Hans Peter Haselsteiner: Bauherr sucht Frauen
Frauenanteil bei Strabag: 13 Prozent. Im Vorstand: Null. Hans Peter Haselsteiner will das ändern, das Thema ist jetzt Chefsache. Aus Gründen der Fairness und Notwendigkeit.
KURIER: Sie haben das Frauenthema entdeckt. Ohne respektlos sein zu wollen: Nach 40 Jahren in der Baubranche ist das reichlich spät.
Hans Peter Haselsteiner: Das stimmt so nicht. Frauenförderung ist mir seit jeher ein Anliegen, wenn auch in der Vergangenheit kein sonderlich erfolgreich bewältigtes.
Sie haben in einem sehr männlichen Business einen sehr männlichen Konzern aufgebaut. Da haben Sie doch auch etwas verabsäumt.
Ja, richtig, wir sind ein männliches Business und werden das auch bleiben. Aber innerhalb dieses Business wollen wir den Frauenanteil ausbauen. Klar ist: Auf fünfzig Prozent werden wir wohl nie kommen, auf 20 könnten wir kommen.
Warum jetzt so systematisch?
... weil alles, was wir bisher gemacht haben, nicht zielführend war.
Warum machen Sie das? Weil Gesellschaft oder Aktionäre das fordern? Weil Sie Arbeitskräfte brauchen? Oder weil Sie das wollen?
In erster Linie, weil wir glauben, dass das gesellschaftspolitische Anliegen in Unternehmen demonstriert werden muss. Dazu kommt: Wir haben Not an guten Nachwuchskräften. Aber selbst wenn wir uns sehr anstrengen, Frauen zu finden, wird das nicht leicht, weil es wenig technikaffine Frauen gibt. Nur zwanzig Prozent der Absolventen technischer Ausbildungen sind weiblich.
Wieso starten Sie damit erst 2013?
Ach Gott. Der Unterschied ist diesmal die strategische Ausrichtung. Punktuelle Bemühungen hat es immer mal gegeben. Diesmal wollen wir es uns beweisen, sprechen aber von einer Flexiquote, heißt: Jedes Jahr soll sich der Anteil der Frauen erhöhen. Dafür setzen wir Maßnahmen. Obwohl ich nicht weiß, ob ich einer Frau überhaupt zu einer Karriere raten soll.
Wieso nicht?
Weil sie dann ein nachweislich hohes Risiko für alle anderen Bereiche ihres Lebens hat: enorme Beziehungsbelastung, Kinder und Familie bleiben auf der Strecke.
Alles Auswirkungen, die doch auch die Männer treffen ...
... Nein, die haben das nicht, solange 50:50 nicht funktioniert. Die Frauen tragen die Familienlasten, die Männer machen Karriere. Tatsache ist aber, dass man diese Entscheidung den Frauen überlassen muss.
Im Mittel-Management sind Frauen durchaus schon angekommen ...
Richtig, wobei ich glaube, dass das mittlere Management viel schwieriger ist, der Druck viel höher. Denn: Je höher der Rang, desto höher die Privilegien und die Gestaltungsfreiheit.
Welche Effekte erwarten Sie von einem höheren Frauenanteil?
Eine Vielfalt im Team. Beeinflussung. Das wird nicht immer positiv sein, es ist auch eine Herausforderung. Das ist gut, weil das Kollektiv erneuert wird: anders denken, anders ticken, anders spinnen. Jeder spinnt doch auf seine Art.
Sie haben für sich die traditionelle Rollenverteilung gewählt. Weil das damals einfach so üblich war?
Wir haben das durchaus als Privileg gesehen, dass meine Frau zu Hause bleiben konnte. Insofern bin ich Traditionalist, weil ich das Modell lebe wie vor 50 Jahren. Ich würde aus heutiger Sicht mehr Zeit für meine Familie haben wollen, das habe ich sicher vernachlässigt. Diese Erkenntnis haben die über 60-Jährigen – und die Jungen machen’s gleich schlecht wie die Alten.
Nicht alle.
Es gibt die Alternativen, das ist gut. Aber es ist auch gut, dass es die Ehrgeizlinge gibt, die Karriere machen wollen.
Thema Management: Ist das Geschäft durch Compliance, Anti-Korruption schwieriger geworden?
Schwieriger? Es hat sich potenziert. Zum Narrischwerden. Man hat weit übers Ziel hinaus geschossen. Ein ethisches Grundgerüst lässt sich leider durch Compliance-Regeln nicht ersetzen. Was macht heute noch einen anständigen, ordentlichen Menschen aus?
War das früher besser?
Wesentlich. Die Schattenseite: Es gab Zucht und Ordnung, und wenig Individualismus.
Wie hat sich die Baubranche – dreckig, männlich, bestechlich – in den Jahren verändert?
