Darf’s ein bisschen weniger sein?

Darf’s ein bisschen weniger sein?
Die Einstiegsgehälter für Akademiker und Maturanten sind heute genauso hoch wie vor zehn Jahren. Ihr Einkommen ist damit real gesunken. Für die Jungen ist kein Geld mehr übrig – warum eigentlich?

Geld ist nicht alles, aber das erste volle Gehalt ist etwas Besonderes. Rund um den 30. des Monats kommt die Gehaltsabrechnung. Sie zeigt die finanzielle Neuheit in Ziffern: 2120 Euro brutto; macht nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherung 1472,12 Euro netto.

Das ist das Durchschnittsgehalt eines Akademikers beim Berufseinstieg heute.

Das war auch das Durchschnittsgehalt eines Akademikers beim Berufseinstieg vor zehn Jahren.

Nominell sind die Gehälter für Einsteiger nach der Matura oder dem Studium gleich geblieben – kaum eine Anhebung, kaum eine Steigerung (siehe Grafik rechts). Vor zehn Jahren verdiente ein WU-Absolvent rund 2280 Euro brutto im Monat, heute sind es 2370 Euro (33.200 pro Jahr). Das Durchschnitts-Gehalt der HTL-Absolventen: vor zehn Jahren 1890 Euro, heute 1960 Euro. Bei einer Teuerung von 21 Prozent seither sind die Gehälter für junge Einsteiger also real gesunken.

Darf’s ein bisschen weniger sein?

Conrad Pramböck, Gehaltsexperte der renommierten Executive-Search-Firma Pedersen&Partners, filterte die Zahlen für den KURIER aus seinem System. Seine Daten stammen aus den Personalabteilungen der Unternehmen. "Wir befragen laufend Personalchefs in Österreich und 50 Ländern weltweit nach ihren Gehältern. Dazu sammeln wir Gehaltsdaten aus sämtlichen Quellen, sprechen mit Personalexperten, validieren und evaluieren", erklärt er. Das mache man bei Pedersen&Partners seit 1999 – eine profunde Statistik.

Wir haben Personalexperten mit diesen Zahlen konfrontiert. Die Reaktionen: erst überrascht, dann nüchtern zustimmend. "Vor zehn Jahren war die Marktlage eine völlig andere", sagt Personalberaterin Manuela Lindlbauer.

"Wir hatten Hochkonjunktur, Firmen haben Führungskräfte gesucht, expandiert. Aber das ist lange vorbei." Ihrer Meinung nach waren die Gehälter damals "am obersten Limit, wahrscheinlich wurde sogar zu hoch bezahlt." Jetzt, in einer Phase, wo alle einsparen, müssen die Kosten runter. "Das bekommen vor allem die Einsteiger stark zu spüren", sagt Lindlbauer. Firmenchefs seien bei den Personalkosten extrem sensibel, weil sie meist den größten Ausgaben-Brocken eines Unternehmens ausmachen. Die niedrigen Einstiegsgehälter haben also auch praktische Gründe: "Gegen die Gehaltsvorrückungen der Stammbelegschaft können Firmen wenig tun, sie stehen deshalb bei den Einsteigern auf der Kostenbremse", sagt Gisela Titelbach, HR-Consulterin bei Iventa.

Darf’s ein bisschen weniger sein?
Conrad Pramböck
Conrad Pramböck erklärt weiter, dass sich die Ansprüche ständig vergrößern. "Wo früher ein Maturant gereicht hat, nimmt man heute einen Akademiker. Nicht nur, weil die Arbeit anspruchsvoller, die Jobs komplexer geworden sind. Auch, weil es genug Akademiker auf dem Markt gibt. Ist die Konkurrenz groß, drückt das den Preis." Der Experte ortet einen Bildungsdruck nach oben. Zudem seien die Jungen – weil noch ohne Erfahrung – austauschbar. Für jeden ausgeschriebenen Job bewerben sich hundert Einsteiger, die alle das gleiche Können aus Schule und Uni mitbringen. Manuela Lindlbauer: "Unternehmen müssen in diese Leute zuerst investieren, weil sie zwar theoretisches Wissen haben, aber eben noch keine Praxis."

