"Das war ein Ausreißer"
Der Telekom-Finanzvorstand kommt untypisch zum Interview: in Poloshirt, weißer Hose, mit Dreitagebart. Darf er auch. Der vor einer Woche gekürte "CFO des Jahres" urlaubt in Velden am Wörthersee.
KURIER: Wie wird man zum CFO des Jahres?
Hans Tschuden: Indem man gewählt wird.
Präziser gefragt: Wie wird man CFO des Jahres nach einem katastrophalen Jahr?
Ich glaube, das hängt nicht von einem Jahresergebnis ab, überhaupt nicht. Es ist darauf zurückzuführen, dass wir proaktiv mit den Investoren kommunizieren, ihnen unsere Strategie erklären.
2011 war für Sie "ein Jahr zum Abhaken". Wie persönlich nehmen Sie schlechte Zahlen?
Natürlich ist es angenehmer, gute Zahlen zu haben. Gute Zahlen sind eine Motivation für alle Mitarbeiter. Bei schlechten Zahlen muss man wissen, warum das so ist. Bei uns war es auf die Währungsabwertung in Weißrussland zurückzuführen, da kann keiner was dafür. Und auf Personalanpassungen, die in Österreich notwendig waren.
Beides sieht man kommen und kann nichts dagegen tun?
Wir haben nur die Möglichkeit, innerhalb der Gesetze zu agieren. Mitarbeiter mit Beamtenstatus haben einen Vertrag auf Lebenszeit, Sozialpläne für diese Mitarbeiter sind teuer. Da hat uns auch noch niemand gesagt, wie wir das besser machen können – für Vorschläge sind wir offen.
Finanzmenschen gelten oft als spröde und nüchtern. Wie sind Sie?
Spröde bin ich nicht. Ich bin rational, analytisch, kann auch emotional sein, aber das braucht eine gewisse Zeit. Es ist natürlich ein Vorurteil, dass Finanzmenschen keinen Schmäh haben.
2011 eine Viertelmilliarde Euro Verlust – 252,8 Millionen Euro – wie können Sie als CFO da noch gut schlafen?
Indem ich weiß, dass das ein Ausreißer war. Unsere operative Performance ist gut, ich schlafe durchaus gut.
Und 2012?
Wird es besser werden. Wir werden sicher einen Gewinn zeigen können.
Zur Krise in der Telekom: Kursmanipulationen, U-Ausschuss, dazu ein Aufsichtsrat, der sagte: "Das Unternehmen ist seit zwei Jahren so gut wie tot" – wie gehen Sie damit um?
Bei der Korruptionsgeschichte muss man die Vergangenheit solide aufarbeiten und klar sagen: Das wird nie wieder passieren. Vor allem für die Mitarbeiter ist das eine irre Belastung.
... für die Vorstände nicht?
Doch, damit müssen wir leben. Für Mitarbeiter, die im Callcenter sitzen und beschimpft werden, ist das aber eine irre Belastung. Das tut mir leid. Wir klären auf und setzen klare Zeichen, dass so etwas nicht wieder passiert. Eines muss man aber sagen: Die besten Regeln kann man umgehen, eine Garantie gibt es nie.
Die Telekom Austria ist ein Riesenkonzern mit nur zwei Vorständen. Zu wenig?
Es ist aufs erste Hinblicken wenig, das ist richtig, aber es gibt ein erweitertes Team. Ob es einen dritten Vorstand geben wird, ist eine Frage für den Aufsichtsrat. Ich würde es nicht ausschließen. Es hätte eine gewisse Logik, einen Techniker zu installieren.
Man hört, Sie seien ganz anders als Ihr Kollege Hannes Ametsreiter. Wie funktioniert das Zusammenspiel?
Ich glaube, es ist gut, dass wir unterschiedlich sind und ein Korrektiv zueinander. Hannes kommt aus dem Marketingbereich, er ist emotionaler, kundenorientiert, begeisterungsfähig. Ich bin rational, schau mir Kosten, Nutzen, Risiken an, versuche, eine Idee in Zahlen zu formen. Wir können ganz gut miteinander.
Die Analyse ist Ihre Stärke?
Und dass ich komplexe Sachverhalte einfach darstellen kann. Ich gebe Mitarbeitern viel Freiraum – aber auch die Richtung vor, in die es gehen soll.
Was ist Ihre Schwäche?
Fragen Sie die Mitarbeiter. Ich habe jedenfalls eine Schwäche für gutes Essen.
Zum Thema Geld: Sie verdienen mehr als eine Million Euro im Jahr. Ist das gerechtfertigt nach so einer Bilanz?
