", so ihre in Hunderten Seminaren und Vorträgen kolportierte Erkenntnis.

Wer also an einem stillen Ort für eine Minute lang beide Mundwinkel zu einem breiten Grinsen nach oben zieht, schüttet die gleichen Glückshormone aus, wie Zeitgenossen, die tatsächlich Spaß haben. Eine Blitzkur aus dem 20.Jahrhundert, die aber gerade auf youtube ein Revival erlebt: Birkenbihls Videos wurden mehrere 100.000 Mal aufgerufen.

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