Die Macht der Headhunter 

Wenn sie suchen, finden sie.
Sie mischen bei den Besetzungen der ganz großen Jobs mit, bleiben aber stets diskret im Hintergrund. Ein Blick in die Arbeit der Headhunter – und auf ihre geheimen Kunden.

Headhunter werden nie angerufen – sie rufen an. Im Auftrag ihres Klienten suchen sie die Besten für den Job. Diskretion und Verschwiegenheit sind das Um und Auf ihrer Arbeit, die immer im Verborgenen passiert. Sie sagen nichts zu ihrem Job. Und wenn doch etwas an die Öffentlichkeit dringt, sind sie: not amused.

Österreich, ein kleiner Markt, hat eine überschaubare Anzahl von Headhuntern. Wenige teilen sich den Markt (siehe Grafik). Sie alle haben jahrzehntelange Erfahrung im Executive Search, sind Branchen-Spezialisten. "Man muss schon unter diesen Top-Firmen sein, um für die großen Aufträge überhaupt in Frage zu kommen", sagt ein Headhunter zum KURIER. Sieben Kanzleien teilen sich den Markt, wobei Gundi Wentner von Deloitte sich nicht als Headhunterin, sondern als Consulterin sehen will. Sie spielt im öffentlichen Sektor eine große Rolle.

Die Macht der Headhunter 
Stanton Chase hat kürzlich den Auftrag für alle ÖBIB-Aufsichtsrat-Mandate erhalten. Korn Ferry betreute im vergangenen Jahr die OMV (CEO-Besetzung, Rainer Seele) und Uniqa. Egon Zehnder hat in der Vergangenheit viele staatsnahe Posten betreut, vergangene Woche ging die umstrittene Schönbrunn-Besetzung über deren Schreibtisch. Boyden mit Andreas Landgrebe hatte bei den Besetzungen von Hochtief und ÖBB die Finger im Spiel. Amrop Jenewein mit Günther Tengel ist Spezialist im Gesundheitssektor. Nur über Spencer Stuart findet man keine Details, gibt es auf Anfrage auch keinen Kommentar. Man munkelt, sie hätten den OMV-CFO besetzt.

Headhunting ist ein Geschäft

Ein gutes sogar. Ein Partner einer Headhunter-Kanzlei macht 750.000 bis eine Million Dollar Umsatz im Jahr. "Wobei man in Österreich mit einer Million schon in der Champions League mitspielt", erklärt ein Insider. Die Gage richtet sich nach dem Auftrag: ein Drittel des Jahreseinkommens (inkl. Sonderzahlungen und Boni) der zu besetzenden Position ist die Diskussionsgrundlage für das Honorar.

Dann wird im Schnitt drei Monate gesucht. Wird die Datenbank des Headhunters, oft 80.000 Namen schwer, durchforstet und der Markt national und international abgeklopft. Durchaus üblich ist, dass Auftraggeber Kandidaten ins Spiel bringen, mitunter auch interne Personen, weil man sie im Vergleich abgetestet wissen will – Stichwort: Benchmarking. Aus der Long List mit Dutzenden Namen wird die Short List mit drei bis fünf Personen. Über diese Personen weiß der Headhunter nahezu alles: er kennt ihre Fähigkeit, ihre Persönlichkeit, ihr Potenzial. Und vor allem: ihre Passgenauigkeit. Denn nicht immer ist der beste Kandidat auch der richtige. "Leute werden wegen ihrer Kompetenz eingestellt und wegen ihrer Persönlichkeit entlassen", sagt ein Headhunter. "Firmenlenker trennen sich, wenn die Chemie nicht stimmt." Das ist der Worst Case des Headhunters: dass ein Kandidaten nicht reüssiert, sich als Fehlbesetzung erweist, weil er sich im neuen Unternehmen nicht einfinden kann.

Die Macht des Headhunters

Die Macht des Headhunters liegt darin, im Auswahlprozess Akzente zu setzen, Personen anzusprechen (oder nicht), sie in die engere Wahl zu bringen (oder nicht), sie zu bewerten. Wobei Headhunter unisono betonen: Die Macht ist enden wollend, am Ende liegt die Entscheidungsgewalt beim Auftraggeber. Headhunter sehen sich in erster Linie als Berater. Und sie raten durchaus auch von Personen ab. "Ich bin der Agent Provocateur", sagt ein Headhunter. "Ich bringe Firmen auf neue Ideen, sage klar meine Meinung". Schlussendlich holen sich die Entscheider mit dem Headhunter eine Legitimation für die Personalauswahl, ein fundiertes Unterfutter . "Sogenannte Alibi-Mandate (Anm.: wenn der Kandidat feststeht, aber trotzdem ein Auswahlverfahren gemacht wird) gibt es", erklären alle Gesprächspartner. Man könne sich für oder gegen solche Aufträge entscheiden – aber im Nachhinein nicht so tun, als hätte man nicht gewusst, was dahinter steckt. Die Branche sei gerade ohnehin massiv im Umbruch: Am Ende werden nur die besten Headhunter übrig bleiben. Jene, die mit seriöser Beratungsleistung punkten und für den Auftraggeber ein strategischer Partner sein können.

Für die Recherche zu diesem Artikel hat die Autorin Vieraugengespräche mit acht Headhuntern geführt. Alle wollen anonym bleiben.

Stanton Chase hat kürzlich das Mandat der ÖBIB für alle Aufsichtsratsposten bekommen. Managing Partner Michael Schaumann über den Job des Headhunters.

KURIER: Warum kommt man zu Ihnen, wenn man einen Job besetzen möchte?
Michael Schaumann:
Weil man den Wunsch hat, den bestmöglichen Kandidaten am Markt zu finden.

