"Ich zauber' dir was"

Wiener Schmäh und französisches Essen vertragen sich hervorragend, wie man an Road Crêpes sehen und schmecken kann.
Marc Schweiger verkauft mit Wiener Schmäh französische Crêpes aus seinem Food Truck.

Schon von Weitem kann man es sehen: heute steht am Naschmarkt wieder der Road Crêpe Wagen. Der hellgrüne Farbklecks fällt zwischen den braunen Ständen sofort auf, zudem zieht sich bis zur angrenzenden U-Bahn-Station ein Duft von Zwetschke, Zimt und Chili. Ein Mann mit Baskenmütze lehnt lässig an dem offenen Stand, in der Rechten ein Tablett mit aufgeschnittenen Kostproben, mit der Linken gestikuliert er. Um ihn herum stehen fünf Gäste, sie plaudern, lachen, naschen und loben das selbst gemachte Essen. Es schlendert neue Kundschaft herbei und Marc Schweiger, der Mann mit der Mütze und der Macher von Road Crêpe, verschwindet hinter der Theke, um in seiner winzigen Wagen-Küche neuen Teig anzumischen. Ein Spiegel, den er schräg über sich montiert hat, lässt seine Gäste von vorne alles genau beobachten. „Wie stehst du zu Schoko-Nougat?“, ruft er der jungen hübschen Frau zu, die unentschlossen vor der Crêpe-Karte wippt. „Gut“, lacht sie. „Dann zauber’ ich dir was. Heute bin ich gut drauf“, lächelt er zurück. An diesem grauen Herbsttag hat es keine elf Grad und doch kommt Marc Schweiger ins Schwitzen. Nicht allein wegen der feschen Kundschaft, sondern wegen der vielen Kundschaft. „Dabei ist heute erst mein zehnter Tag“, lacht er ungläubig.

Vom Sacher zum Strand

Der 30-Jährige ist Betreiber eines „mobilen Gastro-Geschäfts“, wie er es nennt. Sein Business: Er macht vegane, gluten- und laktosefreie Crêpes nach der 5-Elemente-Küche. Die süßen und pikanten Füllungen, wie etwa „Mamsch“ oder „Steinpilz-Gouqi-Azukibohne“ kreiert er selbst und bringt das Gesamtkonzept mit seinem selbst entworfenen und teils auch selbst gebauten Piaggio Lastendreirad von Donnerstag bis Samstag am Naschmarkt und am Meidlinger Markt an die Menschen. All seine Zutaten bezieht er direkt von Bauern, seine Kleidung ist bio und auch der Motor des Wagens läuft mit Strom. Sein Handwerk lernte Schweiger vor vielen Jahren im Wiener Hotel Sacher. Nach seiner Kellner-Lehre will er ins Ausland und es zieht ihn nach Zürich, denn: „Es hat geheißen, da kann man Geld verdienen“, lächelt er. Und genau das tut er dort auch. Mit der Arbeit spürt er jedoch auch den Ernst des Lebens herbeischleichen und will ihn noch nicht so recht an sich heranlassen. Also packt er seinen Rucksack und reist die nächsten zwei Jahre durch Rom, Australien, wieder nach Zürich und schließlich Rumänien. „Backpacking ist eine meiner großen Leidenschaften.“

Vom Strand zum Stand

Doch nach jeder Reise kommt ihm eine Erkenntnis: „Ich muss mein Leben ändern.“ Schließlich kehrt er ins Sacher zurück, holt seine Matura nach und inskribiert Politikwissenschaften. Während er glaubt, wieder in ein „normales Leben“ zurückzufinden, bemerkt der Chef eines großen österreichischen Unternehmens sein Verkaufstalent beim Kellnern. „Also wurde ich abgeworben.“ Die nächsten zwei Jahre verbringt Schweiger im Key Account. Doch der Drang nach Veränderung treibt ihn noch einmal „ganz auszusteigen“. Er tauscht Anzug gegen Jogginghose und inskribiert Sport. Bis heute ist er an der Uni eingeschrieben, wirklich studieren kann Schweiger aber nicht mehr. Denn vor knapp einem Jahr hat er die Idee zu seinen rollenden Crêpes. Sein auf Reisen erworbenes Wissen um den nachhaltigen Lebensstil lässt er in seine Geschäftsidee einfließen, das Startkapital kommt von seinen Eltern. Aber auch um Förderungen bemüht er sich derzeit. „Ich will meine Idee verwirklichen und den Menschen was Gutes tun. Derweil hab’ ich alles, was ich will und brauch’ nicht mehr“, erklärt er.
Seit zwei Monaten erst rollt Schweiger nun durch Wien. Und es scheint, als wäre da doch etwas, das er braucht. Denn das Geschäft mit dem Crêpe geht so gut, „dass ich mich bald wohl nach meinem ersten Mitarbeiter umsehen werde.“

1. Lass dir nichts erzählen. Sobald man selbstständig ist, kommen von überall plötzlich sehr viele Menschen mit wahnsinnig vielen Ideen daher, wie du dein Business verändern könntest. Es ist aber wichtig, seiner Linie treu zu bleiben. Wie ich: Ich bleibe bei der Nachhaltigkeit, auch wenn sie schon mal mehr kostet.

2. Finde heraus, wo deine Stärken und Schwächen sind. Ich brauche zum Beispiel ewig für eine Excel-Aufstellung in der Buchhaltung, dafür stehe ich um zwei Uhr in der Nacht auf und kreiere zwei neue Rezepte. Zu wissen, wie lange man für etwas braucht und wie viel Energie dabei draufgeht, hilft bei der täglichen Planung.

3. Einfach machen. Nicht allzu viel über den Gründungs-Schritt nachdenken. Über die Idee und die Umsetzung natürlich schon, aber viele lassen sich durch Theorie, Zahlen und Investitionen einschüchtern.

4. Ich habe schon Expansions-Angebote für Berlin und Sydney bekommen – das macht einen zu Beginn etwas größenwahnsinnig. Mit der Zeit bin ich draufgekommen, dass ich das noch gar nicht will – ich steh’ gern in meiner Küche, mache Crêpes und probiere neue Rezepte aus. Der nächste Schritt sollte erst dann kommen, wenn man wirklich soweit ist. Derzeit ist nur das Morgen wichtig.

5. Es klingt vielleicht banal, aber: Wenn du dich selbstständig machst, musst du von der Sache wirklich überzeugt sein und sie muss dir sehr am Herzen liegen.

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