Sie ist weniger dreckig geworden, sehr effizient, sehr schnell. Männlich ist die Branche geblieben. Bis vor ein paar Jahren war Bestechung im Exportgeschäft sogar steuerbegünstigt, im Aufwand unter „nützliche Abgaben“ verbucht. Heute ist ein Verbrechen, was früher steuerbegünstigt war. Alle börsennotierten Unternehmen halten sich daran. Bei großen Konzernen ist es aber nicht einfach, das bis in jede Ecke zu transportieren, deshalb da und dort noch unliebsame Überraschungen – mit allen Konsequenzen, Köpferollen und Pranger und so. Man kann nicht sagen, dass die Baubranche korrupt ist. Wie man auch nicht sagen konnte, dass sie je korrupter war als andere Branchen. Die kleinste, die primitivste Form der Bestechung war dereinst in der Baubranche zu finden. Aber andere Branchen – Industrie, Rüstung – schlugen uns da bei weitem.
Sie arbeiten jetzt an Ihrem Ausstieg. Kann man das alles so einfach zurücklassen?
Nein, Kindesweglegung ist aber auch nicht meine Absicht. Die operative Verantwortung gebe ich ab, die eine oder andere Aufgabe werde ich behalten. Ich will aber keinesfalls eine Überregierung sein.
Sie arbeiten bis fast 70. Ist das fair der jungen Generation gegenüber?
Sehr gute Frage. Die andere Frage ist: Wenn man bis 60 arbeitet, ist das nicht eine Schweinerei, weil man damit die Pensionskasse belastet? Was fair und unfair ist, weiß ich nicht.
Womit hat die junge Generation am meisten zu kämpfen?
Mit der Sinnfindung.
Ihr Rat an die Jungen?
Das zu tun, wofür sie Leidenschaft haben. Sehr kritisch sein, nicht nach Opportunitäten suchen.
Oft hat man nicht die Wahl bei einer miesen Wirtschaftslage ...
Das mag zynisch klingen für jemanden, der einen Job sucht. Trotzdem glaube ich, ist es gültig. Weil man nur gut sein kann, wenn man etwas gern macht.
Einen Fehler, den man vermeiden muss?
Ach Gott, wissen Sie: Da gibt’s entweder Dutzende oder keinen.
Aktualisierung, 29. April:
Der langjährige Chef und Großaktionär des Baukonzerns Strabag macht seinen Stuhl an der Konzernspitze ein Jahr früher frei als geplant. Hans Peter Haselsteiner habe dem Aufsichtsrat vorgeschlagen, mit dem Ende der Hauptversammlung am 14. Juni zurückzutreten, teilte die Firma am Montag mit. Das Kontrollgremium habe diesen Vorschlag angenommen. Eigentlich wollte Haselsteiner noch ein Jahr länger bis Juni 2014 im Amt bleiben.
Seine Nachfolge tritt wie vereinbart sein Stellvertreter Thomas Birtel an. Haselsteiner werde das Unternehmen künftig als Generalbevollmächtigter beraten.
... die aktuelle Politik:
Zum Weinen
... die Performance der österreichischen Politiker:
Zum Brüllen.
... den Liberalismus in Österreich:
In einem bedauerlichen Zustand. Aber jeder Funke beinhaltet Hoffnung.
... seinen Wiedereinstieg in die Politik:
Ich habe meine Pflicht und Schuldigkeit getan. Ich hätte sicher gegen Stronach ein Match machen können. Die Journalisten hätten mich dafür geliebt und hofiert und wie einen Cowboy in der Zeitung abgebildet, wie damals den Maculan und mich. Nein, das will ich nicht mehr.
... die Wirtschaftskrise:
Wird schwer zu steuern sein. Wird leider Gottes langfristige und ernste Auswirkungen haben – und dauert noch an.
... die Lehren aus der Wirtschaftskrise:
Die Gier der Individuen kann nur durch entsprechend strikte staatliche Maßnahmen gebremst werden. Der freie Markt ist kein Regulativ.
... Management in den 1970ern:
Gemütlich.
... Management in den 2010ern:
Stressig.
... wie war das vergangene Jahr?
Schlecht.
Hans Peter Haselsteiner, 69, geboren in Wörgl, studierte Handelswissenschaften in Wien, promovierte 1970. 1972 trat er in das Bauunternehmen seines Schwiegervaters ein, durch Zukäufe und Fusionen entstand der STRABAG SE Konzern, wo er Vorsitzender des Vorstands ist. Die STRABAG hat 74.000 Mitarbeiter und zahlreiche Tochtergesellschaften in allen ost- und südosteuropäischen Ländern sowie auf der Arabischen Halbinsel. Umsatz („Leistung“) 2012: 14 Milliarden Euro.
Haselsteiner ist auch Miteigentümer (seit dieser Woche hält er 46,9 Prozent) der WESTbahn. Hans Peter Haselsteiner hat auch eine politische Geschichte: Er war 1996 bis1998 „Clubobfrau- Stellvertreter“ (so sein Türschild, das für viel Irritation sorgte) von Heide Schmidt beim Liberalen Forum.
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