Gehaltskürzungen sind hinzunehmen

Gehaltskürzungen sind hinzunehmen
Wenn die Firma den KV einfach kündigt, ist das legal. Und: Arbeitnehmer müssen Gehaltskürzungen sogar hinnehmen.

Am Mittwoch um 17 Uhr meldeten die Agenturen: Die Fluglinie Austrian Airlines kündigt überraschend den Bord-Kollektivvertrag (KV) auf. Damit droht 2300 der 6000 Mitarbeitern der Airline ein Zwangsumstieg auf den um 20 bis 25 Prozent billigeren Tyrolean-KV, sollte mit der Gewerkschaft nicht doch noch eine Einigung auf eine, wie es heißt, „Modernisierung“ des jetzigen KV für das fliegende Personal möglich sein. Hannes Schneller, Jurist in der Abteilung Sozialpolitik in der Arbeiterkammer erklärt die Hintergründe:

KURIER: Darf der Arbeitgeber den Kollektivvertrag einfach aufkündigen?
Hannes Schneller:
Ja, das ist möglich. Aber die Arbeitnehmer sind gut abgesichert. Es gibt die sogenannte Nachwirkung nach dem Arbeitsverfassungsgesetz: So lange kein anderer KV vorhanden ist, ist der alte weiterhin gültig.

Wieso fährt ein Unternehmen so eine Strategie?
Weil dadurch die personellen Neuaufnahmen nicht mehr den alten Kollektivvertrag bekommen. Neuaufnahmen wären jetzt sogar in einem kollektivvertragsfreien Bereich. Ihnen könnte man theoretisch jedes noch so niedrige Gehalt anbieten. Also: Die AUA könnte jetzt Piloten von anderen Airlines abwerben und sehr niedrig bezahlen. Im ABGB steht: Wenn kein KV wirkt, ist ein ortsübliches und angemessenes Entgelt zu zahlen. Die Untergrenze ist dabei lediglich die Wuchergrenze, die die Gerichte festlegen. Eine Verkürzung auf die Hälfte des Orts- und Branchenüblichen wäre jedenfalls rechtswidrig als laesio enormis.

Müssen sich Unternehmen an Fristen halten?
Die Frist ist im Gesetz mit drei Monaten festgelegt. Dann tritt die schon erwähnte Nachwirkung in Kraft. Das heißt: Nach Ablauf der Dreimonatsfrist gilt der alte Kollektivvertrag weiter, bis ein Neuer da ist oder neue Einzelarbeitsverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber geschlossen wurden.

Muss der Betrieb die Aufkündigung begründen?
Nein, ist nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Es besteht aber eine Meldepflicht an das Sozialministerium.

Was bedeutet die Sache für die Arbeitnehmer?
Es ist davon auszugehen, dass so schnell kein neuer KV in Kraft tritt. Der Arbeitgeber könnte nun mit jedem einzelnen Arbeitnehmer Vertragsverhandlungen aufnehmen. Das hätte Änderungskündigungen zur Folge, die dann wiederum von jedem einzelnen Arbeitnehmer angefochten werden könnten. Allerdings spielt auch der Umstand eine Rolle, dass die AUA den Eigentümer gewechselt hat. Sollte das als „Betriebsübergang“ beurteilt werden, sind Arbeitsvertragsänderungen kaum möglich.

Und was machen die Mitarbeiter, wenn die Neuregelung sie schlechterstellt?
Jeder Arbeitnehmer kann eine Kündigung anfechten, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Im Allgemeinen muss der Arbeitnehmer aber bis zu zehn Prozent Gehaltsreduktion hinnehmen. Zehn bis 20 Prozent müssen Besserverdiener hinnehmen, die Top-Verdiener sogar über 30 Prozent. Die Judikatur besagt, dass hier verschiedene Kriterien abzuwägen sind: die soziale Interessen des Arbeitnehmers versus der betriebswirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers.

Was glauben Sie, wird bei der AUA jetzt passieren?
Das ist eine gesetzlich erlaubte, für Österreich aber äußerst ungewöhnliche, eher aus Deutschland bekannte Vorgangsweise. Die Belegschaft hat nun mehrere Möglichkeiten sich zu positionieren: Richtung Gegenmaßnahmen oder in Richtung sozial verträgliche Gehaltsreduktionen für den Einzelnen.

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