Einkommen im Alter: Warum man schon in jungen Jahren an die Pension denken sollte

Einkommen im Alter: Warum man schon in jungen Jahren an die Pension denken sollte
Männer, die 2020 in Pension gingen, erhielten 2.588,77 Euro Alterseinkommen pro Monat, Frauen nur 1.457,53. Diese Lücke könnte durch Verbesserungen im Pensionssystem korrigiert werden. Aber ansetzen muss die Politik viel früher.

Mit ihrer Ausbildung wog sich Christiane L. in Sicherheit. Studiert hat die 52-jährige Wienerin Lehramt, den Beruf ausgeübt hat sie aber nie. Stattdessen folgten Hochzeit und drei Kinder. L. hat sich um die Kindererziehung gekümmert, blieb zu Hause. Ihr Mann war jahrelang für das Haushaltseinkommen verantwortlich. Nichts, was sie damals bereute.

Das böse Erwachen kam erst nach der Scheidung, als L. die Erstgutschrift ihrer Pensionshöhe von der Pensionsversicherungsanstalt zugeschickt bekam. „Die Zahl ist ein Witz, damit kann ich niemals mein Leben finanzieren“, sagt sie. Für ihre Dienstleistungen in der Familie sei sie einfach nicht entsprechend honoriert worden. Heute ist sie der Meinung, dass sie sich früher über ihre Pension Gedanken machen hätte sollen. „Aber damals war das einfach noch viel zu weit weg.“

Gender Pension Gap hat sich 2020 vergrößert

So wie Christiane  L. geht es vielen Frauen, wie aktuelle Zahlen der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) beweisen. Demnach bekamen Frauen, die 2020 ihren Ruhestand angetreten haben, nur 56 Prozent der Pension der Männer. 

Damit ist die geschlechterspezifische Lücke im vergangenen Jahr, nach einem kontinuierlichen Rückgang in den Jahren davor,   angewachsen. 2019 hatte die durchschnittliche Pensionshöhe  noch 60 Prozent im Vergleich zu den Männern betragen. Für den Anstieg macht die PVA vor allem die 2020 wieder eingeführte „Hackler-Regelung“ verantwortlich, mit der man mit 62 nach 45 Beitragsjahren ohne Abschläge in Pension gehen kann. Praktisch haben von dieser  nur Männer profitiert, vor allem, weil das Regelpensionsalter für Frauen noch bei 60 liegt. „Der Anstieg 2020 war überraschend“, sagt Christine Mayrhuber, Pensionsexpertin beim Wifo (Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung). „Fakt ist  auch, dass die Kluft zwischen Frauen- und Männerpensionen  schon davor existierte und eklatant hoch war. Die Gründe liegen also noch woanders.“ 

Einkommen im Alter: Warum man schon in jungen Jahren an die Pension denken sollte

Christine Mayrhiber, Pensionsexpertin beim Wifo

Und zwar hier: Als Hauptursache sieht Mayrhuber die  geringeren Erwerbseinkommen der Frauen. Zweitwichtigster Faktor seien die geringeren Beitragsjahre. „Vor allem seit der Pensionsreform 2005, mit der der Durchrechnungszeitraum auf das gesamte Arbeitsleben angehoben wurde – davor waren es die besten 15 Jahre – wirken sich lange Teilzeitphasen und  geringeres Einkommen  stark auf die Pensionshöhe aus“, sagt sie.

Die Illusion um die Pension

„Und Frauen ist das Problem in seinem vollen Ausmaß meist gar nicht bewusst“, fügt Ingrid Mairhuber von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) hinzu. Gemeinsam mit Mayrhuber hat sie im EU-Projekt „Transparente Pensionszukunft. Sicherung der ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen im Alter“ die Ursache und das Wissen von Frauen darüber untersucht.

Zwar wüssten diese, dass lange Berufsunterbrechungen sich grundsätzlich negativ auf die Pension auswirken, wie das österreichische Pensions- und Sozialsystem funktioniert, welche Versicherungsmöglichkeiten es gibt und wie man diese beantragt, darüber sei wenig bekannt. „Genau hier müsste man aber so früh wie möglich ansetzen, Bewusstsein schaffen und damit das Vertrauen in unser System steigern. Dann würden viele junge Frauen heute vielleicht auch nicht denken, dass sie im Alter sowieso keine Pension mehr bekommen würden“, meint Mairhuber.

Einkommen im Alter: Warum man schon in jungen Jahren an die Pension denken sollte

Ingrid Mairhuber, FORBA

Politik muss früh ansetzen

Doch nicht nur Aufklärung könnte dem sogenannten Gender Pension Gap entgegenwirken. Auch Korrekturen am Arbeitsmarkt, im Kinderbetreuungsangebot und im Pensionssystem würden helfen. „Damit könnte die Politik das Problem schnell angehen und verkleinern, denn die tieferliegende Ursache, nämlich eine gerechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen, ist ein gesellschaftliches Problem, dass sich nur über Jahre und Jahrzehnte lösen lässt“, sagt Mairhuber. 

Die beiden Wissenschaftlerinnen jedenfalls machen den  PolitikerInnen  konkrete Vorschläge, um den Unterschied zu verringern. Eine vom Partnereinkommen unabhängige Mindestpension etwa oder Aufwertungsfaktoren für geringere Einkommen. „Davon würden alle Frauen profitieren, nicht nur jene mit Kindern.“

Auf der politischen Agenda ist das derzeit allerdings nicht, genauso wenig wie eine bessere Anrechnung von Kinderbetreuungzeiten. „Diese fiktive Bemessungsgrundlage während der Kindererziehung von bis zu vier Jahren pro Kind von derzeit 1.986,04 Euro könnte erhöht werden, ebenso wie der Anrechnungszeitraum. Ein fünfjähriges Kind ist immerhin genauso betreuungsbedürftig wie ein vierjähriges“, sagt Christine Mayrhuber.  

