Der Wasser-Mann aus Bad Vöslau
KURIER: Herr Hudler, schauen Sie sich jeden Tag die Großwetterlage in Österreich an?
Alfred Hudler: Nein, sonst würde ich nervenkrank werden. Ich habe gelernt, die Dinge, die man nicht beeinflussen kann, mit Gelassenheit hinzunehmen.
Wie sehr schwankt der Absatz von Mineralwasser zwischen 15 Grad und 35 Grad Außentemperatur? Angabe in Litern bitte.
Das kann das Doppelte sein. An normalen Tagen liefern wir eine Million Liter Wasser aus, an heißen Tagen bis zu zwei Millionen.
Das klingt, als wäre Wasser ein Produkt auf Bestellung, das frisch zum Konsumenten kommt.
Wir halten einen Lagerstand für zwei Wochen. Wenn’s heiß wird, ist der Verkauf sehr hoch, quasi vom Förderband auf den Lkw.
Wieso kauft man in einem Land mit bester Trinkwasserqualität im Supermarkt stilles Wasser?
Nicht überall ist das Trinkwasser so gut wie man glaubt. Zudem hat sich der Konsum geändert: On-the-go wird stärker. Die Menschen sind mobil, haben den Wasserhahn nicht immer dabei.
Man macht sich über Kapselkaffee Gedanken, dass ein Kilo Kaffee über 70 Euro kostet. Ein Kubikmeter Hochquellwasser kostet 1,8 Euro, ein Kubikmeter Vöslauer 500 Euro. Sie müssen ein Genie ein: Sie verkaufen etwas um teures Geld, das fast gratis aus der Leitung kommt.
(lacht) Wir sind noch nicht so weit, dass wir Schwimmbecken befüllen – und rechnen deshalb in Litern, nicht in Kubikmetern. Den Menschen ist wichtig, was sie in sich hineinschütten. Deshalb kann man stilles Wasser verkaufen.
Gibt es solche Anfragen: ein Schwimmbecken mit Vöslauer zu befüllen?
Noch nicht konkret. Aber es ist eines meiner Lieblingsprojekte, das ich seit Jahren andenke: Vöslauer kommt mit dem Tankwagen und befüllt den Pool.
Zur Umwelt: Sie haben die Glasflasche neu aufgelegt. Sind sie zufrieden mit dem Verkauf?
Glas entwickelt sich stetig, hat aber lange nicht die Mengen der PET-Flasche. Glas ist noch ein kleiner Bereich, Marktanteil etwa 20 Prozent.
Auf EU-Ebene wird das Plastiksackerl reguliert, kommt das auch für die Plastikflasche?
Bei der Plastikflasche wird das aus meiner Sicht nicht kommen. Es gibt keinen Grund in Österreich PET-Flaschen zu regulieren, unsere Konsumenten haben eine hohe Sammelmoral und es gibt ein großes Recycling-Bewusstsein.
Italienisches Wasser in Australien, österreichisches in Deutschland: Wie sinnvoll ist es, Wasser durch die Länder zu schippern? Sie wollen die Exportquote von 10 auf 15 Prozent steigern.
Sehr wichtige Frage, mit der wir uns auch intensiv beschäftigen. Wir wollen wachsen, das ist eine Überlebensfrage, haben aber beschlossen, unseren Radius enger zu ziehen. Wir haben den Verkauf in Japan bewusst eingestellt, auch in Taiwan. Unsere Strategie ist es, uns auf die Nachbarländer zu konzentrieren. Weil die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt sich natürlich.
Vielleicht haben Sie Japan ja eingestellt, weil es nicht gut gelaufen ist?
Es ist schon gegangen. Wir konnten dort sogar die hohen Transportkosten einpreisen, das haben die Konsumenten bezahlt. Der Markt in Japan ist ganz anders: die lassen sich das Wasser in Containern direkt nach Hause liefern.
Sie ziehen den Radius künftig eng um die Quelle.
Ja, wir wollen den Fokus auf Ungarn, Deutschland und die Benelux-Länder legen.
Kaufen Konsumenten die Marke oder die Aktion?
Die Marke, das ist meine tiefste Überzeugung. Die Marke ist alles: Optik, das Handling, Haptik, bei uns auch das Thermalbad und das Image.
Apropos Image: Braucht man internationale Superstars, um in Österreich Wasser zu verkaufen?
Jeder hat einen anderen Zugang in seiner Werbelinie. Wir haben mit Claudia Schiffer vor Jahren begonnen. Das war für die Marke ein ziemlicher Durchbruch. Vöslauer war bis dahin bekannt und vertrauenswürdig, aber auf einmal waren wir international und glamourös.
Was kostet Sienna Miller?
Ich darf es nicht sagen, das ist vertraglich verboten. Ich höre immer, diese internationalen Stars müssen doch wahnsinnig teuer sein. Ich habe da einen anderen Zugang: Wir investieren – und wenn es erfolgreich ist, können wir das zurückverdienen. Bisher hat das gut geklappt.
Sie haben es auf 40 Prozent Marktanteil geschafft, sind seit 1999 Marktführer. Ist es schwieriger, Marktführer zu werden oder zu bleiben?
Es ist beides gleich schwierig. Als ich zu Vöslauer gekommen bin, hatten wir 15 Prozent, der damalige Marktführer 30. Branchenkollegen haben mir damals auf die Schulter geklopft und gesagt: "Eh schön, was ihr macht. Schön, dass es euch auch gibt, Burli." Solche Aussagen spornen mich irrsinnig an. Ich bin also im internen Vertriebsmeeting vor die Belegschaft getreten und habe gesagt: "Wir werden Marktführer!" Da haben sich viele gewundert und den Kopf geschüttelt. Aber ich war Jäger. Eine gute Rolle für mich.
