Covid-Semester, das Zweite
In der Wohngemeinschaft wurde es voller – plötzlich waren alle Mitbewohner zu Hause. Aufgeklappte Laptops, Kopfhörer in den Ohren. Die Online-Vorlesung beginnt. Auf den Bildschirmen poppen die Konterfeis fremder Kommilitonen auf. Irgendwann startet das Bewegtbild des Dozierenden, in Jogging Hose und mit Headset – auf der eigenen Couch. Ein anderer Lehrender führt den geplanten Gastvortrag einfach über Skype, zeichnet ihn auf und stellt ihn seinen Studierenden zur Verfügung. Der Dozent in Unterhose, T-Shirt und rauchend in seiner Wohnung, der Diskussionspartner in Badesachen, in einer Strandtaverne irgendwo in Europa.
Das Sommersemester 2020, oder auch Corona-Semester, das Erste, genannt, wurde nach einiger Zeit mit leicht genervten Gleichmut und einem Hauch Gemeinschaftsgefühl hingenommen. Als die Unis ihren Vor-Ort-Betrieb schlossen, wurde in Windeseile und mit großer Mühe und Verständnis von Universitäten, Lehrenden und Studierenden der gesamte Betrieb angepasst, umgestellt, akzeptiert. "Das ist unser aller Situation. Wir wissen nicht, wann sie endet und wie es weitergeht, bis dahin lassen Sie uns das Beste daraus machen“, lautete der Tenor in der Lehre auf Distanz. Dieses Gefühl der Solidarität stellte sich nicht nur um 18 Uhr klatschend an den Fenstern ein, auch der erweiterte Hörsaal in den eigenen vier Wänden füllte sich damit. "Wir sitzen alle im selben Boot. Und keiner weiß, wann es wieder an die Unis geht.“ Das war damals.
Gegen Ende des Sommersemesters stellte sich ein Modus Operandi für die Prüfungen ein, Lehreinheiten bleiben weiter auf Distanz, Prüfungen aber, die eine unbedingte Anwesenheit verlangen, konnten und werden unter strengen Sicherheits- und Hygienebestimmungen abgehalten. "Es sieht gut aus, dass wir unser Versprechen halten können und alle ihre Seminare und Vorlesungen bis Ende September abschließen können“, sagt Cornelia Blum, Sprecherin der Universität Wien, zu der auch das Juridicum gehört.
Und wie geht es nächstes Semester weiter?
Langsam zeichnet sich ein mehr oder weniger einheitlicher Plan in den Krisenstäben heimischer Universitäten ab. Ein neuer Modus Operandi also, der nicht nur für die Prüfungen, sondern auch als Fahrplan für das gesamte kommende Semester gelten soll. Das leider, so scheint es, das Corona-Semester, das Zweite, werden wird. Die vorlesungsfreie Zeit der nicht ganz so sorglosen Sommerferien endet an den öffentlichen Unis Ende September.
Für die meisten Unis gilt der Leitfaden: Alles was geht in der Distanz, aber überall, wo es notwendig ist Präsenz. Und: Erstsemestrigen wird, so weit es möglich ist, Priorität bei den Vor-Ort-Veranstaltungen gegeben. Denn "es wäre fatal die Maturanten vom Homeschooling zum Homelearning auf die Uni zu bringen. Die Beginner müssen Universität riechen, schmecken, spüren, überall dort wo es sinnvoll ist“, erklärt Sabine Seidler Präsidentin der Universitäten Konferenz und Rektorin der Technischen Universität Wien (TU Wien).
Pflichten und Rechte
Die Universitäten genießen durch das Universitätsgesetz Autonomie in der Handhabung. Das bedeutet auch, dass sie das Recht und die Pflicht haben eigene Regelung zu erstellen, was ihren Umgang mit der Pandemie betrifft. Auf der TU Wien gibt es bereits eine feste Vorstellung wie die kommenden Monate ablaufen können – vorausgesetzt es kommt kein zweiter Lockdown in Österreich. "Solange wir einen Meter Sicherheitsabstand in geschlossenen Räumen einhalten können, gestalten wir einen Hybridbetrieb“, erklärt Seidler dem KURIER. Das bedeute, dass die TU Wien rund 25 Prozent ihrer Raumkapazität nutzen wird können. Ein Teil würde zurück in die Präsenzlehre gehen, große Vorlesungen allerdings würden weiter gestreamt – außer für die Erstsemestrigen. Nach der Raumplanung der TU Wien würden auch praktische Kurse wie Laborübungen stattfinden können – mit Maske und Abstand.
Auch rund 200 Kilometer weiter südlich, auf der Technischen Universität Graz, gilt das Leitmotiv "Digital First“, erklärt Martin Ebner, Leiter der Abteilung Lehr- und Lerntechnologien der TU Graz im KURIER-Gespräch. "Dort aber, wo die Seminare Diskurs brauchen, kleinere Veranstaltungen, Veranstaltungen für Studienanfänger und internationale Studierende werden bevorzugt in der Präsenz abgehalten“, so Ebner.
Die Einstiegvorlesungen sollen hybrid über die Bühne gehen, geteilt in Gruppen und verteilt über mehrere Hörsäle, in denen der Vortrag gestreamt wird, damit die einzelnen Räumlichkeiten nur maximal zu 25 Prozent ausgelastet werden. Das Konzept hier lautet also: hybrid, kleine Gruppen und Digitales zuerst.
Erstsemestrigen zuerst, heißt es auch an der Wiener Universität für Bodenkultur, hier würde aber noch intensiv an einem Fahrplan gearbeitet.
Etwas konkreter hingegen die Uni Wien. Räume würden mit einer ungefähren 50-prozentigen Auslastung belegt werden können, vorausgesetzt Abstand und Hygiene sind gewährleistet. Das umfangreiche Studienangebot der Uni Wien verlangt auch unterschiedliche Lehrformate, "es gibt hier keine Formel, die man auf alle ummünzen kann“, heißt es von Cornelia Blum, Sprecherin der Uni Wien. "Unsere Lehrenden müssen sich nun überlegen, welche Formate für ihre Inhalte adäquat sind. Aber der wichtigste Standard ist: ein Meter Abstand muss sein.“ Für Lehramtstudierende, die im kommenden Semester ihre Praktika absolvieren wollen, sollte das möglich sein, außer die Warnampel schaltet auf Orange, dann müssen Praktikanten der Schule fern bleiben und können wie im letzten Semester nur digitale Praxis sammeln. Ein genauer Plan würde aber derzeit vom Bildungsministerium ausgearbeitet, heißt es auf Anfrage von der Uni Wien.
Auch die Wirtschaftsuni Wien (WU) wird am wahrscheinlichsten auf einen Hybridmodus setzen, der unterschiedliche Gestalt annehmen kann: dual, synchron oder eine Kombination aus Präsenz- und Distanzbetrieb. Prioritär werden auf der WU die Prüfungen behandelt, die gestaffelt abgehalten werden müssen. Und die Einsteiger. Für die Beginner der größeren Bachelorprogramme habe die WU das Austriacenter gemietet.
Generell berichten alle Universitäten von der Entwicklung, die Studierende und Lehrende in den vergangene Monaten durchgemacht haben, man sei nun technologisch fitter. "Die nächste Phase wird aber die größere Herausforderung für Lehrende und Studierende. Wir müssen jetzt nicht notfalls- , sondern qualitativ gute digitale Lehre anbieten. Und die Studierenden müssen im hybriden System viel besser planen“, sagt Ebner.
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