Chancenreiche Lehre
Die Lehre ist der erste Schritt zur Unabhängigkeit: Nach drei bis vier Jahren hat man eine fachliche Ausbildung in der Tasche, verdient sein eigenes Geld – und steht mit noch nicht einmal 20 Jahren ganz am Anfang seiner Karriere. "Die Lehre ist keine Einbahnstraßen, alles ist möglich", sagt Katrin Eichinger-Kniely, Referentin in der Abteilung für Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich. Einzige Voraussetzung, um mit dem Lehrabschluss Außergewöhnliches leisten zu können: Echten Spaß am Job haben und Engagement an den Tag legen.
Wer sich in Österreich für einen Lehrberuf entscheidet – aktuell sind 109.963 Lehrlinge in der Ausbildung –, ist auch Jahre später glücklich mit dieser Wahl, wie eine aktuelle Befragung von Lehrabsolventinnen und Lehrabsolventen des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) zeigt: 90 Prozent der Befragten sind zwei Jahre nach dem Abschluss mit dem erlernten Beruf zufrieden, 58 Prozent würden eine Lehre im gleichen Beruf wieder machen. Ganze 75 Prozent der Befragten sind zwei Jahre nach ihrem Lehrabschluss immer noch im erlernten Beruf tätig, zwölf Prozent in einem verwandten. 44 Prozent sind der Meinung, sie finden leichter eine angemessene Arbeitsstelle, als ihre gleichaltrigen Bekannten mit und ohne Matura.
Lehre - und dann?
Die geläufigsten Wege nach der Lehrabschlussprüfung seien laut der WKO-Expertin der Verbleib im Unternehmen als qualifizierte Fachkraft, der Abschluss einer Meisterprüfung, eine universitäre Ausbildung (so man die Lehre mit Matura gemacht hat) oder die Absolvierung einer Ausbildnerprüfung, um die nächste Lehrlings-Generation ausbilden zu können. Aber auch eine Ausbildung an Fachhochschulen oder Unis ( nach Absolvierung der Berufsreifeprüfung) würde von Jugendlichen angenommen. Ein Weg, der besonders attraktiv scheint: Das Unternehmertum. "40 Prozent der Selbstständigen kommen aus der Lehre", so Eichinger-Kniely. Oder aber man entwickelt sich innerhalb des Betriebes von der Fachkraft zur Führungskraft oder gar zum Chef des ganzen Betriebes. Ergebnisse des ibw-Lehrabsolventen-Monitorings zeigen: Bereits zwei Jahre nach dem Lehrabschluss sind elf Prozent der ehemaligen Lehrlinge schon in einer Führungsposition.
Roman Oberauer, heute Head of IP Operation bei A1, fing auch einmal als junger Lehrling beim Unternehmen an. Der 37-Jährige hat einen mehr als 20-jährigen Karriereweg in seinem ursprünglichen Lehrbetrieb hinter sich, verantwortet heute österreichweit acht Projektteams. Auf seinem Weg vom Lehrling zum Chef fällt eines auf: "Ohne Weiterbildung geht es definitiv nicht", sagt er. Oberauer selbst absolvierte nach seinem Lehrabschluss die Berufsreifeprüfung, studierte im Laufe seines Arbeitslebens berufsbegleitend Telekommunikationstechnik und IT-Systeme und machte dazu noch einen MBA. "Es muss sicherlich nicht gleich ein Studium sein, aber es geht nach einem Lehrabschluss schon darum, sich weiter zu entwickeln. Es gibt viele Aufstiegsmöglichkeiten, wenn man Engagement zeigt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen." Sein Tipp an Jugendliche und Berufseinsteiger: "Man sollte auf jeden Fall die Lehre abschließen, eine Grundausbildung haben. Dann hat man eine Basis, sowohl eine Fachkarriere als auch eine Führungskarriere einzuschlagen."
Es scheint, eine Lehre ist der Startschuss für einen eigenen, ganz persönlichen Karriereweg. Der von Roman Oberauer ist einer, lesen Sie nun drei weitere besondere Lehrlingsgeschichten.
