Frischer Anstrich für die Stadt
Lars Bock sitzt am Donaukanal und raucht eine Zigarette. Hinter ihm zieren mal bessere, mal schlechtere, große, kleine, aufwendige und auch schlichte Graffitis kilometerlang die eigentlich denkmalgeschützten Sandsteinwände. Direkt unter der Salztorbrücke stechen vier hervor. Sie sind anders als der Rest – neu und makellos. Bock nennt sie "die Ruhe im Chaos". Es sind große Schmetterlinge, die der befreundete Künstler Mantra erst am Mittwoch diese Woche an den vier Pfeilern der Brücke fertiggestellt hat.
So schön, wie sie jetzt sind, bleiben sie wohl nicht lang – sie werden übermalt, andere Künstler setzen ihren "Tag"– die Signatur – drauf. "Das Werk ist nicht urheberrechtlich geschützt, sobald du etwas auf eine öffentliche Wand sprühst, gehört es nicht mehr dir. Urheberrechte gibt es hier keine", so Bock. Zwar gebe es in Wien einige Wände, an denen legal gesprayt werden darf, an diese Beschränkung halte sich aber kaum jemand – möglicherweise genießt die Szene deshalb nicht den besten Ruf. "Man denkt nur: Nacht, illegal, Mundschutz, Vandalismus", sagt Bock. Längst müssten die aufwendigen Werke aus dem Sumpf des schlechten Image gehoben werden, viel zu gut seien die Ideen und Techniken der Künstler.
Mission Stadt verschönern
Genau das ist Bocks Mission: Er hat sich mit Österreichs erster Agentur für urbane Raumgestaltung, Common Walls, selbstständig gemacht. Er will mit namhaften und internationalen Künstlern zusammenarbeiten und ihre Werke ins heimische Stadtbild integrieren. Das Potenzial ist groß: "Denk an Kindergärten, Schulen, Gemeindebauten, Geschäftslokale, Lagerhallen, Lärmschutzwände, Stationsgebäude, Brückenpfeiler", zählt er auf. "Allein in Aspern – da ist so viel Grau, das hab ich in meinem Leben noch nicht gesehen." Seine Aufgabe besteht nun darin, die Künstler, mit denen er zusammenarbeitet, an aufgeschlossene Flächenbesitzer zu vermitteln – und umgekehrt. Im Portfolio hat er keine Unbekannten: den Wiener Street-Art-Künstler Paul Busk, den jungen Franzosen Youri Mantra Cansell, den Deutschen Andreas Iron Monkey Pistner, den Franzosen Laurent Love Steinmayer und Sumo! (Lux). Er verhandelt ihnen legalen Raum zum Arbeiten und individuelle Preise für ihre eigenen Projekte oder Auftragsarbeiten. "Aber es geht bei dieser Geschäftsidee bitte nicht um mich. Ich bin nur der Vermittler. Hätte ich es nicht gemacht, hätte es wer anderer gemacht", sagt er bescheiden.
Aus der Wiege des Hip-Hop
Der 37-Jährige hatte schon immer eine Nähe zur Szene. In Trier, Deutschland, geboren und aufgewachsen, prägte ihn das Dreiländereck. Hip-Hop war im Kommen, Graffiti-Sprühen Kunst, die Kombination aus beiden der Lebensstil der Jungen. "Wir waren schon vor Banksy da", fasst er die Kultur von damals zusammen. Bock verfiel der Musik – "malerisch bin ich ziemlich unbegabt" –, er rappte und war mit seiner Crew THM Squad beim US-Label East-West Records unter Vertrag. 2004 kam er der Musik wegen nach Wien. Doch damit klappte es nicht, wie gewollt. "Ab dann war ich Lebenskünstler. Ich habe in einer Werbeagentur gearbeitet, im Lager gejobbt, habe Schuhe verkauft, war kurz beim Film und habe mich irgendwie durchgeschlagen", erzählt er. "Scheinbar braucht es 20 Jahre, bis man zu dem zurückkehrt, was man immer schon gemacht hat." Seine Graffiti-Agentur könnte ihn vielleicht doch noch zum Karriere-Menschen machen, schmunzelt er. Vor rund einem Jahr kam ihm die Idee zur urbanen Raumgestaltung. Er besuchte den Gründerkurs vom AMS, involvierte Experten in sein Vorhaben, schrieb einen Businessplan und gründete im März. Da die Aufträge erst ins Rollen kommen, arbeitet er noch alleine. Seine Pläne sind aber groß. "Dieses Konzept lässt sich wirklich überall auf der Welt anwenden. Stell dir mal vor: heute Wien, morgen New York."
1. Mir war bei der Gründung vom ersten Moment an das Erscheinungsbild nach außen wichtig. Bei mir kommt alles – Broschüren, Postkarten, Briefpapier, das Logo oder die Homepage – aus einer Hand, von einem Grafiker. Somit ist alles ein Stil und hat einen starken Wiedererkennungswert. Das ist schlicht und seriös.
2. Ich war nie der Typ, der wusste, was in zwei Jahren ist, war nie der klassische Karrieretyp. Man muss sich in seinem Arbeitsleben auch mal vom Bauchgefühl leiten lassen. Vorher sollte man sich aber auch einen Freiraum geschaffen haben, der keinen großen Rattenschwanz an Verantwortung mit sich zieht – erst dann kann man es sich wirklich leisten, sich auf das Bauchgefühl zu verlassen.
3. Es braucht immer kleine Schritte, Sachen entwickeln sich.
4. Man muss lobend die Förderstellen erwähnen: Ich war im Gründerprogramm des AMS, besuchte Gründerworkshops der WKO, hatte Unterstützung und Begleitung von Experten beim Schreiben vom Businessplan und besuchte Wifi-Kurse, die zu 70 Prozent gefördert wurden. Ich habe mich in Rechnungswesen weiterbilden lassen, da hatte ich bei der Gründung bedarf.
5. Ich habe mir selbst Gleitzeit erlaubt (lacht). Im Ernst: Auch wenn ich bis zehn am Abend vor dem PC sitze – es fühlt sich nicht nach Arbeit an. Es ist eine Sache, über die man sich, mit den Künstlern gemeinsam, freut. Wenn man selbstständig ist, tut man dann einfach alles für seine Idee.
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