Die Wirtschaft schlägt Alarm: 24.000 IT-Fachkräfte fehlen schon jetzt – in den nächsten fünf Jahren sollen es bis zu 30.000 sein. Fachkräfte aus anderen Ländern sind kaum eine Option: Allein in Europa vermisst man bis 2030 gut elf Millionen Informatiker.
Das Problem? Pensionierungen übertrumpfen Berufseinsteiger, erklärt Alfred Harl, Obmann des Fachverbands Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (Ubit). Außerdem: Die Anzahl der Studierenden, die das Studium abbrechen, ist um 20 Prozent höher als in anderen Studienrichtungen.
Warum? Weil viele nicht wissen, worauf sie sich zu Beginn des Studiums einlassen, so Harl. Hinzukäme dass viele nach wenigen Semestern schon ins Berufsleben wechseln. Ein Fehler, der dem Arbeitsmarkt nicht zuträglich ist. Aussteigern fehle die Grundbildung, so der Obmann: „Nur wenn jemand fertig studiert hat, hat er, meiner Meinung nach, ein Leben lang eine Jobgarantie.“
Rudolf Kubicz ist IT-Experte bei der Justizbetreuungsagentur. Er hat nach seiner Ausbildung an der HTL nicht nur an einer Fachhochschule Informatik fertig studiert, sondern zwei Master parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit absolviert.
Die IT ist ein irrsinnig breites Feld. Durch das Studium beschäftigt man sich mit Bereichen, mit denen man sonst nicht in Berührung käme.
von Rudolf Kubicz, IT-Experte Justizbetreuungsagentur
Durch seinen zweiten Masterabschluss in IT-Security fasste er Fuß in der Forensik – eines der aktuell gefragtesten Gebiete. Für Gericht und Staatsanwaltschaft wertet er jetzt digitale Beweismittel aus.
„Je mehr Abschlüsse man hat, desto förderlicher ist es für Bewerbungen“, sagt Kubicz, merkt aber an, dass ein akademischer Grad keineswegs eine Voraussetzung in der Branche ist. Vielmehr ist es das Interesse und die Bereitschaft, sich mit IT zu beschäftigen.
Das bestätigt auch Alfred Harl: „Da findet der Kreative genauso etwas, wie jemand, der nur programmieren möchte“, sagt er. Bis zu 80 verschiedene Berufe warten hinter dem Deckmantel IT.
Anna-Maria Wolf ist Agile Coach und berät IT-Teams, wie Prozesse effizient umgesetzt werden können. Heißt: Aufträge und Anforderungen werden an eine IT-Abteilung gestellt, diese wiederum muss gemeinsam Lösungen erarbeiten.
Die Koordination und Vermittlung zwischen den einzelnen Informatikern und den Auftraggebern übernimmt Anna-Maria Wolf, die sich in diesem Geschäftsfeld selbstständig gemacht hat. „Hier habe ich die Prozesshoheit“, sagt sie.
„Mein Job ist, in kleinen Dosen zu liefern und ständig Verbesserungen zu erzielen.“ Aktuell begleitet sie Teams, die einen Webshop gestalten oder eine App entwickeln.
Hohe Nachfrage, hohes Durchschnittsgehalt und geringe Arbeitslosenquote
72 Prozent der Betriebe beklagen einen IT-Fachkräftemangel (Umfrage Agentur Peter Hajek)
Platz 1 der gefragtesten Bereiche ist laut Hays Österreich die Software-Entwicklung, gefolgt von Support Spezialisten und IT-Architekten
51,4 Prozent lautet die Dropout-Quote für Informatik-Masterstudien an den Universitäten. 43 Prozent sind es bei Bachelor-Studiengängen
45.000 bis 100.000 Euro Jahresgehalt beträgt die Spanne in den Top 10 gefragten IT-Positionen in Österreich (Hays Österreich)
1 Prozent der arbeitslosen oder in Schulungen befindlichen Personen fallen auf IT-Fachkräfte (AMS Österreich)
Eine IT-Ausbildung hat sie nicht. Wolf ist studierte Psychologin. Ihre Expertise hat sie sich selbst angeeignet. Das Schwierigste waren die Begrifflichkeiten, sagt sie. Die logische und gleichzeitig komplexe Umgebung, in der sich IT- und Software-Teams befinden, hat sie aber von Anfang an fasziniert.
„Deswegen wird Teamwork in der IT so hochgehalten“, sagt Wolf. „Weil man als Einzelperson nicht für alles eine Lösung finden kann.“
Dass sich zu wenige junge Menschen für eine Ausbildung in der IT entscheiden, schreibt Alfred Harl der Vermarktung zu. Für diese sollen sich Ministerium, Fakultäten und Wirtschaftskammer bestenfalls zusammenschließen.
„Eine akkordierte Marketing-Aktion für das Thema Informatik – und das geht auch mit kleinen Mitteln – wäre ein gewaltiger Schritt nach vorne“, sagt Harl und bezieht sich dabei etwa auf Werbeanzeigen, die auf Österreichs Bahnhöfen geschaltet werden.
„Wir müssen erklären, welche Möglichkeiten es in der IT gibt und dass nicht alles mit Mathematik und Technik zusammenhängt“, so Harl. „In der IT findet sich alles abgedeckt, was wir auch im richtigen Leben haben.“
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