Hochstapler, Betrüger, Blender: Sind sie auch Vorbilder?

Psychologin Karin Flenreiss-Frankl spricht von Blendern und Hochstaplern in der Arbeitswelt
Was man sich von Hochstaplern wie Anna Sorokin abschauen kann, erklärt Psychologin Karin Flenreiss-Frankl.

In der heutigen Pop-Kultur erwecken kriminelle Persönlichkeiten wie die Hochstapler Anna Sorokin, Elizabeth Holmes und Frank Abagnale Jr. (Anm.: bekannt aus dem Hollywoodfilm „Catch me if you can“) besonders großes Aufsehen und auch eine gewisse Faszination. Dem stimmt auch Psychologin Karin Flenreiss-Frankl zu: „Sie konnten durch Manipulation und Täuschung aus dem Nichts etwas erschaffen. Verständlich, dass man sich da fragt: Wie haben sie das gemacht?“ Jedoch betont sie auch, dass Betrüger sich als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl trotzdem nicht eignen würden: „Vor allem als Chefin oder Chef sind hier Konflikte vorprogrammiert.“ Welche Tricks man – abgesehen von dem kriminellen Moment – von ihnen lernen kann.

Man muss eine Vision haben.

Mit einem konkreten Ziel vor Augen könne man andere besser überzeugen, sagt Karin Flenreiss-Frankl: „Anna Sorokin manipulierte und täuschte vieles vor. Aber mit ihrem massiven Selbstbewusstsein, stabilen Auftreten und vor allem auch ihrem vollen Vertrauen in die eigenen Visionen, schaffte sie es, dass andere sie nicht hinterfragten.“ Ein Erfolgsgeheimnis ist laut Flenreiss-Frankl: Von seinen eigenen Ideen überzeugt zu sein.

Selbstsicherheit ist der Schlüssel.

Von der Stimme bis hin zur Haltung, Mimik und Gestik: All das sind nonverbale Signale, die andere unbewusst wahrnehmen und verwenden, um sich ein Bild zu machen. Selbstsicherheit kann man bis zu einem gewissen Grad trainieren und erlernen. „Das geht von der Art, wie man steht und wie man seine Hände bewegt bis hin zur Körperhaltung. Steht man beispielsweise gebückt oder aufrecht? Um selbstsicherer zu wirken, sollte man das alles bewusst üben“, sagt Flenreiss-Frankl. Das eigene Auftreten macht nämlich sehr viel aus und kann unter anderem auch über die eigene Glaubwürdigkeit entscheiden. Besonders gut konnte man das bei den beiden Frauen Holmes und Sorokin erkennen: „Als Frau sollte man sich mehr zutrauen und sich seines Wertes bewusst sein.“

Inventing Anna Netflix Anna Sorokin  Anna Delvey Julia Garner

Die Hochstaplerin Anna Sorokin (gespielt von Julia Garner) gab Teil der New Yorker High-Society zu sein. Ihre Geschichte wird in Netflix "Inventing Anna" behandelt.

Kann man zu selbstsicher sein? Flenreiss-Frankl meint dazu: „Wenn man unreflektiert wird, nur mehr seine Sicht der Dinge akzeptiert und nichts hinterfragt, ist es zu viel. Der Mensch entwickelt sich dann im Grunde nicht mehr weiter.“ Die Lösung hierfür ist das Einholen von Feedback und Selbstreflexion.

Man muss nicht gemocht werden.

Das Paradebeispiel dafür ist Anna Sorokin. Sie wirkt eingebildet, arrogant und selbstverliebt. Flenreiss-Frankl meint dazu: „Meist sind es genau die Personen in Führungspositionen, die nicht besonders gemocht werden. Für den Erfolg ist das auch nicht zwingend nötig.“ Wichtig sei es, Respekt vor seinen Mitarbeitern zu haben. Außerdem müsse man auch „vermitteln können, dass man weiß, was man tut und sich seiner Fähigkeiten sicher sein.“

Man muss sich auf andere einstellen.

„Das verschafft Vorteile, da man von seinem Gegenüber besser angenommen wird. Sie hören zu, nehmen das Gesagte ernst und glauben einem eher“, sagt Flenreiss-Frankl. Auch hier spielt die richtige, offene Körperhaltung eine Rolle. Zusätzlich sollte man Fragen stellen. „So leitet man das Gespräch und lernt mehr über die andere Person.“

Hochstapler, Betrüger, Blender: Sind sie auch Vorbilder?

„The Dropout“ von  Elizabeth Meriwether: eine achtteilige Miniserie thematisiert den Aufstieg und Fall der ehemaligen CEO eines Biotech- Unternehmens

Ohne Fachwissen kommt man nicht weit.

Was die drei genannten Hochstapler auszeichnet, sind ihre extreme Hartnäckigkeit, großes Selbstvertrauen und harte Arbeit. Doch benötigt man nur diese Eigenschaften, um in der Arbeitswelt voranzukommen? Früher oder später sind alle drei Blender aufgeflogen. Einen Grund dafür sieht Flenreiss-Frankl in deren vorgetäuschtem Wissen: „Diese Eigenschaften sind natürlich sehr wichtig in der Arbeitswelt, aber zusätzlich ist auch tatsächliches, fachliches Wissen zentral. Wenn man sein Können nur vortäuscht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Defizite sich nach und nach zeigen.“

Mit einer Kombination aus Fähigkeit, Wissen und Hartnäckigkeit steht einem folglich für den beruflichen Erfolg nichts mehr im Wege.

"Realistisch sein, ist  Betrug. Seid unrealistisch", das hört man immer häufiger auf der Social Media Plattform TikTok.

Junge Leute teilen ihre  Erfahrungen mit der „Sei unrealistisch“-Methode. Gemeint ist, sich seine irrealsten Träume zu  tatsächlichen Zielen zu machen und diese mit vollem Vertrauen zu verfolgen. Den TikToks zufolge scheint die Methode erfolgreich.

Karin Flenreiss-Frankl meint:  „Wenn man sich vorstellt, erfolgreich zu sein und sich dementsprechend verhält, kann es schon sein, dass man sein Ziel einfacher erreicht.“ Diesen Trend findet sie dennoch bedenklich, da er vermittelt, dass man nur fest genug an sich glauben muss, um seine Wünsche zu erfüllen.

„Diese Methode hat  ihre Grenzen und dessen muss man sich bewusst werden.“ 

Kommentare