Pandemie, Arbeitskräftemangel, Rekordinflation und Kollektivvertrags-Erhöhungen im bis zu zweistelligen Bereich. Österreichische Gehälter wurden in den vergangenen Jahren ordentlich durchgerüttelt. Wo stehen wir jetzt?
Die Pandemie als Motor
„Österreichiche Gehälter sind stark im Steigen“, analysiert Gehaltsexperte Conrad Pramböck. Einen wesentlichen Antrieb brachte die Pandemie, so der Experte. Arbeitnehmer hätten sich auf dem Arbeitsmarkt umgesehen und erkannt, dass Arbeitskräfte rar sind, Firmen aber teilweise in Geld schwimmen.
„Gerade Techniker, IT-Fachkräfte, Finanzexperten und Vertriebler hatten die Möglichkeit, ihr Einkommen dramatisch zu steigern“, sagt Pramböck. „Sie sind hineingegangen mit Forderungen von 30 bis 50 Prozent plus und haben Firmen gefunden, die das auch zahlen.“ Der Trend würde bis heute anhalten, wenn auch nicht mehr ganz so stark wie 2021. „Aktuell sprechen wir von Gehaltssteigerungen von acht bis zehn Prozent. Das war vor Corona völlig undenkbar“, berichtet Pramböck.
Der neue Durchschnitt
Wie viel der Durchschnitts-Österreicher aktuell verdient, verrät der Allgemeine Einkommensbericht der Statistik Austria (vom Dezember 2022). 45.595 Euro brutto war hier das mittlere Jahreseinkommen der Vollzeitbeschäftigten. Das sind 3.257 Euro brutto monatlich – mal 14. 2019 waren es 43.719 Euro.
31.407 Euro war das mittlere Bruttojahreseinkommen 2021 (Teilzeit etc. inklusive)
International liegen österreichische Gehälter im guten Mittelfeld. Federführend ist in Europa die Schweiz
Der Stundenlohn lässt sich errechnen, indem das Jahresgehalt durch 2.000 dividiert wird
56,7 Prozent stieg das Bruttojahreseinkommen zwischen 1998 und 2021. Die Preissteigerung lag parallel bei 53,4 Prozent
Die Ausbildung bleibt ein Schlüsselfaktor, um sich finanziell gut zu entwickeln
Der gestiegene Marktwert
Einen weiteren Anstieg bringen jetzt die inflationsbedingten Anpassungen der Kollektivverträge. Um 6,6 Prozent stiegen Löhne im Vergleichszeitraum März 2022 bis März 2023 (Tariflohnindex Statistik Austria).
Doch auch der Spielraum für Überzahlung – vor allem in den unteren Riegen – sei größer geworden, berichtet Alfred Berger, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Kienbaum, die seit 55 Jahren Gehaltsstudien erstellt. Eine aktuelle Auswertung für 2023 zeigt, dass Mitarbeiter bei Erhöhungen tatsächlich großzügiger behandelt wurden (6,8 Prozent Steigerung) als Führungskräfte (6,2 Prozent). „Man muss sich nach unten orientieren, um Mitarbeiter zu halten“, so der Experte.
Um das Potenzial des veränderten Markts voll auszuschöpfen, müsse man sich seines Werts bewusst sein, sagt Gehaltsexperte Conrad Pramböck. „Clever am Markt auftreten und gut verhandeln“, lautet sein Tipp. So ließen sich Gehälter um bis zu 50 Prozent steigern. „Das ist nicht außergewöhnlich, sondern normal geworden“, sagt Pramböck. Als 30-jähriger Akademiker mit einer Forderung von 80.000 Euro Bruttojahresgehalt in die Verhandlung zu gehen, sei in manchen Bereichen durchaus realistisch. Nicht-Akademiker hingegen würden bei rund 50.000 Euro auf eine gläserne Decke stoßen.
Das Ass am Jobmarkt
Führungskräfte und Akademiker zählen weiterhin zu den Top-Verdienern des Landes (siehe Grafik). In den einzelnen Branchen erweisen sich die Bereiche Finanz und Vertrieb als besonders lukrativ, doch gerade hier sei Vorsicht geboten, sagt Alfred Berger. Denn viele Teilbereiche dieser Berufsfelder könnten in Zukunft digital abgewickelt werden, sagt Berger: „Die Frage ist, wie sieht der Job in fünf Jahren aus?“
Ein Job, den viele nicht am Radar haben, der aber sehr gut bezahlt ist, sei die Lohnverrechnung, sagen sowohl Pramböck als auch Berger. Auf Buchhalter würde Selbiges zutreffen. Mager schneidet die Gastronomie ab – das mittlere Bruttojahreseinkommen von Kellnern liegt bei gerade einmal 8.877 Euro. Viele würden nicht Vollzeit oder ganzjährig arbeiten, erklärt die Statistik Austria den niedrigen Wert.
