Die Pioniere der TU Graz
In Mailand atmet man Luft aus Österreich. Seit vergangenen Freitag, als die Expo 2015 eröffnet wurde, produziert der österreichische Pavillon am Weltausstellungsgelände Sauerstoff. Und zwar mehr, als die Besucher verbrauchen können. Der österreichische Beitrag ist kein Pavillon im üblichen Sinn, sondern ein dichter Naturwald. Konzipiert haben das Projekt "breathe.austria" Professor Klaus K. Loenhart von der TU Graz und sein interdisziplinäres Projektteam. Auch die Universität für Bodenkultur in Wien hat mitgearbeitet.
KURIER: Herr Professor Loenhart, wer hat den österreichischen Pavillon erfunden?
Klaus K. Loenhart: Das Team breathe.austria, sieben Leute und ich als Leiter. Wir wollen damit zeigen, dass Landschaft nicht nur ein schönes Bild ist, sondern auch etwas machen kann: nämlich Klima aktiv erzeugen.
Wie arbeitet ein interdisziplinäres Team zusammen?
Der Reichtum in unserem Team liegt im persönlichen Hintergrund der einzelnen Player. Es ist ganz wichtig, dass eine Gesprächskultur in einem Team entwickelt wird, über die sich die vielen Ideen verdichten. Das ist nicht nur eine wilde Skizze, das sind Ideen, die gemeinsam am Tisch formuliert, aufgezeichnet, geprüft und erneuert werden. Ein Prozess, der über Wochen geht.
Sie selbst sind Architekt und auch Landschaftsarchitekt.
In meiner Ausbildung habe ich bemerkt, dass es eine Trennung zwischen den Disziplinen gibt, die Dinge verhindert anstatt zu verbinden. Unsere Architekten kommen aus den verschiedensten Bereichen – das ergibt eine sehr diskussionsfähige Gemeinschaft.
Wieso hat gerade dieses Konzept die Ausschreibung gewonnen?
Weil es Zeit ist. Wir wissen alle, dass wir mit unserer Umwelt in unmittelbaren Bezug stehen, aber handeln noch nicht danach. Das Bewusstsein zu Klimawandel und Ressourcenmangel ändert sich. Wir sind dabei, neue Lösungen zu denken und umzusetzen. breathe.austria denkt ganz groß, weil es Sauerstoff produziert und kaum Energie verbraucht. Diese Themen verbinden wir mit dem einzelnen Besucher: Er geht in den Pavillon und atmet und spürt. Man muss kein Akademiker sein, um dieses Projekt zu verstehen. Hier ist es kühler, frischer, hier ist die Atmosphäre besser.
Wie viel Vorgabe geben Sie als Chef, wie viel Freiraum?
Meine Vorgaben sind Konzentration und Fokus. Wir sind alles gemeinsam Schöpfer. Es gibt keine Hierarchie, alle arbeiten zusammen. Daraus entsteht Tiefe und Dichte. Eine Plattform, auf der man entwerfen und denken kann.
Wo stößt man als Architekt bei der Gestaltung auf Grenzen?
Man muss erkennen, dass ein beschränktes Budget nicht unbedingt ein Hindernis darstellt. Die Kreativität ist bei der Erfüllung der Ziele angesprochen. Wenn alles vergoldet sein muss, wird man als Architekt nicht weit kommen. Sagt man aber, wir möchten unsere Ziele und Inhalte möglichst genau kommunizieren, kommt Kreativität ins Spiel, die nicht vom Materialistischen abhängt. Wir haben uns auf eine einzige Idee reduziert, weil wir wussten, das Budget ist begrenzt.
Wird dieses Baukonzept in den Alltag übertragen werden?
Ja, wir werden das in ein paar Jahren in den Städten finden. Wir sind in einer Zeit, in der wir unsere Beziehung zur Natur neu entdecken.
Sie haben in den USA studiert, kennen die europäische Uni-Szene. Ihr Befund der beiden Systeme?
In den USA gibt es eine große Offenheit für Ideen. In Europa haben es neue Ideen und Projekte oft sehr schwer, finanzielle Unterstützung zu kriegen. Das bremst. Wir fahren in der Forschung und Entwicklung in Europa mit angezogener Handbremse. Die Leistungsmöglichkeiten wären vorhanden, aber wir brauchen Programme, die offener fördern.
Geboren 1969 in München, Studium der Architektur in München, Landschaftsarchitektur und Architekturtheorie an der Harvard Graduate School in Cambridge, USA. Nach der Rückkehr aus den USA gründete er 2003 das Architekturbüro „terrain“ mit Sitz in München und Graz. Seit 2007 leitet er das Institut für Architektur und Landschaft an der TU Graz.
Die Expo 2015: 450 Interessenten forderten die Ausschreibung an, 56 Kreativ-Teams reichten Entwürfe ein. Eine Fachjury kürte breathe.austria von Architekt Loenhart und Team zum Siegerprojekt. Der Pavillon ist jetzt in Mailand Realität geworden.
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