Das Web zum Ertasten

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Die Gründer von Green Vision entwickelten ein Tablet für blinde Menschen.

"Wir wollten ein Problem lösen", sagt Kristina Tsvetanova, 25. Sie spricht über ihre Geschäftsidee, ein Tablet für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen. Sie, ihr Freund Slavi Slavev, ebenfalls 25, und sein jüngerer Bruder Stanislav Slavev sind die Ersten auf der Welt, die diese Idee in dieser Art verwirklichen – eine soziale Innovation, eine Revolution.

Die Geschichte hinter der Idee ist filmreif: Die damals 22-jährige Tsvetanova bemerkte auf ihrer Uni in Sofia, Bulgarien, ein paar Studierende. Sie waren anders. "Sie waren blind. Ich dachte: Wie können sie überhaupt studieren? Alles ist doch auf Computern aufgebaut. Wie meistern sie den Alltag?"

Es gibt Lese- und Eingabegeräte für Blinde. Doch ihr Preis fängt bei 5000 Euro an, sie sind wenig benutzerfreundlich und benötigen Anschlüsse, um wiederum nur an ausgewählten Geräten angeschlossen werden zu können. Eine gute Ausstattung zum Lesen und Schreiben am Computer kostet einen blinden Menschen rund 10.000 Euro.

"Das wollten wir ändern", sagt Slavev. Er schloss seine zwei Bachelorstudien in Unternehmensführung und Informatik berufsbegleitend ab. Tsvetanova schloss ihr berufsbegleitendes Industrial Management Studium mit einem Master und zwei Goldmedaillen für ihre außergewöhnlichen Leistungen, ab. In ihren gut bezahlten Konzernjobs sahen sie keine herausfordernde Zukunft. Also kündigten sie. Und machten sich mit Green Vision selbstständig: Einem Tablet, das den Text in 3D-Brailleschrift ertastbar macht.

Eine Idee mit Folgen

"Aber Bulgarien war nicht das richtige Land zum Gründen", so Slavev. Sie wollten ins "Herz Europas, nach Wien". Nur mit ihren Koffern und ihrem Ersparten, ohne eine Wohnung oder Job-Zusage, setzten sie vor zwei Jahren alles auf eine Karte.

Es zahlte sich aus. Slavi Slavev macht derzeit seinen Master an der TU, beide arbeiten wieder in großen Unternehmen als Berater. Auch sein Bruder Stanislav, der Design-Spezialist von Green Vision, kam mit nach Wien. Anfang Juni machten sie ihre Idee, an der sie nach der Arbeit feilten, publik. Seither werden sie prämiert: mit dem Social Impact Award 2014, dem Avenue Pitch Award 2014 und mit dem ersten Platz beim europäischen Wettbewerb Startup Live. "Zu Beginn musst du dich pushen, damit das Projekt weitergeht. Irgendwann dreht sich das um, es stehen so viele Sachen an und plötzlich pusht das Projekt dich", lacht Tsvetanova. Beide haben bei ihrem Arbeitgeber bereits die Kündigung eingereicht. Green Vision läuft.

Mit ihrer Idee schließen sie eine Marktlücke. Die Zahl der sehbeeinträchtigten Menschen steigt: Derzeit sind es 285 Millionen Menschen weltweit, 39 Millionen haben ihr Augenlicht bereits vollständig verloren. 150 Millionen Menschen nutzen die Braille-Schrift. Doch bisher war es ihnen nicht möglich, ohne Zeitverzögerung mit Freunden zu chatten, ohne fremde Hilfe Online-Bankgeschäfte zu erledigen, Verträge zu unterzeichnen oder eine Route zu planen.

Das neue Tablet wird in Wien in Kooperation mit der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen entwickelt. Kristina Tsvetanova besuchte vergangene Woche Technologiepartner in den USA, laufend melden sie neue Patente an, alle Teile wurden von ihnen selbst konstruiert, produziert werden soll in Taiwan. Der erste Prototyp kommt Ende des Jahres. Nun sind Business Angels und Investoren gefragt, um Green Vision in die Marktreife zu hieven.

1. Sei aktiv, besuche Start-up-Messen, gründe jung und ändere die Welt Tu es! Wenn du eine gute Idee hast, die auch in deinem Umfeld gut ankommt: hab keine Angst sie anzugehen. Denk nicht allzu viel über die Risiken nach. Hätten wir das getan, wären wir schon vor einem Jahr gescheitert. Setze ruhig kleine Schritte hintereinander, aber setze sie. Du musst ja nicht gleich deinen Job kündigen.

2. Sei viel unterwegs. Nimm teil an Events, werde Mitglied bei Co-Working Spaces, besuche Start-up-Konferenzen. Sitz nicht zu Hause herum und grüble, gehe in die Welt hinaus und vernetze dich. Sieh dir an, was andere tun, lass dich inspirieren. Vielleicht springen dort Menschen auch auf deine Idee auf.

3. Push dich selbst. Das musst du tun, jeden Tag. Sprich Menschen auf deine Idee an, schreibe eMails, ruf die Leute an, leg dich ins Zeug und lass das Engagement nicht abreißen. Auch, wenn du nur sechs Stunden am Tag schläfst – das reicht dir. Wenn du total von deiner Idee überzeugt bist, gibt sie dir die Energie, die du brauchst. Und im Endeffekt auch allen anderen.

4. Ändere die Welt. So banal dieser Ratschlag klingt – nur das ist, was am Ende des Tages zählt. Bewirke eine positive Veränderung, denk groß und hinterlasse etwas Gutes.

5. Gründe jung. Besonders unter Studierenden, an Unis, entwickeln sich tolle Idee. Außerdem: nach dem Abschluss hat man oft schon bald Verpflichtungen, Familie, vielleicht auch einen Kredit. Das Leben hat dich dann im Griff, man traut sich dann weniger, etwas ganz Neues anzufangen.

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