Das 8. Jahr am Südpol
Ungewöhnliche Jobs gibt es viele. Das hier ist der coolste: Robert Schwarz ist deutscher Physiker und betreut ein Teleskop am Südpol. Damit schaut er zum Urknall und sucht nach Beweisen für die Inflationstheorie (die detaillierte Erklärung habe ich auf Tonband, falls Sie das genau wissen möchten). Wir treffen ihn zufällig auf dem Flug von Buenos Aires nach Frankfurt. Weil er zwischen den Südpol-Engagements auf einem Kreuzfahrtsschiff den Touristen die Eiswelt erklärt.
KURIER: Sie dürften keine Neigung zum Lagerkoller haben.
Robert Schwarz: Nein. Wieso?
Sie verbringen nun das achte Jahr am Südpol, sechs Monate davon in völliger Dunkelheit. Ein Lagerkoller wäre das Mindeste.
Ist mir fremd. Ich habe genug zu tun, sieben Tage die Woche. Es ist ein ungewöhnlicher Arbeitsplatz, ja, ein bisschen wie auf einem anderen Planeten.
Sie haben dort alles, was man zum Arbeiten braucht?
Größtenteils. Wenn was kaputtgeht, müssen wir improvisieren. Nach Murphys Law geht ja immer das kaputt, wo man keine Ersatzteile hat.
Sechs Monate Finsternis, sechs Monate Helligkeit – wie ist das?
Ich habe damit keine Probleme. Hochsommer ist langweilig, alles gleißend hell auf dem 3000-Meter-Hochplateau am Südpol. Die Dunkelheit ist besser, mit Polarlichtern und Sternenhimmel.
Wie viele Kollegen gibt’s?
Im Sommer 250, im Winter nur 50.
Wie kriegt man diesen Job?
Durch Zufall. Ich hatte einen Studentenjob am Max-Planck-Institut in München. Da war ein Aushang mit einer Jobausschreibung für den Südpol. Die Hälfte der Voraussetzungen hatte ich nie zuvor gehört, habe mich aber trotzdem beworben. Mit Lebenslauf und drei Referenzen hat’s funktioniert. Fünf Wochen später war ich in den USA zur Einschulung.
Wieso brauchen die Amerikaner einen Deutschen?
Wieder ein Zufall: Ich war flexibel, habe mein Studium dafür unterbrochen, hatte schon einen Bachelor in den USA gemacht. Das half.
Wieso ist die Station eigentlich amerikanisch?
Die waren als Erste dort. Und wollten verhindern, dass die Russen hingehen. Man hat festgestellt, dass man dort sehr gut forschen kann, weil es extrem kalt ist und extrem trocken. Das ist eine Bedingung für diese Art von astronomischer Forschung. Noch besser wär’s im Weltraum, aber das kostet wesentlich mehr.
Eine gut bezahlte Arbeit?
Wie ein Angestellter einer amerikanischen Uni. Mit dem Vorteil, dass ich mein Geld nicht ausgeben kann. Ich arbeite ein Jahr, nehme mir dann ein paar Monate frei. Ich entscheide mich immer von Jahr zu Jahr.
Weil das kein Job für die Ewigkeit ist?
Nein. Vergangenes Jahr habe ich mich bei der ESA beworben, für bemannte Raumfahrt. Ist leider nichts geworden. Der nächste Job muss wieder außergewöhnlich sein. Kein 08/15-Job.
Stichwort: Kälte.
Es ist extrem kalt. Durchschnittstemperatur minus 50. Heißer Sommertag minus 20. Im Winter unter minus 80 Grad. Man ist total eingemummelt, kann nur oberflächlich atmen. Ich bin täglich eine Stunde draußen, weil unser Teleskop einen Kilometer entfernt steht.
Was muss man für ein Typ Mensch sein, um diesen Job machen zu können?
Es sind viele unterschiedliche Menschen unten. Man muss alleine arbeiten können, aber auch im Team funktionieren.
Sie können dort nicht ausgehen, weglaufen, ...
Doch, kann man schon alles machen. Wir machen viele Kostümpartys, weil es nett ist, aus den Arbeitsklamotten raus zu kommen. Wir haben zehn Stunden Internet am Tag, der Computer ist die einzige Verbindung zur Außenwelt. Fotografieren ist mein Hobby. Wir Wissenschafter geben uns auch gegenseitig Vorlesungen in unseren Disziplinen. Sport ist auch ganz wichtig.
Hat die Einschränkung etwas Gutes?
So lange wir keine Notfälle haben, ist das ein sehr stressfreier Job.
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