Plötzliches Homeoffice-Verbot: Warum Arbeitnehmer kooperieren sollten

Herrlich. Zehn Tage pro Monat arbeitete Adele S. von Zuhause. Ihre Tätigkeit in einem großen österreichischen Unternehmen ließ es zu, die getroffene Vereinbarung mit dem Arbeitgeber legte die nötigen Regeln fest. Doch plötzlich der Kurswechsel. Sie soll wieder öfter ins Büro, um anderen Kollegen ein Vorbild zu sein. Vier Tage Heimarbeit sei das neue Maximum, heißt es inoffiziell. Nimmt sie mehr in Anspruch, könnten Konsequenzen drohen. Andere Kollegen ereilt dieselbe Anordnung – aber nicht alle.
Ein Blick in die Homeoffice-Vereinbarung zeigt: Der Arbeitgeber darf das. Er hat sich den Spielraum eingeräumt, maximal zehn Tage pro Monat zuzusichern – was auch null bedeuten kann. Doch die Ungleichbehandlung frustriert Adele S. und rührt den Verdacht, dass man sie kontrollieren möchte.
Zu schnelles Urteil
Damit urteilt sie möglicherweise vorschnell, erklärt PwC-Partnerin und HR-Expertin Jutta Perfahl-Strilka. „Chefs, die ihr Team zurück ins Büro holen, wird oft unterstellt, dass sie überwachen wollen. Das ist zu einseitig gedacht“, erklärt sie. Natürlich könne das bei manchen der Fall sein. Oftmals ginge es aber um das soziale Gefüge, das unter zu viel Abwesenheit leidet. „Wenn jeden Tag nur vereinzelt Personen da sind, ist man in einem Jahr kein Team mehr“, sagt Perfahl-Strilka, die sich grundsätzlich als große Homeoffice-Fürsprecherin sieht.
Unter drei Umständen würde sie aber selbst die Flexibilität ihres Teams einschränken – ohne böse Absichten.

Jutta Perfahl-Strilka ist Partnerin bei PwC Österreich
Die Arbeitgebersicht
„Beim Zusammenarbeiten geht es auch immer um das Zwischenmenschliche“, so Perfahl-Strilka. Ein verändertes Teamgefüge könne deshalb mehr Anwesenheit verlangen. Bei einer hohen Fluktuation oder wenn „alte Hasen“ von jungen abgelöst werden. „Punktuell kann es sein, dass der Chef hier sagt: Bitte komm öfter rein.“
- Das wichtigste vorweg: Einen Rechtsanspruch auf Homeoffice gibt es nicht. Aber: Seit 2021 ist Arbeiten im Homeoffice gesetzlich geregelt.
- Firmeninterne Vereinbarungen legen wiederum das Ausmaß sowie Bedingungen fest, sind oftmals auf ein Jahr befristet oder beinhalten Änderungs- und Widerrufsvorbehalte, sagt Arbeitsrechtsexpertin Ursula Roberts.
- Laut Gesetz können Homeoffice-Vereinbarungen in einer Monatsfrist einseitig gekündigt werden – unter Angabe eines „wichtigen Grunds“.
- Sichert eine Vereinbarung bis zu zehn Homeoffice-Tage zu, können diese auch bis auf Widerruf konsumiert werden. Sollen die zugesicherten Homeoffice-Tage reduziert werden, muss die Vereinbarung einen Änderungsvorbehalt enthalten. Formulierungen wie „bis zu“ oder „maximal zehn Tage“ eröffnen jedoch einen Spielraum, in dem sich zwischen null und zehn bewegt werden kann, ohne die Vereinbarung abändern zu müssen.
- Sollte die Reduktion langfristig erfolgen, empfiehlt Roberts, Homeoffice-Vereinbarungen neu aufzusetzen, um Klarheit zu schaffen.
Ebenfalls relevant: Wenn das Team plötzlich mehr gefordert ist. Etwa wenn ein wirtschaftlich anspruchsvolles Jahr bevorsteht, ein neues Produkt auf den Markt kommt oder eine besondere Verkaufsaktion im Vertrieb startet. Ein weiterer nachvollziehbarer Grund wäre außerdem ein Leistungsabfall – in einem ganzen Team oder bei einzelnen Personen. Das müsse nichts mit Faulheit zu tun haben, merkt die HR-Expertin an. „Man lernt viel, wenn man neben Kollegen sitzt. Fehlt das Ad-hoc-Lernen einen Tag oder ein paar Wochen, ist das egal. Über Monate hinweg kann es zu einem Leistungsabfall kommen.“
Einzelne Mitarbeiter ins Büro zu beordern, sei laut der HR-Expertin dann legitim. Allerdings brauche es viel Fingerspitzengefühl, um nicht zu diskriminieren. Denn rechtlich bewegt man sich als Chef auf dünnem Eis, weiß die Arbeitsrechtsexpertin Ursula Roberts von PwC Legal: „Das trägt sicher eine Gleichbehandlungsproblematik in sich“, sagt sie. „Werden einem Teil der Belegschaft mehr und einem anderen weniger Homeoffice-Tage zugesprochen, muss man das argumentieren können.“ Für Adele S. sind die Fronten jedenfalls verhärtet. Schließlich will man ihr ein Stück Freiheit nehmen, an das sie sich gewöhnt hat. Was jetzt zu tun ist?
Werden einem Teil der Belegschaft mehr und einem anderen weniger Homeoffice-Tage zugesprochen, muss man das sachlich argumentieren können. Das trägt eine Gleichbehandlungsproblematik in sich.
Die Arbeitnehmersicht
„Gegenseitige Flexibilität ist das Schlüsselwort“, erklärt Karriere-Coach Mandana Magharai. Um Spannungen zu vermeiden, sei eine offene Kommunikation deshalb der wichtigste Schritt, empfiehlt sie und Jutta Perfahl-Strilka ergänzt: „Sollte man wirklich das Gefühl haben, der Chef piesackt mich: Bewusst produktiv in ein Gespräch hineingehen und fragen, woran es liegt.“

Mandana Magharai ist Karriere-Coach und Business-Mentorin
Hat sich etwas verändert, weshalb mehr Anwesenheit erforderlich ist? Wurden Leistungen nicht erbracht oder gibt es Vorlieben, an welchen Tagen man präsent sein sollte? „Ist die Führungskraft offen und entgegenkommend, wird man das auch sein“, sagt Magharai. Vielleicht ließe sich sogar ein Kompromiss erarbeiten. Fehlt der zwischenmenschliche Kontakt oder vermutet man einen Vertrauenskonflikt, könnte ein virtueller Nachmittagskaffee oder ein fixes morgendliches Meeting schon vieles bewegen, weiß Perfahl-Strilka aus Erfahrung.
Ist das Onboarding von neuen Kollegen der Grund, ließe sich ein fester Zeitraum vereinbaren, in dem weniger Homeoffice konsumiert wird. Einen Riegel vorschieben, würde Magharai nur ab dem Zeitpunkt, in dem Homeoffice als Druckmittel eingesetzt wird. „Das wäre ein Grund, Konsequenzen zu ziehen“, sagt sie und rät, die Unterstützung des Betriebsrats einzuholen, sofern es einen gibt.
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