Engels-Chefin: "Man darf sich nichts scheißen"

Lisa-Marie Fassl ist Geschäftsführerin der Non-Profit-Organisation AAIA.
Lisa Fassl ist mit 25 Chefin des größten Business Angels-Netzwerks. Ein Gespräch über Millionen und weibliche Konkurrenz

Lisa-Marie Fassl ist ein Kind der Start-up-Szene. Ihre Karriere bislang: Serien-Gründerin, bei den AustrianStartups dabei, Projektmanagerin an der WU Wien im Gründer-Bereich. Seit 2012 – da war sie erst 21 – netzwerkt sie durch die Community. Das brachte ihr die Chef-Stelle der Austrian Angel Investors Association, einem Investoren-Netzwerk, das Millionen in Start-ups steckt.

Welches Start-up beschäftigt sie gerade?
Lisa-Marie Fassl:
Im Moment geht mir Kiweno nicht aus dem Kopf, es war in den vergangenen Wochen medial umstritten. Das ist ein Beispiel dafür, dass die Szene gerade etwas kritisch gesehen wird. Aber kritischer Gegenwind ist gut. Man darf hinterfragen, was hier passiert – das motiviert und bringt die Szene weiter.


Mit 25 Jahren an der Spitze eines Vereins, der millionenschwere Investoren vernetzt: Wie setzen Sie sich durch?
Ich dachte auch, dass das Thema wird. Ist es aber nicht. Alle sind extrem offen und froh, dass frischer Wind reinkommt. Wenn nicht alle so ein offenes Denken hätten, wären sie auch nicht in der Start-up-Szene aktiv.


Aber nicht alle Investoren sind offen und lässig.
(lacht) Mir ist noch keiner untergekommen, der es nicht wäre.


Unter anderem sitzen Hansi Hansmann und Selma Prodanovic im Vorstand. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Ich hatte ein ehrwürdiges Bild von ihnen, kannte sie nur aus den Medien und dachte: Okay, das ist ernstes Business. Dann sitzt du mit ihnen zusammen und merkst: das sind normale Menschen, die vor lauter Lachen oft nicht mehr können. Sie haben extrem viel Erfahrung, sind extrem gut vernetzt und teilen das auch so gern.


Wie genau kommt man an die Chef-Stelle der AAIA?
Wie das bei vielen Dingen ist: durch ein bisschen Glück, ein bisschen Zufall und das Netzwerk das ich mir über meine Jobs aufgebaut habe. Ich bin schon seit 2012 in der Szene, vor einigen Monaten kam AAIA-Co-Founderin Stefanie Pingitzer ganz unverblümt über eine Facebook-Nachricht auf mich zu. Beim Treffen hat sie mir den Job angeboten. Das hat mich zuerst selbst überrascht.


Was sind Ihre Aufgaben als Geschäftsführerin?
Das Netzwerk aus 180 Mitgliedern – den privaten Investoren und den Corporates (etablierten Unternehmen, Anm.) – am Laufen zu halten. Zu connecten, neue Leute ins Netzwerk zu bringen. Zudem melden sich etwa 20 Start-ups in der Woche bei uns, die auf der Suche nach Finanzierung sind. Wir coachen sie, damit sie für unsere Mitglieder interessant sind. Wir laden sie auch zu unseren Co-Investor-Pitches ein, wo sie vor 70, 80 Investoren pitchen. Mir ist wichtig, dass die Leute verstehen, dass sie da eine einmalige Chance haben. Da sitzen wirklich Leute, die Geld in die Hand nehmen wollen. Da braucht es eine Präsentation mit Emotionen, Passion, man muss alles geben, darf sich nichts scheißen. Das ist übrigens überall im Leben so.


Österreich hat immer mehr Gründerinnen, in die Start-up-Szene wagen sich nur wenige. Warum?
Im Moment gibt es dazu in Österreich einige Forschungsarbeiten, als ich noch an der WU tätig war, haben wir dazu selbst eine Umfrage gemacht. Wir haben schlicht zu wenige Frauen in MINT-Fächern, zu wenige lernen Programmieren. Vielen fehlt es auch an Mut, mit ihrer Idee rauszugehen und sich Leute zu suchen, die ihnen helfen. Und aus irgendeinem Grund neigen Frauen auch dazu, sich untereinander nicht gern zu unterstützen. Es entstehen immer Zwischenhierarchien, das ist öd. Ältere Frauen mit Erfahrung machen sich für junge unnahbar. Ich spüre Konkurrenzdenken.


Ist Österreich ein Gründerland?
Im Moment noch nicht. Dafür ist das Denken, Gründen sei etwas Positives, noch nicht verbreitet genug. In meiner Generation gehen die Leute in die Selbstständigkeit weil sie sich verwirklichen, ein Problem lösen oder die Welt verändern wollen – nicht, weil sie sonst keinen Job finden würden. Beim Thema Gründerland fehlen an der Basis noch die richtigen Voraussetzungen, das fängt schon in der Schule an, wo unternehmerisches Denken einfach nicht gefördert wird. Alle Initiativen, die das verändern wollen, sind sehr willkommen.


Kanzler Kern sagte beim Pioneers Festival, es brauche mehr Investition in Start-ups.
In Österreich liegt sehr viel Kapital brach, es gibt viel Potenzial, es in Start-ups zu stecken. Davor haben die Leute aber Angst. Unternehmer, die vor 30 Jahren gegründet haben oder Manager sind zum Teil in der Old Economy verankert, haben mit klassischen Geschäftsmodellen zu tun. Sie tun sich mit der digitalen Revolution und der Industrie 4.0 schwer. Wenn ich bei Corporates eingeladen bin, merke ich: Sie wissen nicht, wie sie sich den Start-ups nähern können. Sie versuchen Modelle zu entwickeln, aber es kommt nicht so richtig in Schwung. Es wäre gut für sie, jetzt den Anschluss zu suchen und nicht erst, wenn es zu spät ist.

Lisa Fassl, 25 Jahre, aus Oberwart, stürzt sich nach ihrem BWL-Master an der Karl-Franzens-Uni in die Start-up-Szene: Sie wird Co-Gründerin des IdeenTriebwerk Graz, der Startup Kitchen und des Netzwerks The Female Founders Club für junge Gründerinnen. Sie arbeitet bei AustrianStartups und an der WU im Gründungszentrum mit. Seit April 2016 ist sie Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association, die 180 Investoren untereinander und mit Start-ups vernetzt. Ihre größten Anliegen: Investitionsfreibetrag durchsetzen, mehr Junge als Investoren gewinnen, die Engel international über die Landesgrenzen hinaus vernetzen und mehr Frauen in die Szene holen.

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