"Einfach heimfahren? Nein"

Die damals 18-jährige Isabella Naujoks im Waisenhaus in Nepal...
Isabella Naujoks reiste mit 18 Jahren um die Welt und leistete dabei drei Monate Freiwilligenarbeit.

Isabellas Bett, das nur ein Holzbrett ist, ist voll mit Vogelkot. Auf dem Boden in ihrem Zimmer quieken Mäuse, das WC am Gang ist ein Stehklo und die Dusche ist draußen in der Kälte. Die Schokolade aus der Heimat, die sie aus ihrem Rucksack auspackt und als Trost gut brauchen könnte, teilt sie an die Waisenkinder aus, die sich mittlerweile um sie scharen. Das ist Isabellas neuer Arbeitsplatz und zugleich ihre neue Heimat für die kommenden paar Wochen: ein Waisenhaus in Nepal. Die 18-Jährige macht eine achtmonatige Weltreise und leistet dabei dreieinhalb Monate Freiwilligenarbeit.

"Einfach heimfahren? Nein"
honorarfrei, interconnections-verlag
Diese Szene ist vier Jahre her. Isabella Naujoks schrieb damals ihr Buch "Abi und dann weg." Im Februar erschien es neu überarbeitet unter dem Namen "Weiblich, 18 und auf Weltreise".

KURIER: Manche gehen mit 18 Jahren studieren, schnuppern in Praktika, machen Au-Pair. Sie haben einen 20 Kilo Rucksack gepackt und sind alleine los um die Welt.

Isabella Naujoks: Für mich war immer klar, dass ich nach dem Abi erstmal ins Ausland gehe. Ich wollte aber nicht – wie bei Au-Pair üblich – für eine längere Zeit an nur einen Ort. Ich lerne viel zu gern neue Kulturen kennen und habe überlegt, welches Format das alles annehmen könnte. Meine Eltern waren über die Entscheidung einer Weltreise nicht sehr erfreut. Aber ich habe mich durchgesetzt (lacht). Meine Reise ging nach Nepal, Kambodscha, Vietnam, Australien, Neuseeland, Samoa, Fidschi und Amerika.

Sie haben nicht nur Strandurlaub gemacht, sondern auch über drei Monate Freiwilligenarbeit geleistet. Was war Ihre Motivation dafür?

Es ist schwierig, nur durch Herumreisen Einblicke in die Kultur zu bekommen. Es fehlt die Authentizität, man erlebt die andere Lebensweise nur als Außenstehender. So habe ich meinen Lebensstil der Umgebung angepasst und erfahren, was die Menschen wirklich beschäftigt. Zudem geht es bei Freiwilligenarbeit auch um eine persönliche Bereicherung, mehr Selbsthilfe als Fremdhilfe. Es hilft einem, über seinen eigenen Horizont hinaus zu blicken. Im Idealfall hilft man dadurch auch anderen.

Wie haben Sie die Arbeitsstellen im Ausland organisiert?

Ich habe das meiste im Voraus geplant. Bis Neuseeland war alles fix, Fidschi und USA habe ich erst von dort aus geplant. Ich habe von Bekannten, die auch Freiwilligenarbeit geleistet haben, Tipps für gute Hilfsorganisationen bekommen und bin so auf ein Waisenhaus in Nepal und eine Englischschule in Kambodscha, wo ich später unterrichtet habe, gestoßen.

Wie haben Sie sich in diesen Ländern verständigt?

In Nepal etwa habe ich einen Sprach-Crashkurs bekommen. Auch die Kinder haben mir geholfen, Wörter wie "danke" und "das Essen war lecker" zu lernen. Ich hab aber schnell gemerkt: Man kann sich auch ohne Wörter, mit Händen und Füßen, verständigen.

Fremde Länder, andere Kulturen – wie war das Arbeiten unter diesen neuen Bedingungen?

Man muss sich darauf einstellen. Ich hab während meines US-Jahres einen Spruch mitbekommen: "It’s not better, it’s not worse, it’s just different." Es gab aber Situationen, wo die Andersartigkeit für mich nur schwer zu akzeptieren war: Etwa in Kambodscha die ineffiziente Arbeitsweise, in Nepal die Diskriminierung von Frauen. Die Arbeitsbedingungen sind hier hart. Schwangere Frauen leisten Schwerarbeit und Porter – die Menschen, die bei Wanderungen das Gepäck tragen – schleppen 80 Kilo am Rücken, Tausende Meter in Flip-Flops den Berg hinauf. Man fängt an, sich zu fragen, wie das alles sein kann.

Welche Erwartung hatten Sie an Ihre Freiwilligenarbeit?

Anfangs hatte ich die Hoffnung, etwas zu bewirken. Aber man muss realistisch sein. Als 18-jähriger Abiturient kann man in wenigen Wochen nichts Großes reißen.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie Sorge wegen der Einsamkeit und des Kulturschocks hatten. Haben sich Ihre Befürchtungen bewahrheitet?

Nein. Es gab natürlich manchmal Situationen, wo ich alleine in meinem Zimmer gesessen bin und gedacht habe: Und jetzt? Aber da muss man über seinen Schatten springen und selbst aktiv werden, damit man nicht einsam ist.

Haben Sie je daran gedacht, einfach wieder heimzufahren? Ehrlich gesagt, nein.

Was haben Sie von Ihrer Reise in Ihren Alltag, zurück nach Deutschland, mitgenommen?

Es wird einem bewusst, dass man auch mit den kleinen Dingen im Leben zufrieden sein kann und nicht immer meckern sollte. Meine Freunde haben sich darüber aufgeregt, dass die Bahn fünf Minuten Verspätung hatte. Ich dachte da: Wir sollten froh sein, dass wir überhaupt eine Bahn haben.

Die heute 22-Jährige hat vor ihrem Abi in Dortmund ein Auslandsjahr in den USA gemacht und dabei einen Traum entwickelt: eine Weltreise machen. Nach ihrem Abi in 2011 nahm sie all ihr Erspartes zusammen und beschloss, alleine für acht Monate „immer in den Osten, einmal um die ganze Welt“ zu reisen. Davon leistete sie dreieinhalb Monate Freiwilligenarbeit, wohnte, wo sie arbeitete, zudem bei Bekannten oder campte. Über diese Zeit veröffentlichte sie ein Buch, das im Februar neu erschienen ist. Naujoks studiert heute Jus in Hamburg und absolvierte das vergangene Semester in Afrika.

Kommentare