„Nur, weil eine ganze Branche schlecht zahlt, heißt das nicht, dass ich als Einzelperson schlecht verdienen muss.“
von Conrad Pramböck
Verteufeln dürfe man eine Branche aufgrund ihres durchschnittlichen Einkommens aber nicht, sagt Pramböck: „Ich kenne Top-Verdiener in jeder Branche. Nur weil eine ganze Branche schlecht zahlt, heißt das nicht, dass ich auch als Einzelperson schlecht verdienen muss.“
Den Job nach erwartbarem Gehalt auszuwählen, würde deshalb keinen Sinn machen. „Gehalt ist ein Hygienefaktor“, sagt Alfred Berger. „Die oberste Motivation sollte sein, ob der Job zu einem passt.“ Die durchschnittlich bessere Bezahlung sei jedoch bei Großkonzernen statt bei Klein- und Mittelbetrieben zu erwarten, so Pramböck. Sie hätten bessere Möglichkeiten, dem Druck der Mitarbeiter nachzugeben, der gerade von zwei Gruppen besonders ausgehe: Den Schlechtbezahlten und den jungen Akademikern.
Das Einstiegsgehalt
Keinesfalls orientieren sollte man sich an Einstiegsgehältern, rät Pramböck. Ausschlaggebender sei die Gehaltskurve. Bei flachen Gehaltskurven (hier nennt Pramböck den Arbeiterbereich oder auch Lehrer) könne man davon ausgehen, dass sich das Gehalt im Laufe der Karriere um nur 50 Prozent steigert. Für eine steile Gehaltskurve setzt Pramböck eine andere Benchmark voraus: „Wenn es gelingt, das Gehalt im Laufe der Karriere zu verdoppeln, sind Sie gut dabei.“
Am Anfang ihrer Karriere: Junge Berufstätige berichten
Akademikerin, 2.000 Euro
Im Februar hat die 23-jährige Natalie Müllner ihren Bachelor in BWL und Sozioökonomie abgeschlossen – jetzt hat sie als Junior Associate bei einer renommierten Unternehmensberatung ihren ersten Vollzeit-Job ergattert. Mit ihrem Einkommen von 2.000 Euro brutto kann sie gut haushalten, auch wenn sie allein wohnt. „Ich bin eine typische Wirtschaftsstudentin. Ich weiß genau, wie viel ich im Monat ausgebe und wie viel ich spare“, sagt Müllner. Genaue Ziele für ihr künftiges Einkommen hat sie nicht – „Der Job muss passen.“
Anita Avdyli wollte schnellstmöglich ins Berufsleben einsteigen
Angestellte, 2.390 Euro
Ursprünglich wollte sie Bankkauffrau werden – da dort vieles digitalisiert wird, machte Anita Avdyli eine Ausbildung zur Verwaltungsassistentin in der Bildungsdirektion Wien. Seit 2019 ist sie dort Vollzeit angestellt. „Ich bin stolz, dass ich es selbst dorthin geschafft habe“, sagt die 23-Jährige. Denn früh zu arbeiten war immer ihr größtes Anliegen. Aktuell wohnt sie daheim, unterstützt die Familie auf freiwilliger Basis finanziell. Zum Auszug ist sie aufgrund der gestiegenen Preise noch nicht bereit – mit 25 will sie es wagen.
Manuel Barbulovic ist seit 2021 fertiger Malermeister
Malermeister, 3.200 Euro
Manuel Barbulovic besuchte drei Jahre die Handelsschule, bevor er entschied, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Seit 2017 ist er beim Malerbetrieb Barbulovic angestellt – 2021 absolvierte er die Meisterprüfung und hat seitdem ein Gehalt von 3.200 Euro brutto. Mit der Gehaltserhöhung stiegen jedoch auch die Lebenserhaltungskosten, berichtet der 25-Jährige: „Je höher das Gehalt, desto höher die Kosten.“ Mehr dürfte es daher immer sein, trotzdem weiß er, wie viel Spielraum er hat, sich auch etwas zu gönnen.
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