Hier boxt man sich durch

Hier boxt man sich durch
Viele Mitarbeiter finden Seminare langweilig. Dieses ist es nicht – es geht Schlag auf Schlag

Es wird heute keine Ausfälle geben“. Kollektives Aufatmen. Schläge ins Gesicht sind nicht geplant. Hier, im Boxclub Bounce in Wien Ottakring, findet ein eher ungewöhnliches Seminar statt. Eine Stunde wird über den neuen Dübel des bekannten Befestigungstechnik-Herstellers Hilti geredet, dann eine Stunde geboxt. Abwechselnd, den ganzen Tag lang.

Was das Boxen mit einem Dübel zu tun hat? Die Teilnehmer wissen darauf keine Antwort. Der Seminarleiter sieht den Zusammenhang in der Anzahl der Schläge. Je weniger Schläge ein Dübel brauche, um fest in einer Wand zu sein, desto besser. Ähnlich sei das beim Boxen. Ein guter Boxer brauche nur wenige Schläge zum Sieg.

Es geht um Abwechslung

Mitarbeiter haben ihre Meinung zu Seminaren – es braucht Abwechslung. In diesem Fall das Boxen.
Das Spektakel beginnt um neun Uhr früh. Alle, die an dem Dübelprojekt beteiligt sind, sind hier. Sie kommen aus vier Ländern, die Deutschen unter ihnen feiern mit einem lauten „Schland“ nochmals den Fußball-Weltmeister-Titel ihres Heimatlandes.

21 Leute haben sich in einem Seminarraum mit bequemen Lederstühlen versammelt. Nur eine Frau ist dabei. „Technischer Beruf halt. Ich bin das gewöhnt“, sagt sie.
Einige Teilnehmer, „the Brain“ oder „the Expert“ genannt, werden mit lautem Gebrüll aufgerufen, um zu präsentieren. Ihre Themen: Setzverhalten, Kerngeometrie, Nagelführung und Einschlagsperren.

Es wird ernst

In der folgenden ersten Trainingseinheit erhält jeder Teilnehmer Boxhandschuhe. Alle stellen sich, nach Größe sortiert, nebeneinander auf. Die Teilnehmer lachen und scherzen viel – noch. Nach 15 Minuten aufwärmen riecht es im Raum nach Schweiß. Das Atmen wird lauter, die Köpfe roter.
Es folgt das Üben der Grundstellung beim Boxen. Ein fester Stand ist dabei wichtig, denn, wie Marcos Nader sagt, „wenn ich dasteh wie die Prinzessin auf der Erbse, fall ich um“. Er ist EU-Meister 2013 im Mittelgewicht. Beendet wird die Einheit mit einem dreifachen „Ring frei“.

Wieder zurück zur Theorie: Im zweiten Seminarteil sind Cluster-Strategien, Pricing und Marketing die Themen. Danach sollen sich die Teilnehmer für die zweite Boxeinheit bereit machen. Ein Seufzer geht durch den Raum. Schattenboxen steht an. Die zarten Schläge in die Luft wären allerdings auch für einen echten Gegner ungefährlich.

Die Härte steigt

Es folgen intensivere Koordinationsübungen, die Trainer haben ihren Spaß dabei. Das Lachen vom Beginn ist den Teilnehmern vergangen. Sie stellen sich in Zweiergruppen gegenüber auf und bilden eine Gasse. Nun gehen sie vor und zurück und boxen sich gegenseitig in die Hände. Schweiß tropft von den nassen Körpern und sammelt sich am Fußboden. Ein Mann wird an der Wange getroffen – angesichts der minimalen Schlagkraft aber kaum zu spüren. Das Shirt eines anderen Mannes sieht aus, als ob er gerade an einem Wet-T-Shirt-Contest teilgenommen hätte. Der älteste der Runde, ein 59-jähriger Mann, verzerrt schon länger sein Gesicht. Lange macht er das nicht mehr mit. Am Ende der Einheit wird noch gedehnt und – wahrscheinlich der Leistung wegen – applaudiert, wieder gefolgt von einem dreifachen „Ring frei“.

Letzte Theorie: In einer weiteren Seminareinheit darf noch mal jeder den neuen Dübel in eine aufgebaute Wand schlagen. „Sehr, sehr geil“-Sprüche begleiten das kollektive Dübel-in-die-Wand-hämmern. Dann geht es ein letztes Mal in die Trainingshalle, von einem Mann mittlerweile liebevoll „Folterkammer“ genannt. Die letzten Kraftreserven werden verbraucht. Verzerrte Gesichter, tiefrote Köpfe und lautes Stöhnen prägen das Bild.
Am Ende des Tages gibt es einen versöhnlichen Ausklang: Kaltes Bier und frisch gegrilltes Fleisch. Das Team sitzt zusammen. Den meisten Teilnehmern hat das Seminar offensichtlich gefallen, es sei interessant und spannend gewesen, sagen sie. Und wie bei jedem Seminar ist man durchaus auch froh, dass es vorbei ist.

Viele Unternehmen setzen auf Abwechslung bei Seminaren. Wichtig dabei ist, dass sich das teilnehmende Team besser kennenlernt. Die Palette an Angeboten steigt. Eine Auswahl:

Im Ötztal können Seminare mit vielen Aktivitäten verbunden werden – geführte Bergtouren, Canyoning, Paragliding, Mountainbiken, Rafting, Klettern im Hochseilgarten oder eine Gletschersafari ins ewige Eis machen Seminare zum Abenteuer. www.feelfree.at

Brücken bauen, mit einem selbst gebauten Floß fahren, eine Blockhütte zimmern, Rafting oder Orientierungswanderungen sind weitere Aktivitäten, die mit einem Seminar verbunden werden können. In ganz Österreich verfügbar.
www.outdoor-unlimited.at

Wer Lust aufs Meer verspürt, kann sein Seminar während eines Segeltörns durch das Mittelmeer belegen. Solche Seminare sollten mindestens neun Monate vor dem geplanten Antritt gebucht werden, da die Vorlaufzeit lang ist. www.sailact.eu

Exotischer ist das „Apemanagement“-Seminar. Dabei sollen Manager lernen, Affen zu verstehen. Es falle ihnen dann leichter, ihre Mitarbeiter zu deuten und zu führen, weil Schimpansen und Menschen genetisch nahezu gleich sind. Wer Affen versteht, versteht auch Menschen, so die These.
www.apemanagment.nl

Im Euro Space Center in Belgien kann das Seminar mit einer simulierten Weltraummission verbunden werden. Dort kann man erleben, wie sich ein Astronaut auf einer Mission fühlt. Man repariert Satelliten oder dockt im Cockpit eines Spaceshuttles an der ISS an – Teamwork ist dabei wichtig.
www.eurospacecenter.be

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