Die fantastischen Vier für den Mitarbeiter-Fang

Die fantastischen Vier für  den Mitarbeiter-Fang
Wie kommen Firmen an die besten Köpfe? 11.000 HR-Chefs weltweit sagen: es kommt nur auf vier Faktoren an.

War for Talents: der Begriff, der 1997 erstmals in einer McKinsey-Studie aufgetaucht ist, ist aus den Strategie-Papieren der Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Er besagt: Firmen müssen sich ins Zeug legen, um attraktiv für die talentiertesten Köpfe, die High Potentials, zu sein. In den Nullerjahren wurde der „War for Talents“ geradezu inflationär verwendet, er war dominierendes Thema der HR-Etagen. Heute, 2018, hat er immer noch Priorität. Firmen müssen ihr Bestes geben, um auch die Besten zu kriegen.

Auch in Österreich sieht man immer mehr: Der Standort muss sich mit dem Fachkräftemangel außereinandersetzen. Die heimischen Ärzte etwa wandern ins Ausland ab, acht von zehn Industrie- und Technikbetrieben fehlt es an qualifizierten Mitarbeitern, die Gastronomie und Hotellerie von Bregenz bis Wien beklagen fehlendes Personal. Der demografische Wandel – Familien bekommen heute weniger Kinder als früher – tut sein Übriges.Die Frage, wie Unternehmen jetzt die besten Leute holen und an sich binden, hat sich auch das Beratungsunternehmen Deloitte gestellt – und will mit der neuen Global Human Capital Trends 2018-Studie ein Weckruf für Firmen sein. Für den globalen Bericht wurden 11.000 HR-Chefs und CEOs, 100 davon aus Österreich, zu den Faktoren befragt, die Arbeitgeber attraktiv machen. Die Experten haben vier zentrale Punkte identifiziert, mit denen Unternehmen im War for Talents reüssieren können. Reüssieren müssen, um künftig bestehen zu können.

1. Individuelle Bezahlung

Unternehmen haben längst erkannt: Glückliche Mitarbeiter sind motivierter und deshalb auch produktiver. Die Schwierigkeit ist nur nach wie vor, herauszufinden, was genau sie glücklich macht. Ein höherer Bonus? Ein moderneres Smartphone? Eine ausgewogenere Work-Life-Balance? Die Antwort ist wohl: Jeder braucht etwas anderes für sein Glück. Und genau das sollen Firmen identifizieren und für sich nutzen, so die Empfehlung der HR-Chefs in der Deloitte-Studie. 37 Prozent der Befragten befinden individuelle Belohnung  für sinnvoll  – aber nur neun Prozent wollen diese Herausforderungen auch angehen. „Das ist ja auch ein bisschen Zukunftsmusik“, erklärt Christian Havranek, Partner bei Deloitte Consulting. Was Firmen jetzt schon  jedenfalls tun müssten, ist: „Den Begriff Gehalt weiterfassen. Zum Belohnungspaket  gehört viel mehr.“ Etwa: Lernen. „Die Leute kommen von den Unis und die haben ihnen viel geboten. Die Firmen sollten in puncto Bildungserfahrung nicht unter diesem Level sein.  Die Talente fragen sich nämlich: Wird mein Marktwert höher, wenn ich bei dieser Firma arbeite?“, so Havranek. Aber auch flexible Arbeitszeiten, modernes Equipment und selbstbestimmtes Arbeiten gehörten zu einem modernen Belohnungs-System dazu.

2. Beste Ausstattung

Für drei Viertel der 11.000 befragten HR-Chefs ist sonnenklar: An der Automatisierung, künstlichen Intelligenz und Robotik kommen Unternehmen, so sie erfolgreich sein wollen,  nicht vorbei. Nur ein Drittel der Befragten kann mit diesen Trends aber auch sinnvoll umgehen. Gleichzeitig ist der Tenor unter den Befragten auch: Wir brauchen künftig mehr denn je kognitive, menschliche Kompetenzen und Social Skills in den Betrieben. Wie sollen sich Unternehmen hier positionieren? Was erwarten die High Potentials von ihnen in puncto Technologien?
„Das ist heute die große Kunst: Herauszufinden, wie ich Technologie in mein bestehendes Geschäftsmodell einbinden kann, sodass ich damit auch Geld verdiene. Es ist wahnsinnig schwierig, sich zu entscheiden, ob man in Technologie investiert oder nicht.“ Mitarbeiter jedenfalls würden nicht zwingend dieses große Ganze hinterfragen  – für sie ist vor allem die Ausstattung am Arbeitsplatz wichtig. „Das Thema ,bring your own device‘ gehört heute dazu. Es wäre fein, wenn Mitarbeiter ihre Arbeit auch mal von ihrem eigenen Apple-Computer erledigen könnten, von überall Zugriff auf die Firmendaten und Tools hätten.“  Vor allem für junge High Potentials zähle „eine ordentliche Ausstattung“, wie Havranek es nennt, zu den Entscheidungskriterien für oder gegen  einen Job beim potenziellen Unternehmen. Dessen sollten sich Firmen bewusst werden.

