Auch Chefs kündigen – und das immer öfter

Die Jobwechselbereitschaft ist hoch. Das ist bekannt und längst kein Phänomen mehr. Doch der Trend ist auf die Chefs übergeschwappt, berichten Susanne Seher und Helga Töpfl des Personalvermittlers Seher + Partner und stützen sich dabei auf eine aktuelle hauseigene Studie.
KURIER: Chefs planen immer häufiger, den Job zu wechseln, belegt Ihre Studie. Warum ist das so?
Susanne Seher: Die Überlastung ist ein großes Thema. Führungskräfte melden zurück, dass viel Druck auf ihnen lastet, sie keine Möglichkeit haben, auszubrechen. Es ist fast eine Verzweiflung, von der sie berichten. Man steht ganz vorne, nimmt alle Risiken auf sich und kann teilweise nicht gegensteuern.
Helga Töpfl: Insbesondere jetzt, wo es darum geht, Arbeitsplätze stabil zu halten, tragen sie eine massive Verantwortung. Müssen persönlich damit umgehen, wenn Arbeitsplätze abgebaut werden. Gibt es dann keine Rückendeckung von Eigentümern oder Shareholdern, führt es dazu, dass die Wechselwilligkeit wirklich hoch ist mittlerweile.
Woher kommt das Gefühl der Ohnmacht, das Sie beschreiben?
Seher: Wir betreuen viele Familienunternehmen und KMU. Hier entscheidet oft die Familie oder der Eigentümer, teilweise aus dem Bauch heraus. Die zweite Berichtslinie weiß dann manchmal nicht, warum eine Richtung eingeschlagen wurde. Dadurch kann eine Unzufriedenheit entstehen. Außerdem wollen Führungskräfte in Strategien und Entscheidungen mit eingebunden werden und die Vision eines Unternehmens mitgestalten.
Die bessere Position, das bessere Gehalt ist also nicht der treibende Faktor?
Seher: Gehalt ist natürlich immer noch ein Treiber und kommt bei Führungskräften an zweiter Stelle. Jeder, der sich aus einer sicheren Position heraus verändern möchte, will sich auch finanziell steigern. Und zwar immer um mindestens zehn Prozent.
1.000 Personen wurden für die repräsentative Studie im Frühjahr 2024 zu ihrer Jobwechselbereitschaft befragt. Der Anlass: „In den vergangenen Monaten sahen wir einige Karrierewechsel auf Management-Ebene“, sagt Helga Töpfl. „Die Studie belegt nun auch die Praxis“
Die Fakten
- 33,3 Prozent der Geschäftsführungen denken über Jobwechsel nach
- Zwei Drittel nennen als Grund eine fehlende Work-Life-Balance sowie Überforderung
- An zweiter Stelle kommt mit 60,9 Prozent das lukrativere Jobangebot
- 41 Prozent der befragten Führungsriege haben jedoch noch nie den Arbeitgeber gewechselt
Wie steht es um Work-Life-Balance und die Sinnsuche?
Töpfl: Es ist sicher so, dass die Führungskräfte stark hinterfragen, ob ihre Tätigkeit sinnstiftend genug ist. Ob sie für ein Unternehmen arbeiten, das die Welt ein Stück besser macht, auch wenn das vielleicht pathetisch klingt. Das sind alles Fragen, die man sich früher im Normalfall nicht gestellt hat, die aber jetzt ganz wesentlich sind.
Welche Führungsriege ist besonders wechselwillig, welche zufriedener?
Töpfl: Besonders interessant ist die Ebene direkt unter der Geschäftsführung. Denn dort ist die Wechselbereitschaft eklatant niedriger. Aus der Studie geht heraus, dass die erste Berichtslinie zu 75 Prozent zufrieden ist, lediglich ein Viertel denkt an einen Wechsel. Also deutlich weniger als in der Ebene darüber, wo ein Drittel darüber nachdenkt.
Was schließt man daraus?
Töpfl: Dass die oberste Führungsriege sich intensiv damit auseinandersetzt, dass die Führungsebene unter ihr auch zufrieden ist.
Seher: Die Personalarbeit wird einfach exorbitant mehr. Führungskräfte sagen uns in Gesprächen, dass sie fast 60 Prozent ihrer Arbeitszeit in diese investieren müssen, um ihr Team zu motivieren, gut einzusetzen und letztlich auch zu halten.

Susanne Seher (links) und Helga Töpfl sind u. a. spezialisiert auf die Vermittlung von Führungskräften
Kann eine „gesunde“ Fluktuation nicht auch Vorteile bringen?
Seher: Der Richtwert für eine gesunde Fluktuation liegt laut Lehrbuch zwischen acht und zwölf Prozent. In gewissen Phasen können es auch zwanzig sein, aber dann ist es schon sehr anstrengend für die bestehenden Mitarbeiter.
Ab wann darf ein Chef weiterziehen?
Seher: Es gibt die 3-5-7-Regel. Nach drei Jahren kann man überlegen, nach fünf Jahren wäre es gut und nach sieben Jahren sollte man intensiv nachdenken, andere Aufgaben zu übernehmen. Aber das ist nur ein Richtwert. Gerade im Bereich der Führungskräfte ist eine gewisse Fluktuation oft gewollt, einfach um frischen Wind hineinzubringen.
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