Craftbeer-Hype: Ein Loblied auf das Brau-Handwerk

Craftbeer-Hype: Ein Loblied auf das Brau-Handwerk
Craftbier ist in. Auch in Österreich werden kleine Brauereien gegründet, die Geschmack jenseits des Mainstreams versprechen.

Amerikanisches Bier sei so wie Sex in einem Kanu, hat die englische Komikertruppe Monty Python einst bei einem Liveauftritt in den USA geätzt. Verdammt nahe am Wasser. Doch die Zeiten haben sich geändert. Mittlerweile kann man Craftbiere nicht mehr als Hobby von einigen schrägen Bier-Freaks abtun. Der Anteil der kleineren Brauereien am Gesamtumsatz des US-Biermarktes ist auf über 14 Prozent gestiegen. Es gibt keine Anzeichen für ein Ende des Trends.

Der Trend zum Craftbeer hat in den USA begonnen und ist längst in Europa angekommen. Kleine Brauereien haben sich vom Geschmacks-Mainstream der großen Produzenten verabschiedet. Bier als kulinarisches Erlebnis statt „oans, zwoa, drei, gsuffa“. Das Angebot ist dabei groß.

So findet am 23. und 24. November von jeweils 16 bis 23 Uhr in der Marx Halle in Wien wieder das Craftbeer Fest statt. Wer sich durchkosten will, ist hier richtig: Über 400 verschiedene Bierspezialitäten werden zur Verkostung ausgeschenkt. Ein besonderer Augenmerk legen die Veranstalter diesmal auf die Gastregion Flandern.

Doch auch in Österreich sind Bier-Start-ups angesagt. In der Endresstraße 18 in Wien-Liesing, wurden einst hochwertige Klaviere gebaut. Seit einem Jahr wird in den Fabrikshallen auch Bier gebraut. Alexander Forstinger hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und auf dem Fabriksgelände die 100 Blumen Brauerei eingerichtet.

Von der WG-Küche in die Selbstständigkeit

Aktuell beträgt die Jahresproduktion etwa 1000 Hektoliter. „Ich habe bereits währen des Studiums in der Küche mit dem Bierbrauen begonnen“ berichtet Forstinger über seine Anfänge. Derzeit werden vier Hauptsorten gebraut: Das Helle, Wiener Lager, Pils und Planko (ein Weizenbier). Der Sprung zum professionellen Brauer ist dem Österreicher mit chinesischer Mutter leicht gefallen.

„Ich wollte immer schon selbstständig sein. “ Also ist er mit einem Business-Plan in der Tasche bei der Bank angetreten und hat auch bei der Wirtschaftsagentur Wien um Förderungen angesucht. „Für mich war immer klar: Ich mache es ordentlich oder gar nicht.“ Fast eine Million Euro hat Forstinger in die Brauerei investiert. Sein Nervenkostüm ist trotz der Kredite intakt geblieben. „Ich schlafe gut.“ Sechs Mitarbeiter werken aktuell im 100 Blumen Brauhaus und wollen natürlich bezahlt werden.

Die Frage,was eigentlich ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. Alles Bier, das nicht großindustriell hergestellt wird, gilt als Craftbier. Wobei „kleine Brauerei“ in den USA eine völlig andere Bedeutung hat als in Europa. Alles unter einer Jahresproduktion von weniger als sieben Millionen Hektoliter gilt in den Vereinigten Staaten als klein.

Die gesamte Bier-Produktion in Österreich beträgt über acht Millionen Hektoliter. Bleibt zur Erklärung noch der Begriff „Craft“, das englische Wort für Handwerk, Gewerbe oder Kunstgewerbe. Und so sehen sich die Craft-Bier-Brauer auch. Ehrliche Handwerker auf der Suche nach neuen Zutaten und neuen Geschmackserlebnissen.

Craftbeer-Hype: Ein Loblied auf das Brau-Handwerk

Alexander Forstinger testet und nimmt  die besten Zutaten für seine Bierkreationen.

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So geht etwa ohne guten Hopfen gar nichts. Andere Zutaten sind bei Craftbier möglich.

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Vertrauen ins eigene Produkt ist gut, aber die maschinell gestützte genaue Kontrolle noch besser.

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Derzeit beträgt Forstingers Jahresproduktion etwa 1000 Hektoliter. Eine Steigerung der Menge wäre möglich, wenn sich die Nachfrage positiv entwickelt.

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Mehrere Biersorten gehören zum Standardsortiment der Brauerei.