Sie haben das Sortiment stark erweitert. Früher gab es ein einziges Wasser, heute viele verschiedene im Sortiment. Schaut man sich das ab oder fällt einem das ein, wenn man im Thermalbad sitzt?
Ich bin damals viel in die großen Wassermärkte gereist – Frankreich, Italien, USA –, um zu sehen, was die machen. Und dann habe ich mir immer wieder Inspirationen von ganz anderen Branchen geholt. Etwa aus dem Koffermarkt: Die Idee für den Tragegriff.
Still, mild, prickelnd, superprickelnd, Fruchtgeschmäcker mit und ohne Kalorien – was ist der nächste große Trend beim Wasser?
Wir glauben: Gemüse – wir probieren gerade Gurke auf dem Markt aus.
Rückblickend auf 25 Jahre Vöslauer: Was war strategisch oder bei einer Entscheidung ein totaler Schlag ins Wasser?
Große Fehler gibt es, man muss sie aber immer relativieren. Sich fragen: Hängt davon das Leben oder das Leben der Firma ab? In den meisten Fällen tut es das nicht. Ein Beispiel für einen Misserfolg: Wir haben vor ein paar Jahren Bitter-Getränke eingeführt. Ich war davon total überzeugt. Nach drei Jahren mussten wir sie wieder einstellen. Wir sind das einfach falsch angegangen in der Verpackung, im Design, in der Distributionsstrategie.
Zu ihrer Karriere: Ihr Lebenslauf besteht aus elf Zeilen. Sie sind ewig bei Vöslauer. Liegt das an ihrer Betriebstreue oder hat es sich nicht anders ergeben?
Es gab Angebote, aber es war hier immer spannend. Ich hinterfrage ständig, ob das, was wir mit der Marke machen, gut ist. Und ich tue das auch bei mir. In meinem Büro hängt ein Spruch: "Man sollte nie so viel zu tun haben, dass man keine Zeit zum Nachdenken hat". Ich achte darauf, dass ich viel zum Denken komme.
25 Jahre bei einem Unternehmen sind wirklich ungewöhnlich. Warum so lange?
Weil ich auch jetzt noch das Gefühl habe, dass ich noch wahnsinnig viel machen kann. Wir sind ein österreichisches Unternehmen, das alles selbst entwickeln, entscheiden und umsetzen kann. Man lässt uns tun, wir sind frei, ohne Konzernzentrale, die uns dirigiert. Das kommt mir sehr entgegen. Wir können schnell sein, Dinge ausprobieren. Wir sind ein kleiner, verschworener Haufen mit viel Herzblut. Das habe ich in all den Jahren versucht, jedem einzelnen Mitarbeiter einzuimpfen.
Was ist der Vorteil einer langen Zugehörigkeit?
Man erlebt viel, das erzeugt eine große Gelassenheit. Man sollte nicht nervös werden, wenn man ein paar Jahre bei einer Firma ist.
Sind Sie der bessere Marketer oder der bessere Verkäufer? Zu welchem Weg würden sie einem jungen Menschen raten?
Ich würde raten, beides zu können, aber vor allem den Verkauf gut im Griff zu haben. Dort lernt man wahnsinnig viel. Ich war bei der Austria Tabak und bin wochenlang von Trafik zu Trafik gegangen, habe Memphis buchstabiert und Zigaretten verkauft. Ich war auch in Südafrika und habe dort drei Monate lang Gurkenhobel auf Messen verkauft. Ich sage Ihnen: da lernen Sie fürs Leben.
Wie sehr ist man als Verkäufer äußeren Einflüssen ausgeliefert? Anders gefragt: Akzeptieren Sie bei ihren Mitarbeitern schlechtes Wetter als Grund für schlechte Verkaufszahlen?
Nein, sicher nicht. In unserem Geschäft ist der Kuchen mal kleiner, mal größer. Aber auch dann muss man schauen, dass man einen möglichst großen Anteil am Kuchen hat. Und ich fordere Einfallsreichtum. Wir müssen wie die Gallier sein: schlauer, gefinkelter, die besseren Ideen haben.
Sie waren Handball-Nationalspieler und an der INSEAD Fontainebleau – was hat mehr gebracht?
(lacht) Wie soll ich das vergleichen? Ich bin stark vom Sport geprägt, habe Handball ab meinem 10. Lebensjahr als Leistungssport betrieben. Deshalb wohl die starke Fokussierung. Ich kann Grenzen hinausschieben, habe Kampfgeist, eine Gewinnermentalität. Das war in Fontainebleau ähnlich: eine Ausbildung wie ein Intensivtrainingslager. In mir steckt der Antrieb des Leistungssportlers.
Paris, Malta, London – wie tut man sich in Bad Vöslau mit 11.700 Einwohnern?
Ich bin eine Stadtpflanze, wohne deshalb in Wien. Bad Vöslau ist schön, aber ich würde nicht hierher ziehen wollen.
Ihr Lieblingswinzer für den besten Spritzer?
Die Frage darf ich nicht beantworten. Ich habe zu viele Winzerfreunde.
Dr. Alfred Hudler, Jahrgang 1959, ist seit 1991 bei Vöslauer, seit 1995 Vorstand. 1999 übernahm Vöslauer unter seiner Führung die Marktführerschaft. Seine Karriere startete er 1985 bei der Austria Tabak, er leitete Tochtergesellschaften in England und Malta. Der Wiener hat ein BWL-Studium abgeschlossen und ein Postgraduate-Studium an der INSEAD Business School Fontainebleau absolviert. Er ist begeisterter Sportler, war als Handball-Spieler im Nationalteam. Alfred Hudler ist verheiratet und Vater eines Sohnes.
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