Großkündigungen und ihre Folgen: Gemeinden auf Jobsuche

Großkündigungen und ihre Folgen: Gemeinden auf Jobsuche
Stellenabbau in ganz Österreich. Ganzen Werken droht die Schließung. Über Auswirkungen von Großkündigungen auf ganze Regionen.

"Wieder kündigt ein Großkonzern massiven Stellenabbau an.“ Solche Meldungen jagten in diesem Coronajahr die nächste. Die Hundertschaften künftiger Jobloser durch den Großabbau wiegen schwer auf dem ohnehin schon stark belasteten heimischen Jobmarkt.

In die Liste reihen sicht etliche Groß- und Traditionsunternehmen. Auch das Tiroler Luxusgüterunternehmen Swarovski: Am Standort Wattens in Tirol sind bis Ende nächsten Jahres 1.600 Mitarbeiter von Großkündigungen betroffen.

Kündigungswelle bei Swarovski

Und es ist nicht die erste Kündigungswelle in Wattens. Schon im Jahr 2014 reduzierte Swarovski am Standort sein Personal. Swarovski stockte ihre 2013 gegründete Arbeitsstiftung auf 200 Plätze auf, die Marktgemeinde Wattens reagierte mittels Wattener Gründerzentrum. Hier entstanden bis heute 300 neue Arbeitsplätze.

Auch dieses Mal will man mittels Swarovski-Arbeitstiftung und Gemeindeplattformen das Schicksal der Gekündigten abfedern. Doch der Rattenschwanz von Massenkündigungen ist lang.

Wattens muss jetzt sparen

Die Situation beeinflusst die rund 9.000-Seelen-Marktgemeinde Wattens in zweierlei Hinsicht sehr, erzählt der Wattener Bürgermeister Thomas Oberbeirsteiner im KURIER-Gespräch betroffen. "Sozialpolitisch und wirtschaftlich.“

Wattens kann nicht mehr positiv wirtschaften, so der Bürgermeister. Die Marktgemeinde rechnet durch die Umstrukturierung bei Swarovski mit einem Einnahmeminus von 1,5 Millionen Euro pro Jahr an Kommunalsteuern. Hier muss nun massiv gespart werden. Unter anderem wurde die Weihnachtszuwendung der Gemeindebediensteten um ein Drittel gekürzt.

Folgeopfer in der ganzen Region möglich

Obwohl nur etwa ein Drittel der gekündigten Mitarbeiter direkt aus Wattens sei, sind die Folgen für die Gemeinde schwer: Weitere potenzielle Opfer sind auch Swarovski unabhängige Dienstleister. Etwa Friseure und kleine Geschäfte, die aufgrund der geringeren Frequenz und Kaufkraft im Ort bedroht sind. Die negativen Effekte sind vielschichtig.

Mehr als 2.300 Mitarbeiter betroffen

Auch beim MAN-Werk in Steyr sind 2.300 Arbeitsplätz bedroht. Sollte eine Rettung nicht gelingen, sind viele Menschen betroffen. "Hinter diesen 2.300 Personen stehen oft Familien, die sie erhalten müssen. Das potenziert die Betroffenen“, betont Soziologe Johann Bacher, Leiter der Empirischen Sozialforschung an der Johannes Kepler Uni Linz (JKU).

Zusätzlich gefährdet eine Werkschließung, wie sie dem MAN-Werk in Steyr droht oder eine Produktionsreduktion auch etliche direkte Zulieferer und auch hier Dienstleister im Umfeld. "Die haben dann teils massiven Umsatzentgang und weniger Möglichkeit Personal zu beschäftigen“, erklärt AMS-OÖ-Chef Gerhard Straßer.

Sinkende Kaufkraft mit Folgen

Dieser Teufelskreis verstärkt die ökonomischen Folgen von Großkündigungen für Regionen. Sie führen zu sinkender Kaufkraft und das wiederum zu schwächerer Wirtschaft. "Das hat Auswirkungen auf eine ganze Region“, weiß Straßer.

Zusätzlich sinkt die Kaufkraft in der Region durch das geringe Arbeitslosengeld, das in Österreich 55 Prozent des einstigen Nettogehalts ausmacht. Österreich hat damit international einer der niedrigsten Nettoersatzraten und liegt unter dem OECD-Schnitt von 63 Prozent.

Auch Ersatzarbeit kann das Konsumdefizit oft nicht ausgleichen: "Frühere Industrieangestellte verdienen an einem Ersatzarbeitsplatz, der nicht im hochtechnologisierten oder industriellen Bereich ist, häufig weniger“, erklärt Straßer. Diese Gefahr sei groß, wenn sich in einer Region die Industrie zurückzieht.

Schwindendes Sozialkapital

Auch die soziale Gemeinde ist gefährdet, weiß der Soziologe Johann Bacher. Negative Effekte hat Massenarbeitslosigkeit immer. Besonders schlimm aber wird es, wenn die Massenarbeitslosigkeit in eine breite Langzeitarbeitslosigkeit führt.

"Langzeitarbeitslosigkeit beeinträchtigt das soziale Kapital“, so Bacher. Das heißt, das Vertrauen in die Gemeinde, in die Politik und die Hoffnung auf eine Verbesserung in der Zukunft schrumpft. Langzeitarbeitslosigkeit schwächt das soziale Gefüge einer Gemeinde. Vor allem, wenn viele einer Gemeinde davon betroffen sind.

Laut AMS-OÖ-Chef Straßer sind vor allem Arbeitnehmer ab 45 Jahren, Personen mit gesundheitlichen Problemen und unqualifizierte Arbeitskräfte von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen, denn sie haben schlechtere Chancen auf Ersatzarbeitsplätze.

Es gäbe durchwegs gute Ansätze, wie die entstehenden Arbeitsmarktprobleme dieser Regionen behoben werden könnten. Etwa durch Arbeitsstiftungen, Lohnkostenzuschüsse, einem Aufleben der Aktion 20.000, wissen der AMS-OÖ-Chef und der Soziologe Johann Bacher.

"Aber man kann die Problemstellung in seiner Gesamtheit nicht kleinreden. Es ist für die Region, für den Standort und den Arbeitsmarkt eine riesen Herausforderung“, sagt Oberösterreichs AMS-Chef Gerhard Straßer.

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