Reichtum ausgeschlossen

Darf’s ein bisschen weniger sein?
honorarfrei - Manuela Lindlbauer
Für Personalexpertin Titelbach "werden die Jungen heute zu niedrig bezahlt. Früher waren die Wohnungen günstiger und das Gehalt in Relation höher. Für junge Menschen ist es viel schwierig geworden, bei den gestiegenen Lebenskosten ein Auslangen zu finden." Gesellschaftspolitisch haben die niedrigen Einstiegsgehälter viel Sprengkraft. "Setzt man sie in Beziehung zu den Pensionen, haben wir ein Problem. Es arbeiten immer mehr junge Leute für wenig Geld. Damit wird es schwierig, die steigenden Pensionsausgaben zu finanzieren", so Pramböck. Die Frage sei: Wie kann man es gesellschaftlich schaffen, junge Menschen auf ein Einkommensniveau zu bringen, das ihnen einen Lebensaufbau ermöglicht. "Ohne zu erben, mit einem normalen Job, wird man heute nicht mehr reich. Das war in früheren Generationen, in Banken und Telekomfirmen möglich. Heute können sich die Jungen aus eigener Kraft kein Wohnungseigentum mehr leisten", sagt Pramböck.

Später besser

Einen Trost haben die Experten dennoch. Das Einstiegsgehalt ist ein Beginn, bei entsprechender Leistung gebe es schnell mehr Geld. Nach ein paar Jahren Berufserfahrung bessert sich die Lage, weil die Jungen die Chance haben, wesentlich schneller Karriere zu machen. Während man früher unter 40 nicht in eine Führungsposition kam, findet das heute Anfang 30 statt – das Alter, in dem sich entscheidet, ob man Chef wird, oder nicht. "Mit 35 bis 40 haben die Jungen heute bereits 90 bis 95 Prozent ihrer Karrierewünsche erfüllt – und damit meine ich Jobtitel, Verantwortung und Gehalt", so Pramböck. Alles was danach kommt, ist nur noch Draufgabe. Er geht noch weiter: "Mit 40 wird man heute keine Führungskraft mehr – wer die frühe Möglichkeit nicht nützt, hat das versäumt."

Noch ein Detail zum Schluss: Die Gehälter der Geschäftsführer sind in den vergangenen zehn Jahren gestiegen – ganz nach Plan um 25 Prozent.

Was haben ein Facharbeiter mit abgeschlossener Lehre und ein paar Jahren Berufserfahrung, eine Maturantin mit einigen Jahren im Job und eine Akademikerin, der gerade von der Uni kommt und in den Beruf einsteigt, gemeinsam? Sie sind alle Anfang 20, und: sie verdienen alle das Gleiche.
Das derzeitige Gehaltsniveau für die meisten jungen Menschen Anfang zwanzig liegt einheitlich zwischen 25.000 und 30.000 Euro brutto pro Jahr. Das gilt für Mitarbeiter mit abgeschlossener Lehre und ein paar Berufsjahren, für Maturanten, die schon einige Zeit gearbeitet haben, für Akademiker beim Karriereeinstieg, es gilt für Beamte, für Lehrer, für Kindergärtner und für Pfleger.


Veränderung ab 30

Wer also eine höhere Ausbildung mit der Absicht absolviert, von Anfang an deutlich mehr zu verdienen als andere, wird enttäuscht. Nur wenige Jobs für Akademiker werfen sofort mehr Geld ab (etwa Unternehmensberater in den renommierten amerikanischen Konzernen).
Ein paar Jahre später verändert sich das Bild, mit Anfang 30 verschiebt sich das Gehaltsgefüge von Facharbeitern, Maturanten und Akademikern deutlich. Da öffnet sich die Gehaltsschere und Menschen mit höherer Bildung verdienen mehr. Im Alter von 30 Jahren verdienen Akademiker im Schnitt bereits 20 Prozent mehr als Nicht-Akademiker. Diese Entwicklung setzt sich fort, weil es für Akademiker einfacher ist, in gut dotierte Führungspositionen aufzusteigen. Der durchschnittliche Gehaltsunterschied zu anderen Mitarbeitergruppen wächst damit weiter an.

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