Was bedeutet CO2-Kompensation?
Die durch das Fliegen verursachten CO2-Emissionen werden an anderer Stelle kompensiert, meist durch Klimaschutzprojekte.
Wie funktioniert das?
Ein CO2-Rechner ermittelt, wie viele Tonnen durch die jeweilige Flugstrecke ausgestoßen wird, und legt einen Geldbetrag als Ausgleichszahlung für Klimaschutzprojekte fest. Viele Airlines bieten die Kompensation direkt bei der Buchung an. Reisende können bei diversen Anbietern auch selbst per Mausklick ihren persönlichen CO2-Ausstoß berechnen.
Wie viele Kompensationsanbieter gibt es und wer steht dahinter?
Weltweit sind es inzwischen mehrere Hundert. Große Anbieter in Europa sind myclimate, eine gemeinnützige Stiftung in der Schweiz, oder die Stiftung Atmosfair aus Berlin. Allein Atmosfair förderte im Vorjahr Klimaprojekte mit 15 Mio. Euro. Die Einnahmen haben sich gegenüber 2018 verdoppelt. Die deutsche Stiftung Warentest nahm mehr als 20 Anbieter unter die Lupe, wobei Atmosfair, Primaklima und Klima-Kollekte am besten abschnitten. Hinter Klima-Kollekte steht die evangelische Kirche, in Österreich die Diakonie. Größter Anbieter in Österreich ist Climate Austria von der Kommunalkredit Public Consulting. Immer mehr Fluglinie, etwa Ryanair oder Easyjet, unterstützen eigene Klimaprojekte.
Die CO2-Rechner spucken unterschiedliche Ergebnisse aus. Wie zuverlässig sind die Angaben?
Die Berechnungen und Bepreisungen des -Ausstoßes sind nicht einheitlich. Manche Anbieter berücksichtigen nur den Kerosinverbrauch der Flugzeuge, nicht jedoch die gesamte Klimawirkung. Laut Weltklimarat IPCC ist die Gesamtklimawirkung des Luftverkehrs zwei- bis dreimal so hoch wie der reine -Effekt. Der CO2-Ausstoß sollte daher bei längeren Flügen mit dem Faktor 2,7 multipliziert werden. Die Preise für die -Kompensation reichen von 5 bis 20 Euro pro Tonne. Preis-Beispiel: Ein Hin- und Rückflug Wien–New York verbraucht bei Climate Austria 1,8 Tonnen , der Preis beträgt 45 Euro. Bei Atmosfair sind es 3,5 Tonnen und 81 Euro, bei Klima-Kollekte 4,15 Tonnen und 95,45 Euro. Die Preis-Unterschiede sind also erheblich.
Wofür werden die Ausgleichszahlungen verwendet?
Für Klimaschutzprojekte auf der ganzen Welt. Gefördert werden brennholzsparende Öfen in Entwicklungsländern ebenso wie der Bau und der Betrieb von Biogas-Anlagen oder Regenwaldschutzprojekte. Es gibt Gütesiegel zur Einhaltung von Standards, für Konsumenten bleibt jedoch vieles im Dunkeln. Climate Austria unterstützt neben internationalen auch österreichische Projekte, etwa die Energieversorgung von Almhütten oder E-Ladestationen. Die Auswahl erfolge nach Kriterien wie auch für öffentliche Förderungen, heißt es bei Climate Austria.
Wie viele Österreicher leisten freiwillige Kompensationen?
Noch nicht sehr viele. Die Zahlen lägen im unteren einstelligen Prozentbereich, heißt es bei Climate Austria.
Was bringen diese Ausgleichszahlungen für das Klima?
Wenig. Befürworter sprechen von der zweitbesten Lösung, wenn sich Fliegen nicht vermeiden lässt. Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich hält die Option dann für sinnvoll, wenn es keine Alternative zum Flug, etwa Bahn oder Videokonferenzen, gibt. „Besteht die Möglichkeit, den Flug zu vermeiden, dann ist dem Klimaschutz mehr gedient als durch eine Kompensationszahlung.“
Kritiker bezeichnen die CO2-Kompensation als Ablasshandel, der das Gewissen beruhigt, aber keine Umweltprobleme löst. Umweltexpertin Angela Köppl vom Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO plädiert für „strikte Regeln und Monitoring“ für die Kompensationsprojekte, damit die versprochenen Emissionsreduktionen sichergestellt werden.
Eine schwedische Studie wies kürzlich nach, dass viele Klimaprojekte auch ohne Förderungen umgesetzt worden wären. Auch der Klimanutzen vieler Projekte ist umstritten. Umweltaktivistin Greta Thunberg spricht gar vom „Klimakompensations-Bluff“. Die CO2-Ausgleichswirtschaft verursache „mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Schaden als Nutzen“, schrieb sie kürzlich in einem Tweet.
In Schweden wird über die Thematik heftig diskutiert , auch weil die Regierung CO2-Emissionen für ihre eigenen Klimaschutzziele kompensiert. Auch der Vatikan geht auf Distanz. Mit der gleichen Ausgleichs-Logik würden auch Rüstungskonzerne Krankenhäuser für jene Kinder einrichten, die ihren Bomben zum Opfer fielen, zog Papst Franziskus einen – viel beachteten – Vergleich.
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Buchautor Frank Herrmann: "Wirklich gelebt wird Nachhaltigkeit nur von wenigen"
Agieren Unternehmen aus Überzeugung nachhaltig oder hängen sie sich nur ein grünes Mascherl um und machen gute Miene zum bösen Spiel? Frank Herrmann, Nachhaltigkeitsexperte und Autor des Buches „Fair einkaufen – aber wie?“, antwortet dem KURIER auf diese Frage.
KURIER: Wird Nachhaltigkeit von den meisten Unternehmen wirklich gelebt oder handelt es sich oft um Greenwashing?Frank Herrmann: Wirklich gelebt wird Nachhaltigkeit nur von wenigen, meist kleineren Unternehmen. Große Konzerne hingegen tun sich schwer mit echter Nachhaltigkeit. Der Profit hat meist Vorrang. Viele Unternehmen stehen im globalen Wettbewerb und solange sie nicht für externe Kosten, also ökologische und soziale Schäden, aufkommen müssen, stellt Nachhaltigkeit bislang oft eher einen Wettbewerbsnachteil als einen Wettbewerbsvorteil dar.
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit und das Kommunizieren der Nachhaltigkeit für Unternehmen wirklich?
An Nachhaltigkeit und hier besonders Klimaschutz und Schutz der Artenvielfalt kommt kein Unternehmen mehr vorbei. Je früher sich Unternehmen darauf ehrlich einlassen, desto besser. Wichtig ist weniger die Kommunikation, als wirklich etwas konkret zu ändern.
Welche negativen Folgen kann es für Unternehmen haben, wenn sie nicht nachhaltig agieren beziehungsweise ein solches Agieren nur vorgeben?
Wenn Nachhaltigkeit von der Öffentlichkeit und besonders von den Konsumenten als „Greenwashing“ entlarvt wird, schadet dies der Glaubwürdigkeit des Unternehmens enorm. Zukünftig werden Unternehmen, die nichts in Sachen Nachhaltigkeit unternehmen, sicher stärker vom Gesetzgeber in die Pflicht genommen und müssen wohl zunehmend mit immer höheren Strafen rechnen.
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