Pensionssplitting nur kleiner Teil der Lösung

Auf Regierungsseite möchte man künftig die jährliche Information zum Pensionskontostand ausweiten und das Pensionssplitting vorantreiben. Bei Letzterem können Eltern seit 2005 vereinbaren, dass jener Elternteil, der überwiegend erwerbstätig ist, für die ersten sieben Jahre nach der Geburt bis zu 50 Prozent seiner Teilgutschrift auf das Pensionskonto des Elternteils überträgt, der sich der Kindererziehung widmet.

Mairhuber sieht das aber kritisch: „Es geht hier um ein paar Jahre im Berufsleben von Frauen. An den langfristigen Folgen von Berufsausstieg und vielen Teilzeitjahren ändert das kaum etwas. Zusätzlich richtet sich das Pensionssplitting nur an eine bestimmte Gruppe von Frauen, Mütter nämlich. Was den Abbau des Gender Pension Gaps betrifft, wird das also wohl keine weitreichenden Folgen haben.“

Ähnlich kritisch sieht das Thema Pensionssplitting auch Monika Weissensteiner aus der Abteilung Sozialversicherung der Arbeiterkammer Wien. „Zum einen, weil das Splitting nicht an der wirklichen Ursache des Gender Pension Gaps, nämlich der ungleichen Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, ansetzt“, sagt sie. Viel mehr bestärke es den Ansatz, dass Männer erwerbstätig und Frauen für die Kindererziehung zuständig sind.

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Monika Weissensteiner, Arbeiterkammer Wien

„Und je besser der eine Elternteil verdient, desto mehr Geld kommt von einem Konto auf das andere. Haben beide aber nur ein mittleres Einkommen oder sind Geringverdiener, wird ein verpflichtendes Pensionssplitting, wie es von Seiten der Politik immer wieder gefordert wird, dazu führen, dass beide womöglich eine Pension haben, von der sie nicht gut leben können.“

"Angleichung des Pensionsantrittsalters ist problematisch"

Als unwirksame Maßnahme sieht Weissensteiner   die bis 2033 vollzogene Angleichung des Pensionsantrittsalters von Frauen an jenes der Männer. „Das ist insofern problematisch, als dass bereits heute  fast jede zweite Frau  nicht bis zum Pensionsantritt mit 60 erwerbstätig sein kann. Auch, weil viele  von den Unternehmen  gar nicht bis zum Pensionsantritt beschäftigt werden.“ 

Diese Lücke zwischen Ende der Erwerbstätigkeit und Antritt der Pension wirke sich dann natürlich wiederum negativ auf die Pensionshöhe aus und werde  mit Anhebung des Pensionsantrittsalters noch größer werden. Um das zu verhindern, sieht die Expertin auch die ArbeitgeberInnen in der Verantwortung, die für altersgerechte Arbeitsplätze sorgen müssten. „Das wird in Zukunft ein wesentlicher Faktor sein.“

Der Rat an junge Frauen

Jungen Frauen rät Weissensteiner, sich schon früh mit dem Thema Pension auseinanderzusetzen. „Es beginnt bei der Ausbildung und  der Berufswahl. Berufe mit größeren Einkommenschancen haben nun mal auch eine Chance auf eine höhere Pension.“ Frauen müsse zudem klar sein, dass sich die Pension bereits ab dem ersten Tag der Arbeitstätigkeit entscheidet und nicht erst in den letzten 20 oder fünfzehn Jahren. 

„Auch wenn man Kinder hat und verständlicherweise die Zeit mit diesen gerne sinnvoll nutzen möchte, zu lange Unterbrechungen und Teilzeitphasen im Erwerbsleben sind keinesfalls ratsam. Auf dem  Pensionskonto zählt jeder Tag und jeder Euro. Wenn man hier Lücken hat, kann man diese in der Zukunft nicht mehr aufholen.“

Geht der Gap weiter auf?

Apropos Zukunft: Sind die Hoffnungen, dass der Gap mit dem Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit zurückgeht, gerechtfertigt? Ja und Nein, sagen Christine Mayrhuber und Ingrid Mairhuber. „Die  Kluft im Jahr 2020 liegt nicht daran, dass die Frauenpensionen gesunken sind, sondern daran, dass jene der Männer überdurchschnittlich angewachsen sind. Ich nehme an, dass sich dies  mit Wiedereinführung der Abschläge (die Politik schafft die Hackler-Regelung mit 2022 wieder ab) etwas ändern wird“, so Mayrhuber. 

Mairhuber steht dem Ganzen weniger optimistisch gegenüber. „Dadurch, dass die Pensionshöhe seit der Reform sehr stark an den individuellen Erwerbsverlauf gekoppelt ist und Frauen heute  lange Teilzeit arbeiten, tendiert es aus meiner Sicht  in die Richtung, dass der Gap  aufgeht.“ Dass Frauen künftig Teilzeitphasen verkürzen, diesbezüglich lässt sich Mairhuber  auf keine Prognosen ein. „Was wir aber in der Krise gesehen haben, ist, dass wenn es problematisch wird,  Frauen die Ausfallshaft haben und für Kindererziehung und Pflege hauptverantwortlich sind. Erst wenn sich das ändert, wird auch der Gender Pension Gap Geschichte sein.“

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