Ex-Microsoft-Europa-Chef: „Nur im Flow kommt der Erfolg“
KURIER: Sie haben im Laufe Ihrer Karriere mit Topmanagern wie Bill Gates zusammengearbeitet. Wie ist er und was haben Sie von ihm gelernt?
Jan Mühlfeit: Bill ist ein Visionär. Er hat die Gabe ein Bild von der Welt zu zeichnen, wie sie in Zukunft aussehen soll. Es gibt in der Tech-Branche viele Innovatoren aber nur wenige Visionäre. Steve Jobs war auch einer. Bill hat immer gesagt, dass Erfolg ein lausiger Lehrer ist. Es ist wichtig, neue Fehler zu machen um aus ihnen zu lernen. Bill hat mir beigebracht kalkulierte Risiken einzugehen. Wenn man scheitert, kann man sich später immer noch entschuldigen. Der Versuch zählt. Erfolgreiche Menschen unterscheiden sich im Umgang mit Rückschlägen. Sie stehen auf und machen weiter.
Ist das Visionäre angeboren oder lernt man das?
Visionär zu sein ist ein Talent. Talent liegt in unseren Genen. Die Frage „Habe ich dieses Talent?“ ist aber die Falsche. Fragen Sie lieber „Was ist mein Talent?“ Denn jeder hat ein Talent. Bill ist ein geborener Visionär. Aber das allein hat ihn nicht erfolgreich gemacht. Hinter seinem Erfolg steckt auch viel Lernen und hartes Training. Außerdem liebt er, was er tut. Geld und andere extrinsische Motivatoren können niemals die Leidenschaft wettmachen, die passionierten Talenten den Antrieb geben, der sie schließlich so erfolgreich macht.
Die Message Ihres Buches „The Positive Leader“ lautet verkürzt: Gute Führungskräfte kennen ihr Potenzial, sind glücklicher und führen so ihr Team zum Erfolg. Wie schafft man es, als Manager auch in schwierigen Zeiten optimistisch zu bleiben?
(Nimmt einen Stift und zeichnet ein Achsendiagramm) Je herausfordernder die Aufgabe (er schreibt „challenge“ auf die Y-Achse) und je höher Ihr Talent („talent“ auf die X-Achse), desto besser kommen Sie in den Flow (verzeichnet „flow“ rechts oben im Diagramm). Mental ist das der Zustand, wo Sie so konzentriert sind, dass Sie alles um sich herum vergessen. Die Amygdala im Gehirn, die die Versagensangst steuert, ist auf „off“. Endorphin macht schmerzunempfindlich, Dopamin mobilisiert Kraft, Serotonin gibt Gelassenheit. Wenn Sie an sich selbst glauben, im Flow sind, überwinden Sie auch scheinbar unmögliche Herausforderungen.
Kritikfähigkeit ist essenziell, schreiben Sie. Wie sagt man es dem reichsten Mann der Welt, wenn man eine seiner Ideen einmal nicht gut findet?
Microsoft hat eine gute Streitkultur. Bill Gates zu hinterfragen war nie ein Thema. Er kann Fehler problemlos eingestehen. Damit Kritik fruchtet, muss sie konstruktiv sein. Am besten man fängt mit einem Lob an, jeder Mensch macht irgendetwas gut. Anschließend sollten Sie konstruktiv die Handlung kritisieren, nie die Person, und Alternativen zeigen. Sprechen Sie Ihrem Gegenüber abschließend Vertrauen aus. So kommt das Feedback an.
In Ihrem Buch schreiben Sie, es sei wichtiger, mit der eigenen Energie zu haushalten als mit der Zeit. Gab es in Ihrer Karriere als Manager Momente, in denen Ihnen die Energie ausgegangen ist? Wie tanken Sie sie dann wieder auf?
2011 und 2012 hatte ich eine schwere Krise. Ich litt unter Depression und ließ mich in eine Psychiatrie einliefern. Ich wollte sterben, so schlimm war es. Was war passiert? Nach jedem Flow braucht der Mensch eine Regenerationsphase. Die hatte ich ausgelassen. 50 Jahre ist das gut gegangen, dann ist die Blase geplatzt. Meine Frau hat mir in der schweren Phase Visionen aufgezeigt. Das hat mir geholfen wieder gesund zu werden.
In über 20 Jahren vom lokalen Marketing-Chef zum kontinentalen Vorstand: Das klingt wie die Blaupause zum Erfolg der 90er-Jahre. Inzwischen ist der Arbeitsmarkt schnelllebiger und ein Stück weit instabiler geworden. Sind solche Aufstiege heute noch möglich? Was raten Sie jungen Menschen, die heute beruflich am Anfang stehen?
Ja, sind sie. Die Frage ist eher, ob die Jungen das heute noch so wollen. Ich nenne sie die disruptive Generation. Zum ersten Mal seit Beginn der Menschheit beherrschen die Jungen die Technologie besser als die Vorgängergeneration. Die neuen Chefs sind jünger. Schauen Sie sich nur Ihren Bundeskanzler an. Das stellt uns Alte vor Herausforderungen. Mein Tipp an die Jungen: Kenne dich selbst und vermarkte dich gut. Kenne dein Talent, deine Leidenschaft, deine Werte (zeichnet drei überlappende Kreise). In der Schnittmenge liegen Flow und Inspiration. So kommt der Erfolg.
Zur Person: Nach kurzer Station im Öffentlichen Dienst hantelte sich Jan Mühlfeit, heute 56, im Microsoft-Konzern die Karriereleite hoch: 1993 stieg der Informatiker in der tschechischen Zweigstelle im unteren Management ein. 2014 verließ er den Weltkonzern als
Europa-Vorstand. Seine Manager-Erfahrungen gibt er heute in Seminaren und Trainings weiter. Seine Mentees sind olympische Sportler, Manager, aber auch Waisenkinder. „Ich will sie alle ermächtigen, ihr eigenes Potenzial freizusetzen“, sagt er.
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