Drei Generationen in einem Betrieb: Wer ist hier der Boss?
KURIER: Frau Ernst, Sie sind im Management des Familienbetriebes. Frau Lemberger, Sie sind Vorstand und CFO. Senator Ernst, Sie sind Gründer, CEO und Vorsitzender des Aufsichtsrats. Wer ist hier der Boss?
(Stephanie Ernst und Burkhard L. Ernst zeigen mit dem Finger auf Gabriela Lemberger.)
Burkhard L. Ernst: Das Wichtigste in einer Firma sind zufriedene Kunden und Geld. Und beim Geld ist sie der Chef.
Gabriela Lemberger: Es überrascht mich jetzt, wie die beiden reagieren. Sagen wir so: Ich bin der Katalysator in der Familie. Wenn eine Entscheidung schwierig ist, bin im Endeffekt ich es, die eine Lösung herbeiführt und umsetzt. Das Schöne ist eigentlich, dass wir in vielen Dingen so einer Meinung sind, dass es gar nicht besprochen gehört. Aber natürlich können wir uns auch streiten. Wir sind Leute mit einer Menge Energie – und nicht immer geht die unbedingt in die gleiche Richtung.
Stephanie Ernst: Die Gaby sitzt auf der Kohle.
Gabriela Lemberger: (lacht) Das hilft natürlich beim Umsetzen der Entscheidungen.
Wie schwierig ist die Entscheidungsfindung, wenn man so eng mit der Familie zusammenarbeitet?
Gabriela Lemberger: Wir wohnen, bis auf Stephanie und meinen älteren Sohn, ja auch alle zusammen in einem Haus. Mein Bruder (Burkhard W. R. Ernst; sie führen gemeinsam die Rainer Gruppe, Anm.) und ich teilen uns sogar ein Büro. Es gibt eine Schiebetür, die ist meistens offen. Wir haben also ein sehr gutes familiäres Verhältnis.
Burkhard L. Ernst: Bei uns hat eigentlich nie jemand jemandem was angeschafft. Im Zweifelsfall gilt: Wer Nein sagt, hat recht. Aber das kommt sehr selten vor. Wir ziehen alle an einem Strang und arbeiten im Sinn der Sache, aus Freude am Tun. Ich bin eh dick genug, ich kann nicht noch ein Schnitzel essen. Das heißt übersetzt: Wenn eine Sache gelingt, schlägt sich das nicht im Konsum nieder, wir hauen deshalb nicht besonders auf den Putz.
Stephanie Ernst: Wir sind uns so oft einig, dass es manchmal beängstigend ist. Wenn wir uns fragen: "Ist das eine gute Idee? Verdienen wir was dabei?", wissen alle, wo es hingehen soll. Wir sind alle gemeinsam aufgewachsen, die Einstellung ist gleich.
Die meisten Menschen können sich nicht vorstellen, mit ihren Eltern, schon gar nicht mit den Großeltern zusammenzuarbeiten. Wie ist das, wenn sie Vorgesetzte sind, man auch beruflich unter ihrer Beobachtung steht?
Gabriela Lemberger: Das war eigentlich nie ein Problem. Aber ich bin auch nicht dagesessen und habe gesagt: Bitte streichelt mich, ich habe Erfolg gehabt.
Burkhard L. Ernst: Weil’s eh selbstverständlich war (lacht).
Gabriela Lemberger: Ich hatte nie die Schwierigkeit, "Ups" zu sagen. Wenn ich einen Fehler gemacht hab, war immer klar, es war keine Absicht und Fehler passieren.
Und bei Fehlern im Job?
Gabriela Lemberger: Ich bin mein schlimmster Kritiker und hasse mich selbst genug, wenn ich einen Fehler mache. Am Anfang bin ich ins kalte Wasser geschmissen worden. Meine erste Steuerprüfung, bei der mich mein Vater alleinegelassen hat, war schon eine interessante Geschichte.
