Die allererste Prüfung

Die allererste Prüfung
Bevor sie Publizistik studieren dürfen, müssen Bewerber zum Test. Völlig umsonst.

Larissa sitzt auf einer Bank vor der Messe Wien. Sie legt sich ein Zigarettenpapier auf die Knie und bröselt Tabak darauf. Ihre Hände zittern. „Vor einem Jahr wollte ich auch schon Publizistik studieren. Hätte ich das damals gemacht, müsste ich heute nicht dasitzen“, ärgert sie sich. Abgeschreckt von der Ankündigung einer Aufnahmeprüfung melden sich vergangenes Jahr weniger Bewerber an, als es für das Fach Plätze gibt. Die Prüfung wird im letzten Moment abgesagt. Viele der heurigen Bewerber hoffen, dass sich das Szenario wiederholt. Diese Hoffnung wird nicht erfüllt. Nur knapp jeder Zweite wird nach dem heutigen Aufnahme-Test Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien studieren dürfen, so die strenge Quote.

Die allererste Prüfung
Neben Larissa drängen sich ein Mädchen und seine Mutter auf der Bank. Um sie herum auf dem Vorplatz stehen Hunderte andere Menschen. Sie schweigen, blättern in Skripten, tippen in ihre Smartphones. Sie schauen immer wieder auf die Uhr und durch die verglasten Wände des großen, leeren Eingangsbereichs. Es ist halb neun Uhr morgens, es nieselt. In drei Stunden haben alle die Prüfung hinter sich gebracht. Was sie jetzt noch nicht wissen: Aufgenommen werden sie alle.

Schwerer Canossagang

Als das Sicherheitspersonal von innen die Drehtüren entsperrt, drängt sich die wartende Masse grüppchenweise durch. Sie verstreut sich im Eingangsbereich, viele Bewerber eilen direkt zum schmalen Durchgang, der zum Securitycheck und dem Prüfungssaal führt. Drinnen sehen sich die Bewerber ängstlich um. „Wo sollen wir hin?“ „Was? Dort ganz nach hinten?“ Fragende Gesichter unter den Mitbewerbern. Ja, dort ganz nach hinten. Der Securitycheck ist gut 60 Meter entfernt – zögerlich treten sie den Canossagang an. Niemand darf mehr als einen schwarzen Kugelschreiber, einen Ausweis und eine Jause in einem durchsichtigen Sackerl in den Prüfungsbereich mitnehmen. Larissa gibt ihre Jacke ab und packt ihr Essen um. „Scheiße“ sagt sie und hält die Luft an, als sie die 4000 vorbereiteten Tische sieht.

Bewerber unter Druck

Ein Monat lang hat sich Larissa auf den Test vorbereitet. Sechs Zentimeter dick sollen ihre Lernunterlagen gewesen sein. Sie setzt sich an einen Tisch zu einem jungen Mann. Viele gibt es hier von ihnen nicht, dreiviertel der Bewerber sind Frauen. Auf Nachfrage teilt er seinen Traubenzucker mit ihr. Über mehr reden sie nicht.

Auch sonst redet niemand. Nur eine Stimme des Prüfungsverantwortlichen dröhnt ab und an durch die Halle. Er steht auf einer kleinen Bühne mitten in den Tischreihen und zählt die Minuten zum Prüfungsbeginn runter. Wo man hinsieht, überall Aufsichtspersonal in gelben T-Shirts. Doch das interessiert die Prüflinge in diesem Moment nicht. Sie alle haben schon längst die neben der Bühne gestapelten Prüfungsbögen anvisiert. „Noch fünf Minuten“, hallt es. „Dann starten wir“.

Druck völlig umsonst

Gleichzeitig warten auch in Salzburg Hunderte Bewerber auf ihre Prüfungsbögen. Auch in Klagenfurt hätten sie eigentlich warten müssen. Doch der Mythos Aufnahme-Test macht Bewerbern Angst: Klagenfurt sagt ihn wieder ab, in Salzburg kommen nur 176 Bewerber – für 226 Studienplätze. Vielsagend ist auch das Ergebnis in Wien: Von 1900 Anmeldungen trauen sich nur 736 Bewerber zu kommen.

Einige Tage später sagt Uni-Wien-Rektor Heinz Engl, er überlege sich Anmeldegebühren für die Prüfung einzuheben, um sie verbindlicher zu machen. ÖH-Vorsitzender Florian Kraushofer kontert, dies wäre verfassungswidrig. Wie die Regulierung der Zugänge weitergeht, ist also noch unklar. Klar ist bloß, dass Hunderte junge Menschen in ganz Österreich wochenlang einer für sie zukunftsweisenden Prüfung entgegenfiebern, nur um eine Minute vor Beginn dieser zu erfahren, dass sie ohnehin alle einen Platz bekommen.

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