Jedes Mal emotional

Hebamme Wilma Reichenberger mit einer Patientin in deren Wohnung
Hebamme Wilma Reichenberger hat 1500 Babys auf die Welt gebracht – mit Geduld und Demut

Behutsam tastet Wilma Reichenberger den Bauch ihrer hochschwangeren Klientin ab. Auf 50 Gramm genau kann die Hebamme so das Gewicht des Babys bestimmen. „Das Baby liegt anders als gestern“, sagt sie. Dann setzt sie ein hölzernes Rohr an den Bauch, hält das Ohr daran. „Nur damit kann man die Herztöne des Kindes hören, mit dem Stethoskop geht das nicht“, erklärt Reichenberger. Die 44-Jährige arbeitet als Wahlhebamme in Wien, begleitet ihre Klientinnen bei der Geburt im Krankenhaus und zu Hause. In Österreich sind Hebammen, die mittlerweile per FH-Studium ausgebildet werden, den Gynäkologen gleichgestellt, sagt Reichenberger: „Die Hebamme darf ohne Arzt die Geburt durchführen, aber der Arzt nie ohne Hebamme.“

1 Was sagen Sie zum Hype um das Baby von Will & Kate?

Soweit ich das mitbekomme, wollen sie eine natürliche Geburt. Das finde ich gut, ich halte wenig von geplanten Kaiserschnitten.

2 Warum sind Sie Hebamme geworden?

Ich will, dass die Kinder gut landen auf dieser Welt. Als ich 20 war, hat eine Freundin von mir zu Hause ihr Baby bekommen. Die Arbeit der Hebamme hat mich zutiefst beeindruckt.

3 Warum freiberuflich?

Ich kann die Menschen sehr individuell betreuen. Es geht um Qualität und Vertrauen. Ich begleite die Frauen ungefähr ab der 20. Schwangerschaftswoche bis zum Wochenbett, habe fünf Geburten im Monat. Als ich im Krankenhaus angestellt war, waren es sechs pro Dienst. Da hatte ich maximal zwei Stunden mit einer Klientin zu tun.

4 Wie sieht Ihr Tag aus?

Ich habe tagsüber Beratungstermine und Hausbesuche, biete abends Vorbereitungskurse an. Am Wochenende habe ich frei, bin aber oft in Rufbereitschaft für die Geburten.

5 Welche Fähigkeiten braucht man für den Beruf?

Hebammen sind mit den Sinnen sehr gut, müssen genau beobachten, einschätzen können. Es braucht viel Geduld und Demut – eine Geburt kann lange dauern. Wobei Hausgeburten oft schneller gehen als im Spital, weil sie stressfreier sind. Wichtig ist auch zu wissen, wo meine Grenze als Hebamme ist. Und es braucht Flexibilität – ich bin häufig in Rufbereitschaft.

6 Das erste Baby – wie war’s?

Das war während meiner Ausbildung: Der Mann hat mit mir Spanisch gesprochen, mit seiner Frau Englisch, die Frau mit mir Deutsch. Als das Baby da war, war das emotional – das ist es heute noch.

7 Ihre größte Herausforderung?

Wenn du bangen musst um das Leben der Frau, ist das heftig. Das ist mir zwei Mal passiert, ging aber gut aus.

8 Sind werdende Väter heute engagierter?

Sie werden anders eingebunden. In der Geburtsvorbereitung machen wir Kurse mit Väterschwerpunkt. Da geht es um Veränderungen für das Paar.

9 Was mögen Sie am Job?

Meine Selbstständigkeit. Ich kann soviel arbeiten wie ich will. Die Abwechslung: Jede Schwangerschaft ist anders. Und man kriegt viel zurück von den Leuten.

10 Was gar nicht?

Ich bin permanent in Rufbereitschaft, spontanes Festefeiern geht da nicht. Für eine Geburt muss ich mir fünf Wochen freihalten.

11 Ihr Berufswunsch als Kind?

Stewardess.

12 Wie viel verdienen Sie?

Netto sind es 2000 bis 3000 Euro im Monat.

13 Welche Ziele haben Sie?

Ich würde gern ein Geburtenhaus gründen. Noch wichtiger wäre, dass die Krankenkassen die Kosten für freie Hebammen übernehmen.

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