Die Strategie der Stehauf-Menschen

Die Strategie der Stehauf-Menschen
Resiliente Menschen nehmen Krisen und Gefahren leichter. Diese Widerstandsfähigkeit kann man sich antrainieren.

Aus dem Kind wird nie was: Geschiedene Eltern, verwahrlost, völlig auf sich gestellt, keinerlei Förderung. Die Anti-Karriere sei vorgezeichnet, Nachbarn malten sich noch bösere Verwahrlosungsszenarien aus. Gefehlt. Das Kind ist ehrgeizig, lernwillig, macht was aus sich. Heuert mit 16 bei einem Handelsbetrieb an, steigt dort   bis in die Chefetage auf.  Dem Mädchen aus prekären Verhältnissen gelingt später, was Sonntagskinder oft nicht schaffen: Es schüttelt die widrigen Umstände von zu Hause ab, zieht daraus sogar Kraft, ist unverwüstlich und kein Spielball des Schicksals. Es gestaltet aktiv, ist positiv.  

Die Psychologie nennt dieses Phänomen "Resilienz" und meint damit die Widerstandsfähigkeit eines Menschen gegenüber  Belastungen, Gefahren, Risiken und Stress (kommt ursprünglich aus der Kinderpsychologie). Wie ein Stehaufmännchen richten sich resiliente Menschen aus jeder beliebigen Niederlage wieder auf. Sie meistern  das Leben besser als andere, sind schier   immun gegen Angriffe von außen.Aber wie?

 

Leichter im Job

Die Resilienz hat nun auch im Arbeitskontext Konjunktur: Wenn Sparpakete über Mitarbeiter hereinbrechen, Stellenabbau und Konzernumbauten für Unsicherheit sorgen, wenn die Stimmung am Arbeitsplatz alles andere als zuversichtlich  ist, tun sich Menschen mit psychischer Widerstandsfähigkeit leichter. Monika Friedrich, Dozentin für Soziologie an der Universität Münster hält fest, dass Resilienz "kein angeborenes, stabiles und generell einsetzbares Persönlichkeitsmerkmal ist, sondern das Ergebnis eines Prozesses, der sich  zwischen dem Individuum und seiner Umwelt vollzieht". Vereinfacht gesagt: Resilient kann man sich   bis zu einem gewissen Grad machen, eine positive Grundeinstellung lässt sich trainieren.

Als Faktoren für Resilienz gelten das soziale und wirtschaftliche Umfeld einer Person,  die biologische Vitalität und die Einstellung zu Problemen. Bernhard Rupp von der Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ): "Damit man von Schwierigkeiten   nicht völlig aus der Bahn geworfen wird, sollte man sich breiter aufstellen, für einen Ausgleich zwischen dem Job und dem sonstigen Leben  sorgen, mehrere Säulen haben."  Eine Vielzahl an Tätigkeitsfeldern mindere  die  psychische und ökonomische Erpressbarkeit, weil man Alternativen habe.  

Christian Korunka, Arbeitspsychologe an der Uni Wien mahnt, die eigene Wertestruktur regelmäßig zu überdenken: "Arbeit ist an sich etwas sehr Positives. Trotzdem sollte man seine Werte im Auge behalten. Was ist mir außerhalb der Arbeit wichtig? Bilden Familie und Freunde eine stabile Säule in meinem Leben? Ist mein Umfeld fördernd und fühle ich mich privat in Sicherheit?". Von Vorteil sei eine optimistische Lebenseinstellung. Die lasse sich laut Korunka aber nur schwer und langsam antrainieren, "weil das  eine stabile Eigenschaft ist, die man sich nicht auf die Schnelle aneignen kann." Optimismus gehört zu den sieben Säulen der Resilienz. Ebenso wie Akzeptanz (das Annehmen von schwierigen Situationen),  Lösungsorientierung (Wie gehe ich mit dem Stress um, der eine Krise begleitet?), das Verlassen der Opferrolle (das Besinnen auf seine Stärken, die Realität angemessen zu interpretieren und wieder auf die Füße kommen), Verantwortung übernehmen (die Bereitschaft und die Reife,  Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen), Netzwerkorientierung (ein stabiles, soziales Umfeld zu haben) und Zukunftsplanung (sich durch gute Vorbereitung gegen die Wechselfälle des Lebens zu schützen).

Hinzu kommt: Erfolgreiche, widerstandsfähige Menschen empfinden Stress nicht als Belastung, sondern nehmen ihn als Herausforderung an. Sie wissen,  welche   Fähigkeiten sie haben, und sehen Niederlagen als wichtige Erfahrung. Resiliente Menschen verfolgen außerdem eine clevere Strategie: Sie überlassen anderen nicht die Macht über ihr eigenes Wohlbefinden. Im Gegenteil: Nur sie selbst entscheiden, ob es ihnen gut geht.

Arbeitspsychologe Christian Korunka rät in schwierigen Zeiten zu Kooperation und Zusammenhalt. "Sich gegenseitig zu unterstützen  ist wichtig für ein Team, vor allem in der Krise, wenn Druck und Konkurrenz größer werden." Er sieht die Verantwortung allerdings nicht nur bei den Individuen. "Es ist zu einseitig zu sagen, die Leute müssen sich anpassen." Es sei auch die Verantwortung der Unternehmen und der Gesellschaft, die  Unsicherheiten in der Arbeitswelt abzufedern.

Definition: Resilienz

Resilienz bedeutet Widerstandsfähigkeit und meint die psychische Gesundheit eines Menschen trotz hoher Belastungen. Geprägt hat den Begriff die US-Entwicklungspsychologin Emmy E. Werner. Sie studierte die Entwicklung von Kindern aus prekären Verhältnissen. Aus resilienten Kindern wurden trotz allem  kompetente, gesunde Erwachsenen.

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