Experteninterview: „Produktiv statt beschäftigt“

Experteninterview: „Produktiv statt beschäftigt“
Wie geht Effektivität? Zeitmanagement-Experte und Autor Tim Reichel erklärt im Interview, wie es funktioniert.

Sie sollten einige Aufgaben abarbeiten. Doch stattdessen verstreichen die Minuten, der Bildschirm fällt unbemerkt in den Stand-by-Modus, der Blick schweift über die Welt vor den Fenstern, die Gedanken kreisen nicht mehr um die aktuelle Aufgabe und deren Lösung. Viel mehr plant man vor dem geistigen Auge gerade das Abendessen. Homeoffice bedeutet nicht für jeden eine Steigerung der Produktivität.

"Manche Menschen blühen im Homeoffice regelrecht auf . Andere gehen komplett unter, weil ihnen der soziale Kontakt der Kollegen, die Kontrolle und Struktur des Büros fehlt“, sagt Tim Reichel, Wirtschaftsingenieur, Autor und Experte für Zeitmanagement. In seinem neuen und mittlerweile 14. Buch "Busy ist the new stupid“ gibt der 32-jährige 60 Tipps und Strategien, wie man effektiv produktiv sein kann – und nicht nur beschäftigt. Dem KURIER gibt Reichel die wichtigsten Tipps und erklärt, was "Studienscheiss“ ist.

KURIER: Herr Reichel, Sie haben 2014 den Blog „Studienscheiss“ gegründet, aus dem dann der gleichnamige Verlag wurde. Was macht „Studienscheiss“ und wieso dieser Name?

Tim Reichel: Das war anfänglich etwas anderes. Ich habe als Studienberater an der RWTH Aachen gearbeitet, das mache ich übrigens immer noch halbtags, und mein Beratungsangebot wurde sehr gut angenommen. Es hat sich herumgesprochen, irgendwann kamen sogar Studenten aus anderen Unis in meine Beratungsstunden. Um alle mit Tipps zu versorgen, habe ich den Blog gegründet. Ich suchte noch einen passenden Namen. Als ein Kollege Geburtstag hatte und mich zum traditionellen Geburtstagskuchenessen holen wollte, habe ich gerade wieder eine Studienordnung studiert. Und er sagte: Lass jetzt mal diesen Studienscheiss. So war der passende Name gefunden. Mittlerweile ist es ein Verlag, in dem ich Fachbücher für Studierende und seit Kurzem auch für die breite Masse verlege.

In ihrem neuen Buch „Busy is the new stupid“ geben Sie Tipps, wie man produktiv, statt nur beschäftigt sein kann. Was heißt das?

Ich wollte in diesem Buch weg von bloßem Zeitmanagement. Wer nachhaltig glücklich sein will, muss lernen, sich auf die wichtigsten Dinge zu fokussieren. Zumindest meistens. Ein Arzt muss alle Patienten behandeln, auch in Bürojobs kann man nicht immer nur das Wichtigste tun – aber jeder sollte Schwerpunkte setzen.

Wie wählt man aus, was das Wichtigste ist?

Es gibt zwei Herangehensweisen. Die Nutz-Wertanalyse, bei der man sich den Nutzen einer konkreten Aufgabe errechnet, oder leichter: die Fokusfrage. Man überlegt sich, welches die eine Sache ist, die man tun kann, damit alles andere einfacher oder überflüssig wird. Auch wenn das oft die Aufgabe ist, die am wenigstens Spaß macht – es ist wirkungsvoll. Und das sollte man sich zirka einmal pro Stunde fragen.

Ist das alles, was es braucht?

Nein, man muss seinen eigenen Rhythmus finden. Manche brauchen alle 15 Minuten eine Pause, andere alle zwei Stunden. Man sollte sich einen genauen Tagesplan mit persönlichen Fristen machen. Man könnte sich auch mit den Kollegen zur Kaffeepause auf Zoom treffen und sich vornehmen bis dahin gewisse Aufgaben zu erledigen. Gut ist auch eine Not-To-Do-Liste, auf der alles draufsteht, was man nicht tun will, etwa im Internet surfen.

Wie viel Zeit kann man durch richtiges Management einsparen?

Wenn jemand noch gar nicht optimiert ist, würde ich sagen, man spart bis zu 50 Prozent .

Kommentare