Gemütskiller Videokonferenz: Warum sie uns psychisch auslaugen
Eine neue Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität ging unseren neuen Arbeitsweisen, die sich mit dem Homeoffice eingeschlichen haben, auf den Grund. Denn nicht alle wirken sich positiv auf unsere mentale Gesundheit aus. Vor allem Videokonferenzen erweisen sich als Gemütskiller, wie David Willinger, Leiter der Studie, im Interview erklärt.
KURIER: In Ihrer neuen Studie befassen Sie sich damit, wie neue Kommunikationswege, etwa durch Videokonferenzen und Chats, unser Gemüt beeinflussen. Welche waren die wichtigsten Erkenntnisse?
David Willinger: Dass die persönlichen Gespräche immer noch das Wichtigste sind, gefolgt von der digitalen Kommunikation. Wir haben die Studie während der Lockdowns in Pandemie-Zeiten durchgeführt und erkannt, dass es gerade in der digitalen Kommunikation Unterschiede gibt, wie sich diese aufs Wohlbefinden auswirkt.
Was hat der persönliche Kontakt dem Digitalen voraus?
Trifft man jemanden persönlich, hat man die Mimik, Gestik und Körperhaltung, auf die man reagieren kann. Das sind soziale Signale, die einem bei einer Videokonferenz etwas verloren, gehen, weil man sich nicht im selben Raum befindet.
Ist das der einzige Nachteil von Videokonferenzen?
Es gibt Dinge, die speziell für Videokonferenz sind. Zum Beispiel, dass man sich selbst sieht. Man hat den Fokus auf das eigene Aussehen. In der Regel ist der Blickkontakt länger mit dem Gesprächsparten und die Gesichter sind unproportional. Auch die Asynchronität zwischen Audio und Video kann kognitiv schwieriger zu verarbeiten sein, sowie Störungen, die einfach der Übertragung geschuldet sind und das Ganze für das Gehirn unnatürlich machen. Das Gehirn hat sich nicht entwickelt für Videokonferenzen, sondern für die persönliche Kommunikation.
Und wenn wir miteinander schreiben, was passiert da mit uns?
Die digitale Textkommunikation hat den Vorteil, dass man trotzdem in Kontakt bleibt und diese sehr niederschwellig passieren kann. Es gibt die Möglichkeit, soziale Signale zu schicken, etwa Emojis, Memes, Fotos. Die Nachteile der Videokonferenz, die ich vorhin genannt habe, die gibt es bei digitaler Textkommunikation nicht.
Aber lösen geschriebene Texte deshalb auch mehr Glücksgefühle aus?
Wir wissen nicht unbedingt, ob die digitale Kommunikation im Geschriebenen tatsächlich mehr Glücksgefühle auslöst. Was bei unserer Studie aber durchaus zu beachten ist, ist, dass die Menschen im Zuge von Lockdowns im Arbeitskontext vermehrt auf Videokonferenzen zurückgegriffen haben. Das könnte ein Grund sein, warum die Menschen das als anstrengend empfunden haben. Die digitale Textkommunikation hingegen konnte auch unter Umständen mit Freunden passieren. Das führt dann zu mehr Wohlbefinden und Glücksgefühlen.
Gibt es Tipps wie sich Videotelefonie angenehmer gestalten lässt?
Indem man darauf eingeht, was die Videokonferenz eigentlich so mühsam macht. Tipps um sie besser zu gestalten sind: Eine Kamerapause einzulegen oder sie nicht immer einzuschalten, mit Telefongesprächen abwechseln und prüfen, dass die Verbindungen gut sind.
Hat die Video-Telefonie auch Vorteile?
Heutzutage ist es normal, dass über große Distanzen zusammengearbeitet wird, persönliche Treffen rücken in den Hintergrund. Auf Videokonferenzen zurückzugreifen ist gut. Wir wollen nicht sagen, dass Videokonferenzen ein Teufelszeug sind und dass sie niemand mehr nutzen sollte. Allerdings zeigt unsere Studie, dass man das persönliche Gespräch doch nicht ganz vernachlässigen darf, weil es eine starke Wirkung auf uns hat.
Sie beziehen sich auch auf den Begriff „Zoom Fatigue“ oder auch „Erschöpfung durch Videokonferenzen“. Was versteht man darunter und wie kann man dagegen vorbeugen?
„Zoom Fatigue“ bezieht sich auf die Nachteile von Videokonferenzen. Das Gehirn versucht aus Videotelefonaten reale Gesprächssituationen zu erzeugen. Dem Gehirn gelingt es nur nicht, aus den sozialen Signalen alles abzulesen, was es in einem persönlichen Gespräch lesen könnte. Das ermüdet und macht es so anstrengend. Ein zweiter Punkt ist: Ist man in einer Videokonferenz am Wort, wird das Bild groß und jeder hört einem zu. Da entsteht bei manchen ein unwohles Gefühl, das eine Art Stressreaktion vom Körper auslöst. Für manche Menschen ist diese Situation möglicherweise sogar stressiger, als in einem tatsächlichen Besprechungsraum zu sitzen.
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