Crowd, zahl mir mein Studium!
Emily-Rose Eastop ist 26 Jahre alt und hat über 25.000 Euro Schulden. Für ihr erstes Studium der "Human Sciences" in Oxford musste sie hohe Studiengebühren bezahlen. Und weil sie weiterstudieren möchte und nun wieder in Oxford aufgenommen wurde, braucht sie weitere 33.000 Euro. Also dreht sie ein Video und stellt es auf die Crowdfunding-Plattform www.hubbub.net. In "Get ’ER to Oxford" erklärt sie, warum gerade sie die beste Adressatin für 14.000 Pfund (für den Master) und weitere 11.300 Pfund (für die Lebenshaltung) wäre.
Dann geschieht das Unerklärliche. Binnen sechs Wochen schenken 485 Menschen Emily-Rose 26.570 Pfund. Ohne dafür eine Gegenleistung zu wollen. Die Masse ist großzügig. Und Emily-Rose glücklich. Crowdfunding sei ihre letzte Chance auf dieses Studium gewesen, erzählt sie im Interview. "Ich hatte nichts zu verlieren. Es war nervenaufreibend, denn ich wusste: ich muss mich da draußen jetzt beweisen."
Kommunizieren für Geld
Die Geschichte klingt zu schön, um wahr zu sein: Ein Video drehen und dafür das Studium bezahlt bekommen? Ist das wirklich so einfach? Im Gegenteil, so Emily-Rose. "Crowdfunding ist keine einfache Option. Man veröffentlicht nicht einfach ein Projekt und wartet, bis das Geld reinrollt. Es war ein durchgängiges, fünfwöchiges Schuften." Denn obwohl Crowdfunding keine Gegenleistung vom Founder vorsieht, werden die Spender in der Regel immateriell entlohnt. Emily-Rose schickte zum Dank "Dutzende handgeschriebene Briefe, Hunderte persönliche eMails, Hunderte Facebook-Messages". Sie versprach ihren Sponsoren, alles, was sie in Oxford lernt, über ihre Facebook-Seite www.facebook.com/hatepseudoscience mit ihnen zu teilen.
Neue Finanzierungsform?
"Theoretisch kann das jeder machen", sagt Daniel Horak, Co-Gründer und Geschäftsführer der Crowdinvesting Plattform Conda. "Sind es – wie bei Emily-Rose – Geldgeschenke, kann jeder Einzelne von uns Geld für seine Ideen und Projekte sammeln." Das ginge etwa auf den Plattformen wie "Kickstarter" oder "Indiegogo", oder man könne auch eine eigene Seite dafür gründen.
"Ich bezweifle aber, dass das eine gute Form der Studienfinanzierung ist", so Horak. Zu unsicher sei der Verlass auf das Wohlwollen Fremder, zu rosig die Erwartungen der Founder. Crowdfunding sei eine "Heidenarbeit", man müsse aus der Menge herausstechen und die Spender mit viel Sympathie und Vertrauen ködern können.
Auch Emily-Rose setzte beim Geldsammeln auf ihr Netzwerk. "Ich vertraute zu keinem Zeitpunkt darauf, dass mich Fremde unterstützen. Die Mehrheit meiner Spender kannte ich – zumindest flüchtig." Es waren ehemalige Professoren, Bekannte, Familie und Fans ihrer Facebook-Seite.
Unter ihnen ein bekannter Österreicher: Der Pastafari-Religionsparodist und Nationalratsabgeordneter Niko Alm. Er steuerte 50 Pfund für Emily-Rose’ Ausbildung bei. Seine Motivation für die Spende? Ebenfalls Sympathie. "Es war mir ein Anliegen, ihren freidenkerischen Zugang auch finanziell zu unterstützen. Ich fände es schade, wenn sie nur aus finanziellen Gründen nicht in ihrer akademischen Ausbildung weiterkommt."
Daniel Horak spricht bei Emily-Rose von einer "Blüte des Internets". Sie sei zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen und habe eine gute, virale Kampagne losgetreten. Würde jeder über Crowdfunding-Plattformen Geld für sein Studium sammeln, würde die Spender-Lust zurückgehen, prognostiziert er. Denn: "Die Menschen wollen etwas für ihr Geld." Seine Einschätzung: Crowdfunding als Finanzierungsform – nein. Crowdinvesting hingegen – ja. In vielen Ländern gibt es bereits Plattformen, die Studierende als Wertanlage betrachten (in Österreich ist es www.studienaktie.org). Investoren aus dem Netz geben Studierenden ein Darlehen, diese verpflichten sich, das Geld nach ihrem Abschluss samt Rendite zurückzuzahlen.
Emily-Rose jedenfalls würde Crowdfunding anderen Studierenden weiterempfehlen. "Für viele Menschen wird das selbstlose Unterstützen von Projekten zunehmend Teil ihrer Kultur. Wir können dieses Bewusstsein stärken, wenn wir öffentlich Geld einsammeln. Also ja, probiert Crowdfunding."
Es muss nicht gleich ein ganzes Studium sein, das man sich mit Crowdfunding finanzieren lässt. Die Seite www.inject-power.at ist Österreichs erste Plattform, die akademische Forschung und Projekte mit Hilfe von Spenden von Fremden finanziert. Auf der Webseite können engagierte Forscher die Masse überzeugen, zusätzliches Geld für ein bereits öffentlich gefördertes und laufendes Projekt – und die damit verbundene Reise oder neue Labor-Mittel – zu spenden. Die Plattform soll der angespannten budgetären Lage der Forscher entgegenwirken, die Spenden sind steuerlich absetzbar.
Ab 20 Euro pro Spende können derzeit Projekte der Partnerinstitutionen Ludwig Boltzmann Gesellschaft, Naturhistorisches Museum Wien, Österreichisches Archäologische Institut, Institut für Molekulare Biotechnologie IMBA und DEBRA Austria, unterstützt werden.
Initiator der Plattform, Rüdiger Schweigreiter, sieht aber auch Hürden beim Konzept. „Ich denke nicht, das wir in Österreich schon so weit sind, mit einem großen Geldfluss durch Crowdfunding rechnen zu können.“ Er müsse immer noch sehr viel Überzeugungsarbeit bei den Spendern leisten. Viele wären skeptisch ob der Seriosität des Konzepts und der Verwendung des Geldes. Dabei gehe es ohne Umwege auf das Forschungskonto. „Aber es geht nicht nur ums Geldeintreiben“, so Schweigreiter. Die Menschen müssten die Idee dieses Modells erst verinnerlichen. Crowdfunding sei eben ideeller Natur, eine „emotionale Angelegenheit“.
Bei www.inject-power.at ist der Anreiz zu spenden der, die Wissenschaft aktiv voranzutreiben. Forscher revanchieren sich etwa bei den Investoren mit Hintergrundgesprächen, persönlichen Treffen oder Führungen durch ihr Labor.
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