3. Soziales Engagement ermöglichen

Die Erwartungshaltung der Gesellschaft an Unternehmen wächst. Nicht nur sollen Firmen heute profitabel wirtschaften und ein guter Arbeitgeber sein. Wer etwas auf sich hält, tut jetzt auch noch Gutes und redet (zunehmend in den Sozialen Medien) auch darüber. 77 Prozent der befragten HR-Chefs  finden: Soziale Verantwortung ist ein wesentlicher Bestandteil einer Unternehmenskultur. Doch nur 18 Prozent räumen diesem Thema auch einen Platz in ihrem Strategiepapier ein. Schade, denn High Potentials legen bei der Jobsuche  heute Wert darauf,  gesellschaftliches Engagement von Unternehmen entscheidet künftig zum großen Teil über ihre Attraktivität als Arbeitgeber. „Viele angehende Mitarbeiter erkundigen sich und schauen viel kritischer als früher hin, was das potenzielle Unternehmen in der Wirtschaft und Gesellschaft tut“, bestätigt auch Christian Havranek.  „Corporate Social Responsibility, also die unternehmerische Sozialverantwortung, erlangt eine wichtigere Bedeutung.“


Der Umgang von Firmen mit dem Thema sei jedoch noch viel zu oft hölzern und künstlich, bemängelt der Deloitte-Experte. „Firmen  sind sehr unsicher, was die Kommunikation nach außen angeht. Manche übertreiben es völlig, manche spielen ihre Leistungen wieder total herunter.“ Besser wäre: Selbstbewusst zu kommunizieren. „Wir informieren über neue Kunden, neue Produkte, und eben auch über unsere Aktivitäten auf diesem Bereich.“
Der Arbeitgeber müsse künftig also jedenfalls in Sachen soziale Verantwortung Stellung beziehen, eine Haltung entwickeln. „Man muss sich im Management fragen: Wo würde es sich anbieten, wo ist es uns auch ein Bedürfnis, Gutes zu tun?“, sagt Havranek. Ob bei einem Mitarbeiter-Marathon mitlaufen,  Spenden sammeln oder Sand für den neuen Spielplatz des Kinderheimes  aufschütten: „Wohltätige Aktivitäten sollten für Unternehmen keine  Camouflage sein, es muss schon zu ihnen  passen.“ Ob das so ist oder nicht, merke man gut daran, ob die Mitarbeiter bei diesen Aktivitäten selbst mitziehen. „Es wäre schön, wenn ich als Mitarbeiter drei Möglichkeiten hätte, mich gemeinsam mit meinem Unternehmen bei Projekten zu engagieren.“

4. Wissen an andere weitergeben

Jedes zweite, heute Neugeborene soll    einmal  100 Jahre alt werden, prophezeien   Zukunftsforscher. Über kurz oder lang werden wir auch  länger im Arbeitsleben verhaftet bleiben. Gleichzeitig bewirkt ein demografischer Wandel, dass weniger Junge auf den Arbeitsmarkt nachkommen – Karrieren werden sich also verändern. Diese Kombination stellt Firmen vor  Herausforderungen. Wer sie  bewältigt, positioniert sich als attraktiver Arbeitgeber, so die Ergebnisse der Deloitte-Studie. „Im Moment sehen  wir in den Unternehmen  vier Generationen, die zusammenarbeiten. War früher aber klar, wer ,Meister und Lehrling‘ ist, verschwimmen die Rollen heute stark“, erklärt Christian Havranek. Sein Tipp an Unternehmen, diese  Masse an Arbeitseinstellungen und Wertvorstellungen nicht nur zu managen, sondern auch zu Höchstleistungen zu bringen:  „Reverse Mentoring. Die Älteren sollen von den Jungen lernen.“ Sinnvoll ist das etwa beim Umgang mit neuen Technologien oder  den Sozialen Medien. „Als Führungskraft muss ich anerkennen, dass ich hier eine Arbeitsgeneration habe, die das Internet ganz intuitiv beherrscht. Im Gegenzug will ich auch Mitarbeiter mit 50-Plus, die  nicht hinterherhecheln, sondern auch etwas lernen wollen.“ Havranek plädiert deshalb für inklusives Führen.


Obwohl es  immer mehr Ältere in den Betrieben geben wird, unterschätzen die Firmen diese Ressource heute noch.  Die Hälfte der Studien-Befragten sieht keine Karriereschritte mehr für sie vor, 15 Prozent sehen sie sogar als Bremse. Zukunftsträchtig ist das nicht. Was also tun, um dieses Humankapital besser zu fördern? Havranek: „Ich wäre für eine obligatorische Weiterbildungs-Lernwoche schon ab dem 40 Lebensjahr.“ 

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