Stephanie Ernst: Ich habe das mit der Beobachtung eher von Mitarbeitern empfunden. Manche kennen mich, seit ich ein kleines Kind war. Das war am Anfang ein bisschen schwierig. Man musste erst zeigen, dass man eine Berechtigung hat, hier zu sein. Ich arbeite jetzt seit zehn Jahren mit. Am Anfang ist man im Job und auch in der Familie das Kind. Da rauszuwachsen, dauert ein bissl.
Zwischen der Jüngsten im Management und dem Ältesten liegen 60 Jahre. Wie unterschiedlich denken die Generationen?
Burkhard L. Ernst: Da gibt es schon Unterschiede. Als ich jung war, gab es in einer Abteilung nur ein Fräulein, das zum Telefon gegangen ist. Ein Telefongespräch war zu meiner Zeit eine sehr repräsentative Sache. Heute, zu meiner großen Aufregung, und was den beiden und Ihnen wahrscheinlich selbstverständlich vorkommt, hat jeder das Handy ununterbrochen in der Hand und redet in der Dienstzeit ja auch privat. Das kommt den Leuten nicht einmal abwegig vor. Die Anwesenheit in einem Betrieb bedingt aber ein Gehalt. Und wenn ich mit der Susi Schön telefoniere, verbrauche ich ja Arbeitszeit. Das war seinerzeit undenkbar. Da überschneiden sich natürlich die Ansichten, weil die beiden sagen: "Geh, lass".
Wie gehen Sie damit um?
Burkhard L. Ernst: Ich arbeite gern. Aber ich habe es auch gern, wenn die anderen arbeiten. Was mich rasend macht, ist, wenn einer nix versteht und nix tut.
Sind Sie sich bei der Führung dann doch einmal uneinig?
Stephanie Ernst: Wir zwei sind uns eigentlich sehr ähnlich (zeigt auf Großvater).
Gabriela Lemberger: Wenn etwas nicht funktioniert, ist mein Level, zu explodieren, höher, als bei den beiden. Mein Mann und mein Sohn, wir sind länger zurückhaltend, dafür ist die Explosion dann vielleicht gewaltiger. Ich bin auch in der Konsequenz härter. Es gibt einen Spruch: Ein schlechter Mitarbeiter wird vom Zuschauen nicht besser. Und ein schlechter Vertrag vom Jammern auch nicht. Ich löse das Problem lieber gleich.
Ihre Lebensläufe sind gespickt mit Management-Posten. Wie wichtig ist Leistung in Ihrer Familie?
Stephanie Ernst: Ist schon wichtig.
Gabriela Lemberger: Jeder leistet, was er gern macht. Wenn jemand einen tollen Geschäftsabschluss macht, eine tolle Immobilie findet, ein Mazda-Verkaufsziel erreicht, freut man sich schon. Aber es ist eigentlich selbstverständlich.
Ist Leistung eine Voraussetzung, um so einen großen Familienbetrieb zu führen?
Burkhard L. Ernst: Ja. Arbeiten haben in der Familie alle gelernt. Wie ich die Firma Rainer gegründet habe, war ich einer der drei größten Gebrauchtwagenimporteure in Österreich. Ich bin in der Nacht mit einem Auto von Deutschland gekommen und bin um halb sechs in der Früh in den Zug, um wieder hochzufahren und ein neues zu holen. Ich treffe aber heute noch Leute, die sagen: "Bei dir läuft das ja von selbst." Nein. Das ist alles kein Zufall. Es ist immer die Kombination aus Können und Tun. Ohne Fleiß kein Preis.
Alle Kinder sind in den Betrieb hineingeboren. War Ihnen immer schon klar, dass Sie ihn übernehmen?
