Das Schmuckstück der Gasse
Die Theoboldgasse lebt. Auf dem linken Gehsteig sonnen sich Club-Mate-trinkende Hipster vor einem Shop. Aus dem Lokal nebenan dröhnt Elektromusik, in der Espressobar am Eck genießt man im Schanigarten den Kuchen. Am angelegten Garten entlang der Straße spielen Kinder Hacky Sack. Hier, in der idyllischen Wiener Gasse, vereint sich die hippe Szene. Seit rund einem Monat ist sie um einen besonderen Laden reicher – den Thermometer Shop.
Eigentlich ist der Begriff Thermometer ja bereits ein bekannter in der Gegend – der Schriftzug des ehemaligen Laborbedarfs ziert immer noch die Mosaik-Fassade des Hauses Theobaldgasse Ecke Königsklostergasse. Hier führt Werbearchitektin Doris Ackerl (45) seit zwei Jahren ihr Gemeinschaftsbüro, in dem Architekten, Grafikdesigner und Künstler in inspirierender Atmosphäre zusammenarbeiten. Am Eck des Gebäudes haben Ackerl und Schmuckdesignerin Vera Ziegler (49) vor einem Monat den Thermometer Shop eröffnet.
Ziegler kreiert und verkauft hier Schmuck ihres Labels Veralie: zarte, versilberte und vergoldete Ketten, Ohrringe und Armbänder, die mit Edelsteinen wie Onyx oder Chalzedon veredelt werden und zwischen 50 und 120 Euro kosten. Ackerl produziert hier feine, handgemachte Büroaccessoires (ab 30 Euro), wie etwa geknüpfte Schutzhüllen für iPhone-Ladekabel, kleine Ledertäschchen oder Federpennale. Bis es zu ihrer Shoperöffnung kam, lebten die Frauen ein ganz anderes Leben.
Das erste Leben
Die beiden kennen einander noch nicht einmal ein Jahr lang. Davor konnten ihre Karrierewege unterschiedlicher nicht sein. Ackerl, gelernte Schneiderin und studierte Architektin, kam vor Jahren mit der Dekorations-Baubranche in Berührung. Mit ihrem ehemaligem Partner baute sie einen Produktionsbetrieb für Dekoration auf, den sie leitete. Bis 2012 – da merkte sie, dass es doch noch nicht das Wahre für sie war. Sie nahm sich ein halbes Jahr Auszeit, um dann als Werbearchitektin mit ihrer Firma Raumkomplett durchzustarten. Seitdem gestaltet sie für Firmen Büroräume und Events.
Vera Ziegler hingegen verbrachte vor ihrer Selbstständigkeit als Schmuckmacherin 15 Jahre im Sales der Pharmaindustrie. "Irgendwann wusste ich: Es muss eine komplette Veränderung her." Verkaufen wollte sie immer noch, "aber was Schönes halt", schmunzelt sie. 2013 erweckt sie ihr eigenes Schmuck-Label zum Leben. "Das war ein sehr gutes Gefühl." Ein eigenes Geschäft wollte sie aber nicht. Sie wollte frei sein, im Internet vertreiben, auf Design-Märkten ausstellen. Vergangenes Jahr mietete sie sich dennoch im Thermometer-Gemeinschaftsbüro ein, um dort Kunden zu empfangen. Und lernte dort ihre spätere Geschäftspartnerin kennen.
Das zweite Leben
Die beiden Frauen merkten schnell, sie können gut miteinander. Sie beschlossen, gemeinsam im vorderen Bereich der Thermometer-Räumlichkeiten einen Shop zu eröffnen. Die Verantwortung teilten sie sich auf, bei großen Entscheidungen "streiten wir uns zusammen", lacht Ackerl. Auf zwei großen, selbst gemachten Arbeitstischen produziert Ziegler ihren Schmuck, Ackerl arbeitet hier an ihren Accessoires und den Werbearchitekten-Aufträgen. Ihre Werke stellen sie im Shop auf selbst gemachten Schaukeln aus. "Wir würden heute nicht anders arbeiten wollen", so Ziegler. Es gehe um die Gemeinschaft im Haus, um die gesellige Kultur in der Gasse. "Es ist auch immer ein Prosecco eingekühlt", lacht Ziegler. Thermometer sei ein Wohnzimmer-Shop, den die Kunden auch außerhalb der Öffnungszeiten von Donnerstag bis Samstag, acht bis 18 Uhr, besuchen – man lasse immer wen auch so herein. Bald könnten sich die Öffnungszeiten aber auch offiziell erweitern, denn, so Ackerl: "Wir haben noch viele Ideen".
1. Tue, was du liebst. Vera Ziegler: Wenn du planst, dich selbstständig zu machen und zu gründen dann nur mit etwas, was du wirklich gern machst. Es ist so ein wahnsinniger Aufwand, dass man es ohne Leidenschaft für die Sache ohnehin nicht machen könnte.
2. Finanzierung ist einer der wichtigsten Punkte. Hier heißt es: Halte die Fixkosten niedrig.
3. Hab Mut, etwas komplett Anderes zu machen. Vera Ziegler: Einfach einen Schritt nach dem anderen machen und sich dessen bewusst sein, dass nicht alles sofort klappt – sondern dass sich vieles auch einfach ergeben muss. Doris Ackerl:Mache deine Sache achtsam und geduldig. Lass deine Ziele nicht aus den Augen, aber bleib flexibel und versteif dich nicht.
4. Lass dir helfen. Vera Ziegler: Mir hat es sehr geholfen, dass meine Freunde und Bekannten hinter meiner Idee gestanden sind und mich unterstützt haben. Ich habe auch gelernt, dass man Sachen, die einem nicht gut liegen, einfach auslagern darf – an den Steuerberater etwa. Doris Ackerl: Es ist auch wichtig, sich von Zeit zu Zeit ein bisschen aus der Gründung rauszunehmen um Abstand zu gewinnen. Mit diesem lässt sich’s leichter erkennen, was noch zu tun ist.
5. Schraube deinen Perfektionismus zurück. Doris Ackerl: Hohe Ansprüche an die eigene Arbeit zu haben ist gut, aber man muss auch den Punkt erkennen, wo man sich mit diesen selbst im Weg steht – man sollte die Leichtigkeit nicht verlieren.
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