Der Herr der Stadt-Oase
Die Unternehmensberatung ist’s für Clemens Hromatka einfach nicht. Also schmeißt der 31-jährige Wiener vor anderthalb Jahren seinen Prestige-Job hin. Sein Traum ist ein anderer. Sein Drang, sich in ein Abenteuer-Projekt zu stürzen, besiegt die Vernunft. Ohne Vorerfahrung im Einzelhandel springt er ins kalte Wasser und schreibt einen Business-Plan, pitcht bei Investoren um Startkapital, trommelt ein kleines Team zusammen und konzipiert. Vorerst. „Dann kam der Zeitpunkt, an dem ich das Ganze Vollzeit betreiben wollte“, erzählt er rückblickend. „Und jetzt merk’ ich – es ist auch ein Fulltime-Job.“ Es geht um das „Stadtbiotop“, das Clemens Hromatka in den vergangenen zwei Monaten in Wien aufgebaut und davor anderthalb Jahre lang geplant hat. Das Pop-up-Container-Dorf, das in der Form bis Juni 2015 existieren und danach den Standort wechseln soll, macht seinem Namen alle Ehre. Es ist ein Ort zum Essen, zum Relaxen, zum Trinken, zum Shoppen, zum Gärtnern (Urban Gardening) – eine Oase, die vor allem Hipster-Herzen höher schlagen lässt.
Chef für alles
Was genau Hromatkas Job in Wiens Neo-Stadtteil ist? „Alles. Das ist bei einem Start-up Entrepreneur halt so“, sagt er. Als Chef packt er überall mit an, auch beim Umbau der Container, aus denen kleine Läden werden, werkt er mit. Die Standortsuche für sie erwies sich als schwierig. Freie Flächen für ein Pop-up-Dorf sind in Wien rar. Entschieden hat er sich letztlich für die Schotter-Fläche, die auf eine Bebauung wartet, zwischen der Trabrennbahn und der WU. Schlau – ringsum Bürohäuser, davor die Uni, Besucher sind ihm sicher. Noch ist Hromatka im Testbetrieb und trotzdem kommen am Abend täglich 200 bis 300 Gäste zu den wenigen bereits geöffneten Gastronomie-Containern vorbei, sagt er. Kommenden Mittwoch ab 17 Uhr eröffnet das „Stadtbiotop“ im zweiten Bezirk dann offiziell. In Gastro-, Shop- und vielen kleineren Containern, deren Angebot ständig wechseln soll, sollen die Besucher dann ihr Glück finden. Mit dabei sind unter anderem die Marken Kurt Frozen Jogurt, Adidas, Möbeldepot, Herzog+Kiem, Anna’s, Cargo und viele Jungdesigner. Jeder Unternehmer hat eine Fläche von acht Quadratmetern zur Verfügung – „die ideale Größe für einen Verkaufsstand“, sagt Hromatka. Einmieten können sich die Kreativen mit 250 bis zu 2500 Euro, je nach Dauer ihres Verbleibens – einige Plätze sind noch verfügbar.
Konzepte aus dem Nichts
Die Kreativen werden sich wohlfühlen – Upcycling, wohin das Auge reicht. Man verkauft aus Containern, hockt beim Essen auf Europaletten und alten Klassenzimmer-Stühlen und kann auf den 55 dorfeigenen Grünflächen eigenes Obst und Gemüse anbauen. Etwas Eigenes aufbauen und sich daran austoben macht auch Hromatka Spaß. „Aber der Ausgang ist ungewiss“, lacht er. „Man ist nie 100-prozentig zufrieden und reich werde ich damit auch noch nicht. Aber das nimmt man halt in Kauf, wenn man dafür sein eigener Herr ist und die eigene Idee umsetzen kann.“ Und diese ist gut. Pop-up-Retail ist in, temporäre Verkaufsflächen stehen Eventmachern, Shoppingcenter-Betreibern oder Besitzern von leer stehenden Grundstücken oft zur Verfügung. Auf der anderen Seite warten die Pop-up-Konzepte-Macher auf eine Gelegenheit, diese freien Flächen für ihre Zwecke zu mieten. „Mittlerweile ist diese Idee auch in Österreich angekommen – und dieser Trend bleibt.“ Er passt eben zu unserem Lebensstil: lieber kurzfristiger, lieber schneller. So ein Projekt büßt zwar den Charme der Wiener Tradition ein, gewinnt seine Zielgruppe der 20- bis 40-Jährigen aber mit Innovation, Lässigkeit und eben der Kurzfristigkeit. Denn was aus dem Nichts aufpoppt, verschwindet auch wieder. Man will es ausnutzen, solange es da ist – bevor es wieder weiterzieht.
Weitere Infos zum Stadtbiotop gibt es hier; http://www.stadtbiotop.at
1. Bei einem Start-up muss man auf sein Bauchgefühl hören und an seine Idee glauben. Dabei muss man so überzeugend wie nur möglich sein. So findet man immer einen Weg, alles umzusetzen.
2. Es braucht gute Leute, mit denen die Zusammenarbeit funktioniert. Seien es die Investoren oder die Mitarbeiter – es muss einfach passen. Ich bin selbst ein Team-Player und merke, es braucht ein gutes Team, das miteinander kann, harmoniert. Ich hatte einen Investor, mit dem die Zusammenarbeit nicht funktioniert hat – den habe ich heute zum Beispiel nicht mehr. Man muss eben genau schauen, mit wem man sich in ein Bett legt.
3. Businessplan machen, gut und echt pitchen, heutzutage geht es nicht ohne eine sehr gute Vorbereitung.
4. Man muss sich bewusst machen, dass Selbstständigsein mit sehr viel Arbeit verbunden ist. Man muss die Nerven bewahren, manches entwickelt sich dann doch eben anders, als man es geplant hat. Hartnäckig bleiben, Kunden brauchen manchmal, bis sie sich gewöhnen.
5. Und zu guter Letzt braucht es ein stabiles privates Umfeld: die Familie und Freunde. Wenn ich nicht so eine verständnisvolle und umsichtige Verlobte gehabt hätte, wäre das hier heute sicher nicht so, wie es ist, und es würde auch nicht so funktionieren, wie es funktioniert. Im Idealfall auch mit Leuten zusammenzuarbeiten, die man kennt. Meine beste Freundin Anna, zum Beispiel, betreibt hier das Anna’s – ein Bio-Restaurant.
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