Gabriela Lemberger: Gar nicht. Mein Vater wollte, dass mein Bruder und ich Arzt und Anwalt werden. Ich habe den Sommer nach der Matura herumkugelnd zu Hause verbracht, als mein Vater gesagt hat: "So! Studium oder nicht?" Ich wollte nicht wirklich. Ich wurde mit dem Taschengeld so knapp gehalten, dass ich gedacht hab, das geht sich nicht aus, wenn ich studiere. Eine Freundin von mir hat damals 1000 Schilling (72,67 Euro) Taschengeld bekommen, ich 100 (7,27 Euro). Ich hab’ im Kaffeehaus die Speisekarte von rechts gelesen – was ist das Billigste? Er hat dann gesagt: "Gut, dann kommst du morgen mit ins Geschäft." Er hat mich allen vorgestellt, ich hab einen Sessel bekommen und das war’s.
Stephanie Ernst: Bei mir war das schon immer klar. Ich wollte in die HAK und habe, seit ich 16 bin, im Sommer mitgearbeitet. Ich wollte auch studieren, das habe ich berufsbegleitend gemacht. Ich wollte nie für fremdes Geld arbeiten.
Gibt es in Ihrer Familie je ein Abschalten vom Job? Worüber reden Sie privat beim Essen?
Gabriela Lemberger: Wir sitzen nicht privat zusammen. Wir wohnen zwar alle in einem Haus, aber jeder hat seinen eigenen Wohnbereich. Nur zu den üblichen familiären Anlässen, wie Weihnachten, Ostern und Geburtstage, trifft sich die große Familie.
Das Geschäftsleben hat sich in den vergangenen 60 Jahren sehr verändert. Was ist neu, was anders?
Burkhard L. Ernst: Bei uns sind die Werte erhalten geblieben, da sehe ich vieles positiv. Im Allgemeinen sehe ich aber vieles negativ. Heute wird in einer Form mit Geld umgegangen, die für mich unbegreiflich ist. Die Jungen nehmen es nur ein, um es auszugeben. Ich habe Geld eingenommen, um es zu halten, zu investieren und zu vermehren. Die jungen Leute denken heute aber gar nicht daran, wie sie ihr Leben entwickeln, ein Vermögen aufbauen. Sie gehen in eine Bar und geben für ein paar Flaschen Sekt ein paar Tausend Euro aus. Ich bringe das auch heute noch nicht zusammen, es würde mir so nicht einmal schmecken.
Stephanie, wie ist Ihr Zugang zu Geld?
Stephanie Ernst: Hamstern. Rausschmeißen war nie. Jeder von uns weiß: ein Euro ist hart verdient.
Abschließend: Herr Ernst, was können Sie im täglichen Business von Ihrer Enkelin lernen?
Burkhard L. Ernst: Sie arbeitet für mich eindrucksvoll Probleme ab. Und das mit einer Genauigkeit, die ich nie kannte. Sie errechnet etwa den Wert eines Hauses und kommt auf genau 1.187.212 Euro. Ich fahre vorbei und sage: Es ist 1,2 Millionen wert. Wir sind also sehr nah beieinander, aber jeder sieht die Dinge aus einem anderen Winkel. Und sie hat eine sehr positive Einstellung.
Und was können Sie von Ihrem Großvater lernen?
Stephanie Ernst: Entspann di. Leg’s ab, denk morgen drüber nach. Da dreht sich die Welt weiter.
Den Grundstein für das heutige, erfolgreiche Familienbusiness legen Burkhard L. Ernst und seine Frau Inge 1959, als sie in der Rainergasse in Wien ein Autogeschäft gründen. Das „Rainer“-Geschäft entwickelt sich, ihre beiden Kinder Burkhard W. R. Ernst und Gabriela Lemberger steigen mit ein. Mit den Jahren kommen zum Fahrzeughandel weitere Geschäftszweige dazu: Immobilien, Hotels und auch eine Film-Produktion (Cult). Seit zehn Jahren arbeitet auch die dritte Generation – Stephanie Ernst und ihr Cousin Maximilian Lemberger – im Management mit. Die gesamte Rainer Gruppe hat rund 290 Mitarbeiter in Österreich und rund 60 weitere in Deutschland.
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