Regionalität ist Pflicht

Die großen Bierproduzenten können da nur beschränkt mithalten. Eine internationale Biermarke muss in Berlin genauso schmecken wie in Tokio oder New York. Regionale Unterschiede nach dem Brauort müssen vermieden werden.

Für Forstinger hingegen gehört Regionalität zum Pflichtprogramm. Zumal die Wohnbevölkerung in Liesing, dem südöstlichen Bezirk der Bundeshauptstadt, wächst. „Die Kunden können bei uns zusehen, wie Bier gebraut wird“, betont Forstinger. Freitag und Samstag von 16 bis 22 Uhr gibt es Bier-Ausschank und Ab-Brauerei-Verkauf.

Der Brauerei-Name 100 Blumen ist eine Erinnerung an die 100 Blumen Bewegung in China. in den 1950er-Jahren. Der Aufruf, sich kritisch mit der Entwicklung Chinas auseinanderzusetzen, wurde von der kommunistischen Partei bald wieder zurückgenommen. Forstinger hat Sinologie studiert und sprich fließend Mandarin. Doch in China gibt es sehr unterschiedliche Dialekte: „Einen Hongkongchinesen verstehe ich nicht. Meine Mutter kommt aus Peking.“ In China wird bereits seit einigen tausend Jahren Bier gebraut.

So lange gib es das BeerLovers in der Gumpendorfer Straße 35 in Wien-Mariahilf natürlich noch nicht. Dafür werden dort seit 2015 etwa 1500 Craft-Biersorten angeboten. Eine Flache mit 0,33 Liter Inhalt kostet an die 2,50 Euro. Im Keller gibt es zusätzlich eine kleine, feine Brauerei.

Rein muss nicht sein

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Diplom-Biersommelier Markus Betz ist für das Bier-Angebot verantwortlich. „Alles was natürlich ist“, könne für die Herstellung von Craftbier verwendet werden. Das deutsche Reinheitsgebot mit der Vorgabe, dass Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser gebraut werden darf, ist für die Freunde des Craftbiers lediglich ein überholtes Geschäftsmodell. Betz hat ein klares Ziel vor Augen. „Früher hat man gesagt, kaufe eine Flasche Wein. Heute sagt man die Weinsorte und vielleicht auch den Winzer dazu.“ So soll es beim Bier auch werden. Im BeerLovers werden zur Förderung der Bierkultur Brau-Kurse für die Herstellung von Bier zu Hause angeboten. Der Kostenbeitrag macht 150 Euro aus.

Dass Craftbier ein gutes Geschäft sein kann zeigt die ökonomische Entwicklung der schottischen Brauerei BrewDog. 2007 gegründet wurden 2016 bereits 214.000 Hektoliter hergestellt. In den USA wurde eine zweite Brauerei gebaut. Das Unternehmen finanziert sich über Crowdfunding. In den ersten fünf Finanzierungsrunden wurden insgesamt 67 Millionen Pfund (76,5 Millionen Euro) eingesammelt. Mittlerweile gibt es Brewdog-Bars in Städten wie Berlin, Barcelona, Florenz oder Wien. Laut Börsenzeitung ist BrewDog mittlerweile über eine Milliarde Euro wert.

Kein Wunder, dass auch die Großen der heimischen Bier-Branche auf das neue Marktsegement aufmerksam werden. Gegründet wurden die BeerLovers vom Getränkegroßhändler Ammersin. Zu Jahresbeginn hat dann die Brau-AG 70 Prozent der Ammersin-Anteile übernommen.

Wegen des steigenden Interesses gibt es in Wien immer wieder größere Veranstaltungen zum Thema Craftbier. Am 23. und 24. November findet es in der Marx Halle in Wien ein Craft-Bierfest statt (Karl-Farkas-Gasse 19, Freitag und Samstag von 16.00 bis 23.00). Man kann dort nicht nur verkosten,sondern auch mit den Braumeistern über Bier, Gott und natürlich auch die Welt plaudern.

Österreicher sind bei Bier fast ungeschlagen

Biertrinker haben die Qual der Wahl. Landesweit gibt es rund 1000 verschiedene Sorten, getrieben wird die Entwicklung vom Craftbieren, die auch das Image der Branche aufpoliert haben. Waren früher vor allem Weinseminare angesagt, so stehen auch Biersommelier-Ausbildungen immer höher im Kurs. Zuletzt wurden landesweit 272 Brauereien gezählt, um zwanzig mehr als noch vor einem Jahr.

