Das Leben der Expats weltweit

Weltweit arbeiten stellt einen vor Herausforderungen
Expats arbeiten dort, wo sie die Firma hinschickt, es einen guten Job gibt. In Österreich haben sie ein schweres Los. Warum?

Es ist Dienstag, 19.30 Uhr. Ein adretter Mann steht an der Kassa eines großen Drogeriemarktes in Wien, zeigt dem Kassierer ein Pflege-Produkt auf seinem Smartphone. Er erklärt, was er sucht, in feinstem britischem Englisch. Der Kassier entgegnet, das Produkt sei nicht im Sortiment, er solle in eine Apotheke gehen. "Aber heute hat keine mehr offen. Der nächste bitte", wendet sich der Kassier wieder anderen Kunden zu. Der Mann bedankt sich trotzdem und geht. Vor dem Laden bleibt er stehen. Ratlos. Eine Frau – sie war die nächste in der Schlange – spricht ihn an. "Sie wirken etwas verloren. Lassen Sie mich helfen: Es gibt Nachtapotheken in Wien, ich google, welche in der Nähe offen hat." Der Mann ist verblüfft. Nach wenigen Minuten Plaudern und einer Wegbeschreibung zur nächsten Apotheke erfährt die zufällig beobachtende Autorin dieser Zeilen: Der Mann ist Expat aus London. Ein Bänker Anfang 40, der erst seit wenigen Wochen in Wien lebt. Er orientiert sich noch in seiner neuen Heimat. Er sagt zu seiner Unterstützerin: "Sie sind die hilfsbereiteste Person, die ich hier bisher getroffen habe."

Alleine arbeitend

So geht es vielen Expats. Sie verlassen des Jobs oder der Liebe wegen ihre Heimat, versuchen sich in einem fremden Land einzuleben, die Sprache zu erfassen, die Kultur und die Einheimischen kennenzulernen, ihre eigenen Pfade zu beschreiten. Auf Anhieb funktioniert das meist nicht. Es braucht einige Zeit, Hingabe und Unterstützung von anderen, in einem neuen Land beruflich und privat Fuß zu fassen.

Die diese Woche erschienene Studie Expat Insider 2017, die 13.000 Expats aus 188 Ländern zu ihren Erfahrungen im Ausland befragt hat, zeigt jedoch: Expats in Österreich tun sich besonders schwer, sich einzufinden. Österreich rangiert punkto Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit sogar auf dem vorletzten Platz des Rankings – nur Menschen aus Kuwait (Arabische Halbinsel) werden von Expats als noch unfreundlicher wahrgenommen. Ähnlich das Ergebnis bei der generellen Eingewöhnung im Gastland: Platz 64 von 65 für Österreich. Der letzte Platz geht an Dänemark. Was ist da los?

"Die Expats werden mit der Bevölkerung einfach nicht warm. Nur neun Prozent der in Österreich lebenden Expats würden die Einwohner als wirklich freundlich bezeichnen", erklärt Malte Zeeck, Gründer und Co-CEO von InterNations, einer Plattform für Expats, die die Expat-Insider-2017-Studie veröffentlicht hat. Die Österreicher werden Menschen aus dem Ausland gegenüber als distanziert empfunden, als sehr traditionell, kühl und unaufgeschlossen. Auch, wenn diese hoch qualifiziert sind, Leistung erbringen (sie arbeiten laut Studie durchschnittlich 44 Wochenstunden) und ein hohes Einkommen beziehen.

Auch Freunde sucht man als arbeitender Besucher hierzulande lang. "Das ist schade, denn gerade durch einheimische Freunde fühlt man sich aufgehoben und gewinnt einen positiven Bezug zum Land." Die deutsche Sprache sei hier kein kleines Hindernis, sagt Zeeck. Einerseits sei sie für Ausländer relativ schwer zu lernen, andererseits seien die Österreicher nicht gewillt, Englisch zu reden. Die Befragten bemängeln etwa Behördenwege, die nur auf Deutsch erledigt werden könnten oder dass man sich ohne perfektem Deutsch schwertut im Job.

