Land ohne Innovationskultur

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Forum Alpbach. Maria Fekter ortet Vollkaskomentalität, Werner Wutscher keine Kultur des Experimentierens.

Wenn man bei den Gesprächen im Tiroler Bergdorf von der Schulklasse in den Turnsaal ausweichen muss, weil der Andrang für Erstere zu klein wird, sind entweder die Gäste am Podium top oder das Thema ist es. Trifft beides zu, ist das ein Alpbacher Hattrick: So geschehen am Dienstag, als zum Thema „Eine neue Kultur für Investitionen in Innovationen“ Finanzministerin Maria Fekter, Business Angel Werner Wutscher, der Vorsitzende der Jungen Wirtschaft Markus Roth und die beiden Professoren und Innovationsexperten Marion Pötz (Copenhagen Business School) und Bernd Ebersberger (MCI Innsbruck) diskutierten.
Man war sich einig: Österreich hat keine ausgeprägte Innovationskultur und auch keine Beteiligungskultur – Ideen und Start-ups hätten es besonders schwer, an Unterstützung und Finanzierung heranzukommen. „Das Klima für Selbstständigkeit ist nicht so gut, wie man sich das wünschen würde“, erklärt Finanzministerin Maria Fekter. „Die Mehrheit der WU-Studenten wollen am Anfang noch selbstständig werden, nach Abschluss dann aber lieber Beamter. Wir haben eine Gesellschaft der Vollkaskomentalität – trotzdem glaube ich, dass mehr Innovation in diesem Land vorhanden ist, als man glaubt.“
Das bestätigt Markus Roth, Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft: „Aus einer aktuellen Umfrage wissen wir, dass sich die Jungunternehmer durchaus als Innovationsmotor sehen. Jedoch fehlt es an finanziellen Grundlagen und Rahmenbedingungen. Im internationalen Umfeld werden Ideen und Produkte häufig durch Crowdfunding finanziert. Diese Kultur gibt es bei uns noch fast gar nicht“, erläutert Roth.


Scheitern nicht erlaubt

Business Angel Werner Wutscher: „Für Innovation muss viel probiert und experimentiert werden. Dafür gibt es jedoch eine zu geringe Kultur des Scheiterns. In Österreich gibt es zwar gute Rahmenbedingungen in der Frühphasenfinanzierung. Jedoch fehlt es in der zweiten und dritten Finanzierungsphase, in der etwa Business Angels investieren, an notwendigen Anreizen zu investieren.“ Eine Forderung der Interessensvertretung der Business Angel ist, dass Stiftungen drei Prozent ihres Vermögens in Start-ups investieren müssen. „Privatstiftungen haben bei uns nur den Zweck des Geldbunkerns“, so Wutscher.
Für Marion Pötz von der Copenhagen Business School ist Crowdfunding ebenso ein Schlüssel bei der Etablierung einer Innovationskultur: „Eine aktuelle Studie zeigt, dass Crowdfunding nicht nur eine Finanzierungsmöglichkeit ist, sondern dass damit gleichzeitig die Idee auf die Nachfrage abgetestet wird. Weiters wurde in der Studie gezeigt, dass die Betrugsrate bei dieser Form der Finanzierung relativ gering ist, bei 50.000 analysierten Ideen nur bei ein Prozent lag.“ Crowdfunding sei demnach auch eine relativ sichere Anlagemöglichkeit für Investoren. Die Crowd könne bei Innovationen oft besser urteilen als Gutachter.
Bernd Ebersberger vom Management Center Innsbruck (MCI) erkennt viel Innovationskultur – bei Kindern: „Bereits im Kindergarten sehen wir die besten Innovationstreiber: Kinder, die probieren, scheitern und dabei lernen. Am standardisierten Ausbildungsweg geht jedoch diese Innovationsfähigkeit und -willigkeit nach und nach verloren.“ Seiner Meinung nach müsse man bereits bei der Ausbildung Innovation fördern.

Das Europäische Forum Alpbach (EFA) ist eine interdisziplinäre Diskussionsplattform für Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur. Seit 1945 widmet sich das Forum im Tiroler Bergdorf den relevanten gesellschaftspolitischen Fragestellungen der Zeit. Jedes Jahr im August kommen internationale Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen mit interessiertem Publikum und engagierten Menschen zusammen, um einen generationen-, ideologien- und grenzüberschreitenden Dialog zu führen. Präsident ist der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler, Geschäftsführer Philippe Narval. Das Europäische Forum Alpbach 2013 steht unter dem Thema „Erfahrungen und Werte“. www.alpbach.org

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