Großer Bruder für die Zukunft gesucht

Oliver Wenninger hat die Initiative „Big Brothers Big Sisters“ nach Österreich geholt.
Eine Initiative stellt Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen Mentoren zur Seite- für mehr Perspektiven.

Die allein gelassene Jugend am Rand der Gesellschaft – ein sich immer deutlicher manifestierendes Problem in Europa und auch Österreich. Geklagt wird viel, getan nicht genug. Oliver Wenninger ist einer, der etwas tut. Vor drei Jahren hat der Psychologe einen Österreich-Ableger des US-amerikanischen Mentoring-Programmes Big Brothers Big Sisters (BBBSOE) aufgebaut. 104 junge Menschen zwischen sechs und 17 Jahren betreute die unabhängige, gemeinnützige Jugendförderungsinstitution bisher. In 1:1 Mentoring finden Jungen hier einen großen Bruder, Mädchen eine große Schwester und bekommen so Starthilfe fürs Leben, die ihnen ihre Familie oder die Schule nicht bieten kann. 500 weitere Kinder könnte der Verein sofort vermitteln. Der Bedarf nach ehrenamtlichen Mentoren, die Zeit und Aufmerksamkeit schenken, wäre groß.

Kaum Mentoring

Doch es gibt in Österreich kaum Mentoring-Programme für Jugendliche und Oliver Wenningers Mittel sind begrenzt: „Wir können derzeit nicht mehr betreuen, weil wir weder genug Geld noch genug Mitarbeiter haben“, erzählt er beim KURIER-Gespräch. Die Räumlichkeiten von BBBSOE in der Praterstraße sind nach einem Wasserrohrbruch und den Renovierungsarbeiten noch recht kahl, aber man spürt: Wenninger steht hinter dem, was er tut. Oder davor, denn hinter seinem Sessel hängen Bilder seiner Schützlinge mit ihren großen „Geschwistern“. Die meisten lächeln in die Kamera, dabei haben viele der Jugendlichen wenig Grund dazu. „Wir haben tragische Fälle, das ist kein Spaßprogramm“, stellt Wenninger klar und erzählt von einem Mentee, der den Selbstmord seiner Mutter verkraften muss. Aber die Jugendlichen haben nicht nur Probleme, sondern auch Potenziale. Ein Mentee, den Wenninger selbst betreut – „ein eigentlich blitzgescheiter Kerl“ – flog einst aus der Sonderschule, geriet auf die schiefe Bahn. Dank der BBBSOE Beziehungsarbeit hat er heute eine abgeschlossene Einzelhandelsslehre. „Er hatte keinen Vater, die Mutter war krank. Er war aber eigentlich ein g’rader Michel, kein Hilfsarbeiter, er brauchte nur jemanden, der an ihn glaubt“, erinnert sich Wenninger. Denn das Prinzip, das Mentoring so erfolgreich macht, ist einfach: „Manchmal reicht Jugendlichen einfach die Aufmerksamkeit einer zusätzliche Person, um einen Schritt im Leben zu gehen.“

Der erste Schritt

Der erste Schritt Ein Schritt in Richtung Selbstverantwortung, der viel verändern kann: Für das Leben des Einzelnen und die Jugendarbeitslosenstatistiken der Politiker. Dass die Schritte gegangen werden, lässt sich messen. Wer im BBBS Programm war, steigert laut einer unabhängigen Studie seine Lernmotivation um 77 Prozent, verbessert Schulleistungen und Jobperspektiven. Auch die soziale Kompetenz wird gefördert, das Selbstvertrauen steigt. „Gerade bei weiblichen Tandems merke ich, dass die Mädchen wahnsinnig viel Einblick in die Berufswelt bekommen“, erzählt Wenninger.
Was aber dringend gesucht wird, sind männliche Mentoren. „Jugendliche wünschen sich Rollenvorbilder im eigenen Geschlecht. Daher sind unsere derzeit 77 Tandems auch immer gleichgeschlechtlich“, erklärt Wenninger. Das Problem: Es gibt viele Burschen, die Bedarf an einem großen Bruder hätten, aber nur wenige Männer, die bereit sind, einer zu sein. Warum?„Darauf kann ich keine einfache Antwort geben. Wenn sie es aber machen, sind sie begeistert“, so der Psychologe.
Aber wie gesagt: Mentoring bei BBBSOE ist kein Spaßprogramm. Auch nicht für die Mentoren. Acht Stunden pro Monat verbringen sie mit ihren Schützlingen. Für mindestens ein Jahr muss man als Ansprechperson bereit sein. Und: Wer Mentor werden will, wird genau unter die Lupe genommen, denn die Auswahl der Tandem-Paare ist für den Erfolg des Programmes enorm wichtig. „Kommt es unter der Zeitdauer von einem Jahr zu einem Beziehungsabbruch, ist Mentoring kontraproduktiv“ erklärt Wenninger. Denn dann haben die jungen Menschen nur ein weiteres Mal erlebt, dass sie jemand im Stich lässt.

Das Mentoring-Programm von Big Brothers Big Sisters Österreich hilft Kindern und Jugendlichen von sechs bis 17 Jahren in herausfordernden Lebenssituationen. In dem 1:1 Mentoring bekommen Jungen einen Mentor, Mädchen eine Mentorin. Für die Dauer von mindestens einem Jahr schenkt ihnen dieser Zeit – acht Stunden im Monat – und Aufmerksamkeit. Bei den Tandem-Treffen wird je nach Laune gebastelt, gekocht oder geredet.


Mentoren sind Rollenvorbilder, geben Einblick in ihre Berufswelt und den jungen Menschen Starthilfe und erhöhte Zukunftschancen. Der Erfolg des Programms wurde in Studien belegt. Vor drei Jahren gegründet, betreut BBBS Österreich derzeit 77 Tandems. 500 Kinder könnte der Verein sofort vermitteln. Doch es mangelt an Geld: BBBS Österreich finanziert sich durch Spenden und Förderungen der Stadt Wien.
INFO: www.BigBrothers-BigSisters.at

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