Ich werde weniger verdienen als im Geschäftsbericht ausgewiesen ist, weil mein Bonus 2011 geringer ist. Auch mein Gehalt wird an der Performance gemessen.
Was sagen Sie zur Debatte um hohe Managergehälter?
Da muss man die Relationen im Auge behalten. In Österreich sind die Managementgehälter nicht überzogen. Es gibt niemanden, der Hunderte Millionen verdient. Wenn man da eingreift, muss man sich darauf einstellen, dass gute Manager abwandern werden.
Wie ist das Verhältnis des CFO zu seinen Aktionären?
Sehr intensiv, wir sind im permanenten Dialog. Unser Investors Relations Officer wurde von Reuters zum besten Österreichs ausgezeichnet. Das bestätigt unser gutes Team.
Haben Sie Carlos Slim schon getroffen?
Persönlich nicht. Ich habe seinen Schwiegersohn getroffen, der war hier.
Wie ist der so?
Sehr angenehm, hoch professionell, sehr rasch in seinen Entscheidungen.
Was will er?
Schauen, wie sich die Telekom weiterentwickeln kann. Vor allem wollen sie aber Geld verdienen.
Zur Dividende: 0,76 Euro waren veranschlagt, dann wurde halbiert auf 0,38 Euro. Ist so etwas für Sie eine persönliche Niederlage?
Es ist nicht der Finanzvorstand, der die Dividende macht. Wir sind mit dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Überzeugung gekommen, die Dividende deutlich zu reduzieren. Das war keine Niederlage.
Stimmt es, dass Sie mehr wollten?
Nein, wollte ich nicht. Das war eine gemeinsame Entscheidung.
Wie steht der CFO zum Eigenkapital einer Firma? In Ihrer Zeit hat sich das Eigenkapital gedrittelt.
Eigenkapital ist wichtig, wie groß es sein muss, darüber lässt sich diskutieren. Aus dem Eigenkapital können Sie nichts zahlen. Für einen CFO ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass genug Liquidität da ist, unabhängig vom Eigenkapital.
Wie sehen Sie die Zukunft des Unternehmens? Wachsen oder verkaufen?
Das sind unterschiedliche Fragestellungen mit unterschiedlichen Adressaten. Das Unternehmen muss die Profitabilität verbessern, das ist aber nicht gleichzusetzen mit Umsatzwachstum – wir werden auf der Kostenseite entgegensteuern. Ob dann Eigentümer entscheiden zu verkaufen, ist deren Sache.
Früher Ziegel, jetzt Mobilfunk: Kann ein CFO jedes Unternehmen führen?
Das ist ein Riesenvorteil im Finanzbereich, weil die Instrumente und Mechanismen immer sehr ähnlich sind. Es ist in dem Bereich leicht, zwischen den Branchen zu wechseln.
Haben CFOs in der Krise an Wichtigkeit gewonnen?
Ja. Ich glaube, dass man mehr auf Finanzleute hört, auch weil die Banken vorsichtig geworden sind mit ihren Kreditvergaben.
Kurz und knapp: "Schulden? Durchaus hilfreich"
Geld bedeutet ... mir nicht viel.
Schulden sind ... durchaus hilfreich, um eine Firma entwickeln zu können. Müssen aber im Rahmen sein, damit man sie bedienen kann.
Ein guter Manager muss ... auf seine Mitarbeiter hören.
Ihr/e Verbündete/r? Mein Investors Relations Officer.
Carlos Slim ... ist der reichste Mann der Welt.
Eine Buchempfehlung? Der Leopard von Jo Nesbø.
Nach einem langen Arbeitstag ... setze ich mich auf die Couch, lese Zeitung, lasse mir von meiner Frau ein gutes Abendessen servieren.
Ihr Golfhandicap? 6,3.
Was wollten Sie werden? Ich habe einen Superjob und nie etwas Konkretes angestrebt.
Ich kann nicht ohne ... meine Frau.
Ihre größte Stärke? Analytik.
Ihre geheime Schwäche? Gutes Essen.
Hans Tschuden: CFO des Jahres
Er hat nach der Matura am Schalter einer Bank gearbeitet und wusste: "Das ist es nicht". Es folgten WU-Studium, erster Job bei Ögussa, 17 Jahre bei Wienerberger und seit 2007 die Position des Finanzvorstands (CFO) bei der Telekom Austria. "Das waren Jahre, wo enorm viel passiert ist, da stellt sich die Frage des schnellen Jobwechsels nicht", so der 53-Jährige. Der internationale Nachrichtendienst Thomson Reuters kürte ihn zum "CFO des Jahres".
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