Diese Kombination führe zwangsläufig in die Isolation: "Man bleibt für die Jahre, die man in Österreich lebt, in der Expat-Blase: Man arbeitet, trifft sich dann mit anderen Expats und zieht irgendwann einmal wieder weg." Diese Faktoren verschulden, dass Österreich als Expat-Land in der Studie seit 2016 um acht Plätze abgerutscht ist – und nun Rang 28 von 65 belegt.

Karrieremachen in Österreich

Wie viele Expats in Österreich leben und wo, wertete für den KURIER InterNations zusätzlich aus: Zwei Drittel leben in Wien, rund ein Zehntel in Graz und Salzburg, auch Linz und Innsbruck sind beliebt. Laut den Ergebnissen sind mehr Frauen in Österreich temporär tätig, als Männer. InterNations verzeichnet hier 29.000 Plattform-Mitglieder – mit jenen, die keine Mitglieder sind, würde es aber weitaus mehr geben, sagt Julie Rosser, Wissenschaftlerin an der Technischen Universität Wien. Sie ist ehrenamtliche Botschafterin in Wien und veranstaltet Feste und Netzwert-Treffs für Expats. Rosser kam selbst vor vier Jahren als Expat aus Amerika – eine weltweite Job-Ausschreibung der Veterinärmedizinischen Uni in Wien lockte die Tierchirurgin damals her. Sie lebte auch schon in Kanada und in Belgien. Im Vergleich zu diesen Ländern war Österreich für sie "eine tolle Überraschung" – von Grant oder Unfreundlichkeit kann sie nicht berichten. Aber auch sie fand es schwierig, sich einzuleben, anzufreunden. "Es hat zwei, drei Jahre gedauert, bis ich Freundinnen gefunden habe." Warum? "Man hat das Gefühl, Österreicher haben schon alles im Leben. Sie haben schon ihre Freunde, einen Beruf, sie sind zufrieden – und brauchen nichts mehr."

Karrieretechnisch sei Österreich für Expats aber ein Schlaraffenland, sagt Rosser. "Ich hatte die Möglichkeit, einen neuen Karriereschritt zu machen und an die TU Wien in eine Forschungsgruppe zu wechseln, vielleicht gründen wir bald ein Start-up. Das funktioniert in Österreich toll: man wird hier gefördert, Frauen haben gute Möglichkeiten, die Jobs sind sicher und auch für Studenten ist Österreich attraktiv." Auch diese Faktoren wurden in der Expat-Studie als positiv für Österreich bewertet: Insgesamt gibt es für die Kategorie Arbeit deshalb Platz 19 von 65. Platz 1 geht übrigens an Tschechien.

Auch, wenn man sich die anderen Faktoren ansieht, kann man in Österreich nicht klagen: Die Freizeitangebote sind vielfältig, es gibt eine gute Infrastruktur, Wohlstand, die Menschen sind glücklich, das Land wird nicht von Kriegen oder instabilen politischen Systemen bedroht. Für die allgemeine Lebensqualität gibt es deshalb Platz 7. Auffällig gut ist auch die Platzierung in der Kategorie Familienleben. "Wer nach Österreich zum Arbeiten kommt, profitiert von guten Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im Vorschulalter", sagt Malte Zeeck von InterNations. "Allerdings hat sich hier die Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen in den vergangenen Jahren verschlechtert. In der Großstadt ist das Angebot knapp", analysiert er. Auch, was die Kosten für die Ausbildung betrifft, liegt Österreich im Ranking im ersten Drittel – aber auch hier ist es zum Vorjahr um sieben Plätze zurückgefallen. Jedenfalls, so Zeeck, würden 89 Prozent der Eltern die hohe Qualität des Bildungswesens schätzen.

Österreich liegt, nimmt man alle Kategorien zusammen, also im guten Mittelfeld des Rankings. Sieht man sich die Menschen an, die als Expat Österreich verlassen, gibt das auch ein gutes Bild ab: Sie sind hoch qualifiziert, 16 Prozent haben einen Doktortitel. Englisch sei für sie kein Problem, mehr als die Hälfte spricht sogar die Sprache ihres Gastlandes. Zu den beliebtesten Zielländern der heimischen Expats gehören die USA und England – Länder, die im Expat-Ranking erst auf den Plätzen 43 und 54 liegen. Vielleicht ist Österreich mit Platz 28 ja doch nicht so schlecht.

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