Der CEO und die Plastikuhr
Der Schriftsteller Max Frisch fragte sich zum Thema Statussymbol vor vielen Jahren: "Wenn Sie einen Menschen in der Badehose treffen und nichts von seinen Lebensverhältnissen wissen: Woran erkennen Sie den Reichen?"
Die Antwort zielt unter anderem darauf ab: Kleider machen wirklich Leute, Statussymbole sind die Kirsche auf dem Sahnehäubchen unserer Persönlichkeit.
Die Art zu zeigen, was man hat, hat sich in den vergangenen Jahren aber verändert. Die Fassaden der dicken Hosen, protzigen Autos und des funkelnden Schmucks bröckeln langsam. Der Begriff Luxus ist breiter geworden. Heute achtet man auf Handy, Laptop und Brille seines Gegenübers, in der Garage steht ein edles Vollcarbon-Rad statt des 911ers und der Urlaub dauert am besten vier Wochen und das auf einem anderen Kontinent. Das Frankfurter Zukunftsinstitut bestätigt den Werte-Wandel in seiner neuen Studie: Nur elf bis 35 Prozent der 5200 Befragten in Deutschland, den USA und China betrachten Produkte heute als luxuriös, nur weil sie überdurchschnittlich viel kosten. Als besonders erstrebenswert empfinden sie hingegen Gesundheit, intakte soziale Strukturen und Zeit für Genuss.
Die neuen Status-Symbole
Der Österreicher Leo Widrich, CEO des US-Start-ups Buffer, sagte dieses Jahr im KURIER-Interview, er pflege einen Nachmittagsschlaf. Jeden Tag um 17.30 Uhr würde er zudem die Arbeit niederlegen und an seiner Fitness arbeiten. Das sei ein Luxus, den er sich für seine viele Arbeit gönne, nur so könne er funktionieren. Gute Freizeitgestaltung signalisiert: Ich kann meine Kräfte gut einteilen, kann genießen, was ich mir erarbeitet habe.
Auch Arbeitnehmer schätzen am meisten Zeit: Flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten stehen heute vor dem Wunsch nach einem Firmenwagen und Firmenhandys, so eine kununu-Studie. Understatement im Arbeitsleben ist aber kein Generation-Y-Phänomen, wie ein Blick in die Büros der Wirtschaftsbosse zeigt: Lloyd Blankfein, CEO der amerikanischen Bank Goldman Sachs verdiente allein im vergangenen Jahr 22 Millionen Dollar. Der Wert seiner Uhr: Keine 100 Dollar. Blankfein trägt Swatch, er hat mehrere. Bei offiziellen Anlässen wählt er immer eine schwarze, weiß das Fortune Magazine. Auch Politiker wie François Hollande stapeln bei der Uhr tief (er trägt ebenfalls Swatch), sogar US-Präsident Barack Obama zeigt sich mit einer digitalen New-Balance-Uhr um 77 Euro. Warum?
Wer protzt, hat es nötig, aufzufallen, meinen Experten. Der sogenannte Dunning-Kruger-Effekt zeigt: Wer am dicksten aufträgt, schafft es schnell nach oben – ist meist aber inkompetent. Die Fähigsten seien oft still, unauffällig. Auf Understatement setzten auch zwei der hellsten Köpfe unserer Zeit: Apple-Gründer Steve Jobs wählte stets schwarzen Rollkragenpullover und Jeans statt Maßanzug, Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg zog sein Business im grauen Shirt, Hoodie, Jeans und Flip-Flops auf.
Minimalismus ist also schick geworden. Die alten Status-Symbole fallen, neue ersetzen sie. Die passende Schublade für den Status seines Gegenübers zu finden? Wird zunehmend schwieriger. Das wiederum macht die Sache spannend: Man sieht plötzlich den Menschen, wie er ist, ohne klobige Ablenkung. Man gibt dem Inneren eine Chance, bevor man das Äußere bewerten kann.
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