Arbeiten bis zum Umfallen: Ein Goldman-Sachs-Insider über den Aufschrei der Banker

Arbeiten bis zum Umfallen: Ein Goldman-Sachs-Insider über den Aufschrei der Banker
Berufseinsteiger bei Goldman Sachs klagen über exzessive Arbeitsstunden. Ein Insider berichtet, was dort passiert

Es sind erschreckende Zustände, von denen junge Mitarbeiter bei Goldman Sachs dieser Tage berichten.

In einer anonym veröffentlichten internen Umfrage unter 13 Analysten in ihrem ersten Jahr bei der US-Investmentbank, wird von ausufernden Arbeitsstunden, Druck und Überarbeitung berichtet.

"Das ist Missbrauch"

Darin heißt es: „120 Stunden zu arbeiten ist nicht ok. Die Rechnung ist einfach, damit bleiben vier Stunden pro Tag zum Essen, Schlafen, Duschen, Zeit fürs Bad und Übergänge.“ Das sei jenseits von hart arbeitend, „das ist unmenschlich /Missbrauch“, sagt ein Mitarbeiter in der Umfrage.

Ein anderer: „Mein Körper schmerzt die ganze Zeit und mental ist es sehr düster“. Oder: „Arbeitslos zu werden, macht mir weniger Angst, als dass mein Körper aufgibt, wenn ich diesen Lebensstil weiter führe.“

Fordern Maximum von 80 Stunden

Die Mitarbeiter fordern nun unter anderem eine 80-Stundenwoche, freie Samstage und 21-Uhr-Dienstschluss an Freitagen. 80 Stunden auf sechs Tage gerechnet, wären immerhin immer noch über 13 Stunden täglich. Das zeichnet ein sehr verzerrtes Bild einer Work-Life-Balance.

Der Goldman-Sachs-CEO David Solomon gab nun bekannt, dass man sich bemühen werde diese firmeninterne Regel mehr zu beachten. Und dass zwischen Freitag 21 Uhr und Sonntagmorgen nur unter besonderen Umständen gearbeitet werde.

Mediales Aufsehen

Die Anschuldigungen gegenüber Goldman Sachs schlugen dieser Tage medial große Wellen. Die Tatsache, dass man als Einsteiger im Investment Banking an die Grenze des menschlich Machbaren getrieben wird, hat schon häufig für Schlagzeilen gesorgt. 2013 starb ein Praktikant bei der Investmentbank Bank of America Merrill Lynch, nachdem er 72 Stunden ohne Schlaf durchgearbeitet hatte.

"Es ist schrecklich"

„Alle wissen, dass diese Arbeitsumstände bei uns so existieren. Aber schwarz auf weiß zu lesen, welche Auswirkungen das auf die einzelnen Menschen hat, macht es realer“, erklärt ein junger Investment Banker von Goldman Sachs, der anonym bleiben möchte, im KURIER-Interview.

Er selbst hatte Wochen mit 16 Arbeitsstunden am Tag, sechs Tage am Stück. "Das ist schrecklich und unglaublich hart“. Sein persönliches Durchschnittspensum liegt bei zirka 80 Stunden die Woche. "Man braucht Reset-Zeiten, um die Akkus wieder zu laden“.

Corona macht es schlimmer

Die Corona-Krise aber verschärft die Situation. Klienten brauchen angesichts des ständigen Rauf- und Runterfahrens der Wirtschaft das Investment Banking noch stärker, so der Insider. Und das Investment Banking braucht die jungen Mitarbeiter, die sich für diesen Job aufreiben.

Wer sind die Menschen hinter der Umfrage?

"Das sind junge, motivierte Fachleute, die von den besten Unis der Welt kommen und wissen, was sie tun.“ Einige halten dieses Pensum nicht lange durch.

"Aus meiner Zeit in der Business School weiß ich, dass einige nach ein paar Jahren des Aufreibens aber auch des Geldverdienens einen Exit wählen“, so ein weiterer Branchen-Insider.

Dem KURIER wurde berichtet, dass sich in den Business Schools der Elite-Universitäten etwa 25 Prozent für Investment Banking entscheiden und 25 Prozent ins Consulting gehen.

Beide haben am Anfang ein ähnlich hohes Jahresgehalt, die Bonuszahlungen im Investment Banking allerdings können mitunter 100 Prozent des Jahresgehalts ausmachen.

"Jeder weiß, dass man in diesem Job sehr gut verdient“, sagt der Goldman-Sachs-Insider. Auch er plant nach Jahren seinen Exit und möchte in einiger Zeit zu Venture Capital umsatteln.

Ist das Investmentbanking noch attraktiv?

Um die Besten zu halten und angesichts der neuen Job-Möglichkeiten in der Tech-Branche auch weiter anzuziehen, sind Banken beraten, das humane Potenzial nicht zu verbrennen.

Was nötig wäre, sei ein Kulturwandel innerhalb der Banken, glaubt der junge Investment Banker. Denn: "Kein Unternehmen überlebt langfristig, wenn es seine Mitarbeiter ausbeutet. Man darf das auch nicht verallgemeinern. Nicht jede Bank tut das.“

Für eine strahlende Zukunft des Investment Bankings, müsse man dennoch woanders ansetzen. "Die Antwort ist der Kulturwandel. Banken sind streng hierarchisch. Als Junior tust du, was dir gesagt wird. Dazu gehört, sehr lange Power-Point- Präsentationen in sehr kurzer Zeit für ein Meetingvorbereiten. Dasselbe, wie in den vergangenen 30 Jahren.“

Dabei müssen Banken viel mehr erkennen, dass sich Arbeitsweisen verändert haben. Und dass der Wert der Juniors nicht in ihren Meetingvorbereitungen liege, sondern in ihrer Perspektive. "Der fehlende Respekt ist nur eine Facette des Problems, dass das Investment Banking hat.“

Warum aber entscheidet man sich für diese Arbeit?

"Auch wenn man im Vergleich zu anderen Industrien im Investment Banking sehr gut bezahlt wird, ich bezweifle, dass Menschen diesen Job machen, weil sie Millionäre werden wollen“, so der Investment Banker.

Gibt aber zu, dass die hohe Bezahlung eine Motivation ist, die langen Stunden zu ertragen.

Das Geld alleine sei es trotzdem nicht: "Es ist auch ein Lebensentwurf. Manche wollen 90 Stunden die Woche arbeiten. Manche mögen diese Misere des menschlichen Seins. Mögen es, ihre eigene Grenzen kennenzulernen und mögen die Arbeit, die sie tun.“

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