Der Stoff, aus dem Träume sind

Der Stoff, aus dem Träume sind
Johannes Lerch liebt Tyvek. Damit macht er Taschen, die gerade die Stadt erobern.

Früher hat er mit Schmalfilmen gearbeitet. Die Filmrollen musste er in spezielle Kuverts aus Tyvek packen und verschicken. Bei jedem Kuvert, das er in die Hand nahm, derselbe Gedanke: "Dieses Material ist so schön, man will es immer wieder angreifen." Johannes Lerch hat sich in Tyvek verliebt. Der Beginn einer Geschäftsidee.

Tyvek ist ein gewebter Vliesstoff, sieht aus wie Papier, ist aber wasserfest und reißfest. Nur wenige Firmen produzieren Tyvek, vor allem in der Filmindustrie wird damit verpackt.

Den Filmjob ließ Johannes Lerch hinter sich, er widmete sich, damals in Berlin lebend, dem Tanz und der Fotografie. Beides brachte nur wenig Geld. Und während die Zeit verging, Tyvek blieb in seinem Gedächtnis. "Ich war wieder mal ohne Geld und habe mir ein Täschchen für meinen Tabak genäht. In einem Park in Berlin sind Leute mit dem Fahrrad stehen geblieben, um mich darauf anzusprechen", erzählt er mit fröhlichen Augen. Auch die Freunde in der WG haben nachgefragt und wollten es kaufen, er entwickelte die Täschchen weiter, fing im großen Stil zu nähen an.

Johannes Lerch musste aber erkennen: "In Berlin hatte ich mit meiner Idee keine Chance." Zu viele Kreative sind dort an einem Ort, zu viele Ideen, ein völlig gesättigter Markt. Und es ist kein Geld vorhanden – Berlin ist keine reiche Stadt. So sehr er die Inspiration und den kreativen Austausch genoss, Johannes wusste: Seine Taschen würden wenn, dann nur in Wien funktionieren.

Nach seiner Rückkehr nach Österreich wollte er anfangs wieder einen anständigen Job. Der stellte sich nicht ein, Lerch musste beim AMS vorstellig werden. "Aus einem Impuls heraus habe ich mich für den Feschmarkt angemeldet. Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Sich fremden Menschen zu präsentieren – ich hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen vor Aufregung." Das war im November 2013 – und die Menschen am Feschmarkt waren begeistert. "Sonntagabend bin ich dann daheim gesessen, habe das Geld aus den Verkäufen gezählt und wollte nur eins: mich vom AMS-Kurs, der am nächsten Tag beginnen sollte, abmelden."

Am nächsten Morgen griff er zum Telefon: "AMS, ich komme nicht."

Der Selbermacher

Seit November konzentriert sich Johannes Lerch ausschließlich aufs Nähen seiner Täschchen. Jedes einzelne Stück ist von ihm und per Hand gefertigt. Dafür macht er sich einen peniblen Zeitplan: "Ich kann hundert Taschen pro Tag schaffen, da sitze ich mit der Stoppuhr, mache alle 1,5 Stunden eine Pause und Rückengymnastik – und freue mich über jede Minute, die ich einspare. Wenn ich schneller nähe, kann ich mehr schlafen", sagt er. Lerch näht zu Hause, in seiner Wohnung im 10. Wiener Bezirk. Dort bedruckt er auch die Täschchen selbst. Er ist sparsam, verkauft gut, die Umsätze gehen stetig nach oben. Viele Kanäle kann er gar nicht mehr befüllen, so groß ist die Nachfrage.

Was Vertrieb und Marketing angeht, hat er keinen Plan. Er geht von Geschäft zu Geschäft, oft mit Erfolg, dann werden seine Täschchen ins Sortiment aufgenommen. Auch Internet-Plattformen verkaufen seine Produkte (etwa: fromaustria.com), aber Lerch ist sicher: Tyvek muss man angreifen, um zu erkennen, wie toll es ist.

Wie lang er die Produktion noch selbst machen kann, weiß er nicht. Seine Kapazitäten erreichen jetzt schon eine Grenze. Die Liebe zum Produkt hält ihn aber davon ab, auszulagern. "Ich möchte jedes Stück selbst machen, so lange es irgendwie geht." Lerch schaut sich bereits nach sozialen Werkstätten um. So könnte er auslagern und gleichzeitig etwas Gutes tun, beruhigt er sich selbst.

Für den Sommer plant Johannes Lerch neue Produkte, auch welche mit Farbdruck. Fast jedes Wochenende ist er auf einem Fashionmarkt, stellt aus, verkauft. Nächstes Wochenende wieder, am Feschmarkt in der Ottakringer Brauerei. Da wo alles begann.

  1. Es geht nicht ohne Rückhalt.
    Bei mir ist es die Mama, die hilft immer, wenn ich sie brauche. Sie schneidet mir Reißverschlüsse zu, macht mir Essen, wenn ich zu gar nichts mehr komme. Und gute Freunde: Sie haben mir das erste Marketing gemacht, indem sie meine Taschen in ihrem Bekanntenkreis herumgezeigt haben.
  2. Warte auf den richtigen Moment.
    Eine Idee entwickelt sich, nach und nach, bis zu diesem entscheidenden Moment, wo man denkt: Ja, so könnte das funktionieren. Da will man wissen, ob es geht. Da wird die Neugier darauf riesig.
  3. Plane und sei offen.
    Ich werde oft gefragt, wie man das alles allein schaffen kann. Aber ich fühle mich nicht allein, weil ich viel nach außen kommuniziere und ständig unter Menschen gehe. Ich habe Ziele und Pläne, weiß aber, dass nicht immer alles nach Plan läuft. Also halte ich meine Augen offen und nütze Chancen.
  4. Rechne sehr genau.
    Ich habe einen umfassenden Businessplan für drei Jahre und mache für jedes einzelne Produkt eine genaue Kostenrechnung. Ich weiß also: Wie viel kann ich nähen und wie viel muss ich nähen, damit es sich ausgeht. Ich notiere auch jede Ausgabe, jeden kleinen Kaffee schreibe ich ins Büchlein.
  5. Bei Problemen schnell handeln.
    Wenn was schief läuft, überlege ich, warum es nicht geklappt hat. Und schaue mir sehr kritisch an, wo und wie ich es künftig anders machen muss und wie ich schon im Vorfeld gegensteuern kann.

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