Damit hat Österreich laut dem Branchenverband eine der höchsten Brauereidichten weltweit – den Craftbiermachern sei Dank. Der Absatz ihres Gerstensaftes ist zuletzt um 80 Prozent in die Höhe geschnellt, allerdings von einem niedrigen Niveau aus startend. „Es gibt eine kreative Szene, die Freude am Produkt hat“, sagt Brauereiverband-Obmann Sigi Menz.

Trotz des Hypes muss man die Kirche im Dorf lassen: Unter dem Strich macht Craftbier nur ein Prozent des Branchenumsatzes aus. Am liebsten trinken die Österreicher Lager/Märzen (5,4 Millionen Hektoliter), gefolgt von Vollbier (1,3 Millionen) sowie Radler mit Alkohol (430.000 Hektoliter).

Wenn es ums Biertrinken geht, sind die  Österreicher übrigens Vize-Europameister. Laut Statistik kommt der typische Österreicher auf 106 Liter oder 212 Krügerl im Jahr. Nur in  Tschechien wird noch mehr getrunken (145 Liter).  Der Handel setzt Bier gern als Lockmittel ein – etwa jede zweite Flasche wird in Aktion gekauft, heißt es aus der Branche.

Regionale Identität als Ausgangspunkt der Bierkultur

Acht unabhängige Privatbrauereien aus Österreich haben 2008 gemeinsam die CulturBrauer gegründet. Mitglieder sind die Mohrenbrauerei (Dornbirn, Vorarlberg) Trumer Privatbrauerei (Obertrum am See, Salzburg), Brauerei Schloss Eggenberg (Vorchdorf, Oberösterreich), Brauerei Murau (Murau, Steiermark), Privatbrauerei Hirt (Micheldorf, Kärnten), Braucommune in Freistadt (Freistadt, Oberösterreich),Bierbrauerei Schrems (Schrems, Niederösterreich), sowie die Privatbrauerei Zwettl (Zwettl, Niederösterreich).

Das erklärte Ziel der CulturBrauer ist die Erhaltung der regionalen Identität mit all ihren Eigenheiten  und  den individuellen Geschmack der Biere. Schloss Eggenberg etwa hat auch ein Starkbier im Angebot. Das Samichlaus Classic kommt auf einen Alkoholgehalt von 14 Volumenprozent. Man kann dazu Schokolade essen.

Auch die größeren Brauereien in Österreich  folgen dem Trend und erweitern ihr Bier-Sortiment. Die Brauerei Schwechater etwa hat in Gedenken an den Schwechater Bierpionier  Anton Dreher ein Original Wiener Lager auf den Markt gebracht. Die Brauerei Ottakringer produziert ein Wiener Original  auf der Basis eines hundertjährigen Rezepts. Die Brauerei Stiegl   bietet  das  Columbus 1492 an.  Zu den Feiertagen werden von den Brauereien diverse Bockbiere verkauft.

Siegeszug des Lagerbiers

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Die Erfinder des Biers lassen sich nicht genau eruieren. Wahrscheinlich wurde das Bierbrauen in mehreren  Kulturen unabhängig voneinander entwickelt. Sowohl in Mesopotamien  als auch in  China gibt es  Hinweise, das schon 6000 v. Chr. gebraut wurde. In Ägypten war Bierbrauen ein Staatsmonopol. Im Mittelalter kümmerten sich  in Europa vor allem die Klöster um die Braukunst. Zumal damals der Grundsatz galt: Flüssiges bricht das Fasten nicht.

Einer der wichtigsten Brauer der Biergeschichte ist der am 7. Juni 1810 in   Schwechat  geborene Anton Dreher  senior. Er hat das Lagerbier ab 1841 weltweit bekannt gemacht. Um Lagerbiere zu brauen, bedarf es Temperaturen zwischen vier und neun Grad Celsius. Solche untergärigen Biere haben eine gleichmäßige Qualität und sind lagerfähig.

Dreher hat tiefe Keller gebaut und sie mit Eis füllen lassen, damit die für Lagerbiere notwendigen niedrigen Temperaturen erreicht werden konnten. Das hat bis März funktioniert. Daher der Name Märzenbier, für ein Bier, das noch vor der warmen Jahreszeit hergestellt wurde. Das Dreher-Lager hatte einen rötlich-bernsteinartigen  Farbton.

Zuvor gab es nur obergärige Biere, die bei einer Temperatur von 15 bis 20 Grad hergestellt wurden. Das ergab trübe, dunkle Biere, die  nur begrenzt lagerfähig sind und  nicht immer in gleicher Qualität gebraut werden konnten.

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