Der 200-Millionen-Dollar-Manager

Sundar Pichai ist seit August 2015 Chef von Google. Er ist so gut, dass man ihn mit einem satten Aktienpaket lange halten will.

Als Sundar Pichai vor einem halben Jahr durch einen Konzernumbau zum Google-CEO wurde, munkelte man im Silicon Valley, dass der Zeitpunkt der Verkündung des Umbaus nicht nur aus wirtschaftlichem Kalkül gewählt war: Man wollte Sundar Pichai mit dem Vorstandsposten bauchpinseln – und halten.

Ein halbes Jahr später bekommt der Mann aus demselben Grund ein üppiges Aktiengeschenk: mehr als 270.000 zusätzliche Anteilsscheine im aktuellen Wert von 199 Millionen Dollar. Er soll sie in Raten bis 2019 erhalten, wie aus Unterlagen der US-Börsenaufsicht SEC hervorgeht. Zusammen mit anderen Aktienoptionen hat er damit die Aussicht auf Anteile im aktuellen Wert von rund 650 Millionen Dollar.

Was macht den Mann so wertvoll?

Gierig ist der Inder jedenfalls nicht und auch nicht großspurig. Unter Kollegen gilt der schmale Manager als smart und kreativ, als diplomatisch und bescheiden. Kollegen erzählen, dass er gerne wandert, wenn er in sich geht und auch mal unerwartet ein Meeting verlässt, um dann mit einer Lösung zurückzukehren. Im Lichte betrachtet ist er genau das Gegenteil von den üblichen Narzissten, die oftmals große Firmen führen: Ein Immigrant, der den Traum vom großen Aufstieg in der 2.0-Variante vorlebt.

Sundar Pichai wurde 1972 in Tamil Nadu, Indien geboren. Sein Vater war ein Elektroingenieur und managte eine Fabrik des britischen Unternehmens GEC. Schon früh soll Sundar Pichai Interesse an Technik und dem Beruf des Vaters gehabt haben. Die Familie wohnte in einer kleinen Wohnung, fuhr zu viert auf dem Moped, erst als der Junge zwölf Jahre alt war, bekam die Familie das erste Telefon. Pichai war schlau und studierte am Indian Institute of Technology Kharagpur das Fach Metallurgical Engineering.

1993 kam er mit einem Stipendium für die Eliteuniversität Stanford in der Tasche in die USA – mit Anfang 20. Seine Eltern mussten ihr Erspartes antasten, um das Flugticket von über 1000 Dollar bezahlen zu können. "Das war mehr als das jährliche Einkommen meines Vaters", sagte er später in der Bloomberg Businessweek. Nach seinem Stanford Studium setzte er noch einen MBA an der renommierten Wharton School drauf. Er startete seine Karriere bei Applied Materials und sammelte – wie so viele Größen – Erfahrungen bei McKinsey. Sundar Pichai ist nicht der einzige Inder, der in den USA einen Top-Posten bekleidet. Zwei Beispiele: Microsoft-CEO Satya Nadella und Indra Nooyi, Chefin von PepsiCo. Microsoft soll 2013 Pichai gefragt haben. Sein Name fiel auch, als es um den Spitzenjob beim Kurznachrichtendienst Twitter ging.

Kein Aprilscherz

Zu Google kam Pichai, verheiratet, zwei Kinder, vor fast genau zwölf Jahren – am 1. April 2004. Es war der Tag, an dem Google seinen eMail-Dienst startete, was Pichai anfangs für einen Aprilscherz hielt. Sein damaliges Aufgabenfeld: Das Suchfeld oben links in Browserfenstern. Doch selbst von dieser Position aus fiel er den Chefs immer wieder mit klugen Vorschlägen auf. So soll die Idee zum eigenen Browser Google Chrome von Pichai stammen. Trotz Widerspruch vom damaligen CEO Eric Schmidt wurde Chrome realisiert. Als Larry Page im April 2011 Google wieder als CEO übernahm, setzte er neue Manager ein und gab Sundar Pichai unter anderem die Verantwortung über Chrome.

Pichais Aufstieg ging rasant weiter: 2013 wurde er Chef von Android, dem Betriebssystem, mit dem die meisten Smartphones laufen. Damals sagte Larry Page über Pichai: "Er hat tiefe technische Expertise, ein großartiges Auge für Produkte und ein enormes unternehmerisches Flair. Das ist eine seltene Kombination und macht ihn zu einem großartigen Leader." Page meinte das ernst und überlies Pichai auch in der Öffentlichkeit und bei Konferenzen immer öfter die Bühne. Im Herbst 2014 kam die Aufsicht über fast das gesamte Online-Geschäft hinzu. Im August 2015 wurde seine Karriere mit dem Chefposten bei Google gekrönt – es war keine Überraschung.

Zu seinem neuen Stockerlplatz, als bestbezahlter CEO der USA, meldete er sich bisher nicht zu Wort. Ganz anders zu einem Thema, das ihn tief berührt: Als in den USA – dank Präsidentschaftskandidat Donald Trump – Ende 2015 fremdenfeindliche Tendenzen laut wurden, meldete sich Pichai zu Wort. Er selbst sei als Immigrant in die USA gekommen und sehe es immer noch als Land der unbegrenzten Möglichkeiten. "Toleranz und Akzeptanz gegenüber neuen Amerikanern, das ist eine der Stärken des Landes."

Kommentare