Das wollen die Unternehmen wirklich, oder sind die Namen mitunter schon vorgegeben?
Wir haben noch nie ein Alibi-Mandat gemacht. Aber die gibt es am Markt natürlich – und man weiß das als Berater im Vorfeld. Da muss man für sich entscheiden, ob man das macht oder nicht. Naive Aussagen im Nachhinein, man hätte davon nichts gewusst, gelten nicht.

Was kann ein Headhunter bieten?
Eine akribische, nahezu hundertprozentige Suche am globalen Parkett. Den bestmöglichen Kandidaten und Beratungsleistung im Prozess.

Gibt es genügend Kandidaten in Österreich?
Nein. Wir sind bei fast jeder Suche gezwungen, über die Grenzen zu schauen.

Werden österreichische Kandidaten bevorzugt?
Ja. Das österreichische Lokalkolorit zählt. Wobei Bayern dazuzählt. Und oft heißt es: keine Norddeutschen.

Gibt es den perfekten Kandidaten oder ist das oft ein Kompromiss?
Ja, den perfekten Kandidaten gibt es. Daran arbeiten Berater und Unternehmen.

Sagen Sie Ihrem Auftraggeber, dass der von ihm ins Spiel gebrachte Kandidat nicht der beste ist?
Ja, nach Evaluierung des Marktes. Wir sind da objektiv.

Wie viel Einfluss nimmt der Auftraggeber und wie halten Sie Ihre Unabhängigkeit?
Der Auftraggeber hat die Entscheidungsgewalt. Der Berater hat extrem viele Gestaltungsmöglichkeiten, aber am Ende ist es die Entscheidung des Klienten.

Politisch turbulente Zeiten: Sind die gut fürs Geschäft? Anders gefragt: Werden jetzt schnell noch Posten besetzt?
Das weiß ich nicht. Sonderlich geschickt wäre es jedenfalls nicht. Natürlich bringen politische Wechsel viel Bewegung – da wird es für Headhunter sehr viel zu tun geben. Da muss man sich dann überlegen, ob man mitspielen will.

Sind Sie enttäuscht, wenn es „nur“ der viertgereihte Kandidat wird?
Auf der Shortlist stehen immer die Besten. Mit denen kann der Berater gut leben. Enttäuschung? Keine.

Wie melden Sie sich am Telefon, wenn Sie einen Kandidaten anrufen?
Ich rufe ganz ehrlich nicht mehr an, das machen unsere Consulter. Aber es ist unspektakulär: „Guten Tag, ich bin Headhunter bei Stanton Chase. Wir haben ein Mandat einer spannenden Firma zur Besetzung. Wir würden Sie gerne persönlich treffen.“

Gundi Wentner von Deloitte will für sich nicht den Titel „Headhunter“ beanspruchen. Sie sieht sich als Unternehmenberaterin, die Suche nach Managern sei ein Teil des Consultings.

KURIER: Was kann ein Berater einer Firma bieten?
Gundi Wentner:
Klarheit über die Anforderungen an eine Position und Person. Wir stecken ab, ob es intern eine Person geben könnte und wo wir extern suchen. In der Suche ist es dann leichter, wenn wir jemanden ansprechen – Diskretion spielt eine große Rolle.

Warum kommt eine Firma überhaupt zu Ihnen, um einen Job zu besetzen?
Um einen externen Blick auf infrage kommende Kandidaten zu haben oder für die Suche nach der neuen Person. Manchmal ist es auch eine Kombination aus beidem. Berater begleiten häufig öffentliche Ausschreibungen nach dem Stellenbesetzungsgesetz. Damit kann ein strukturierter Suchprozess verbunden sein. In jedem Fall geht es um die Einschätzung der Managementkompetenzen und die transparente, dokumentierte Abwicklungsunterstützung für den Aufsichtsrat.

Was sind Ihre Kompetenzen?
Wir liefern einen professionellen, externen Blick auf die Fach- und Leadership-Kompetenzen einer Person und schätzen die Passgenauigkeit ein.

Gibt es in Österreich genügend Kandidaten?
Es gibt kaum eine Suche, die nur in Österreich stattfindet. Meist überblickt man den deutschsprachigen Raum. Entscheidungsträger neigen aber dazu, Leute zu nehmen, die ihnen ähnlich sind – Österreicher nehmen lieber Österreicher, Männer lieber Männer. Das ist menschlich und ein Grund, warum so wenige Frauen CEO werden. Ein guter Berater kann dieses Spektrum aufmachen.

Kommt es häufig vor, dass der Kompromiss-Kandidat gewinnt und nicht die beste Lösung?
Nein. Gibt es die objektiv beste Lösung überhaupt? Es kann etwas wie die beste Lösung aussehen aber trotzdem in der Konstellation nicht passen.

Wie viel Einfluss nimmt der Auftraggeber und wie halten Sie als Berater Ihre Unabhängigkeit?
Ich habe einen klaren Auftrag – und das ziehe ich durch. Wenn jemand nicht beraten werden möchte, kommt er erst gar nicht zu mir. Und wenn es Risiken gibt, sage ich das.

Politisch turbulente Zeiten: Sind die gut fürs Geschäft? Werden jetzt noch schnell Posten besetzt?
Nein. Wie sollte das gehen? Man kann nicht schnell besetzen, weil es überall bestehende Verträge gibt. Es ist in Österreich nicht üblich, dass man aus politischen Gründen Menschen kurzfristig aus Positionen entfernt und durch andere ersetzt.

Ist es für Ihre Arbeit hinderlich, wenn eine Besetzung in den Medien besprochen wird, man spekuliert?
Das spielt für uns keine Rolle, wir reden sowieso mit niemandem darüber. Und uns ruft deshalb auch nie jemand an.

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