Würde man alle Preise, die Mixologe Mario Hofferer im Laufe seiner Karriere gewonnen hat, aufzählen, wäre hier kein Platz mehr für seine Geschichte. Und die ist eine spannende: Weil ihm die Schule zu trocken ist, steigt er in die Lehre ein, lernt im Parkhotel Pörtschach Koch und Restaurantfachmann. „Die Lehre war damals relativ hart im Vergleich zu heute“, erzählt er. Dennoch schließt er beide Berufe mit Auszeichnung ab.
Harter Weg nach oben
Was danach kommt, ist ein intensiver Weg, durchwachsen von Erfolgen und Durststrecken. „Ich habe mich selbstständig gemacht, weil ich keinen Job bekommen habe. Ich hatte einen hohen Anspruch an mich und den wollte ich durchziehen.“ Er schiebt Doppel - und Dreifachschichten, jobbt in verschiedenen Betrieben, spart und besucht eine Barfachschule in Zürich. Sukzessive entwickelt er einen Bar- und Küchen-Stil, der sein Markenzeichen wird. „Das Wichtigste“, sagt er, „ist, dass man sich in seinem Bereich eine Nische sucht. Egal, ob man Mechaniker oder Interieur Designer ist: Man muss etwas erfinden, was Signatur wird, wo man seinen eigenen Flow reinbringt.“ Hofferers Signatur in der Barszene brachte ihm unter anderem den Titel IBA-Cocktail World Champion 2011.
Mit „Mario Hofferer International Cocktail Entertainment“ touren er und sein Team heute durch die Welt und kredenzen Ausgezeichnetes. In der hauseigenen Bar Academy, die im November eröffnet, soll auch auch Nachwuchs ausgebildet werden. Lehrlingen rät er, sich nach der Lehre nicht unbedingt sofort selbstständig zu machen. „Besser man geht vielleicht erstmal ins Ausland , sammelt Erfahrungen, erweitert den Horizont.“
Isabel Philipp macht vor rund 28 Jahre etwas, was damals nicht üblich ist: Sie entscheidet sich nach ihrer Matura nicht etwa für ein Studium, sondern für eine Lehre. Sie will Reisebürokauffrau werden. Nach ihrem Lehrabschluss bleibt sie wissenshungrig und studiert an der FH Tourismusmanagement. „Danach“, erzählt sie, „habe ich fünf bis sieben Jahre in verschieden Branchen gearbeitet.“ An ihrer letzten Station im Marketing in der IT und Telekommunikationsbranche dann der Umbruch: „Es gab Umstrukturierung in meinem Unternehmen und die habe ich genutzt. Ich habe beschlossen, mein langjähriges Hobby intensiver anzugehen.“ Philipp steigt aus – und um. Sie findet ihre Berufung in der Arbeit mit Einrichtung und Materialien. „Ich wollte mir hier auch ein professionelles Know-how aneignen.“ Also recherchiert sie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und findet FIT – das Programm „Frauen in die Technik“, das Frauen fördert, die eine Lehre angehen möchten.
Lehre für eine neue Karriere
Sie beginnt eine Tischlerlehre im Schnelldurchlauf, lernt in zwei Jahren ihr Handwerk. 2012 absolviert sie ihre Gesellenprüfung. 2013 wagt sie den Schritt in die Selbstständigkeit und gründet ihr Unternehmen „finally you“, wo sie mit Kunden Möbel-Einzelstücke nach deren Wunsch kreiert. Die Lehre hat der heute 46-Jährigen ihren Wunsch ermöglicht, eigene Ideen zu verwirklichen, die Berufung zum Beruf zu machen. Ihr Tipp an Lehrlinge: „Wenn man sich im Betrieb, in dem man lernt, wohlfühlt und geschätzt wird, sollte man die Chance nutzen, dort weiterzulernen. Und: Wenn ich noch einmal jung wäre, würde ich die Lehre mit Matura machen.“
Als Philipp Seiberl (2. v. re.) seine Lehre mit Matura als Landmaschinentechniker begann, hätte er sich wohl nicht gedacht, dass er einmal bester seiner Zunft werden würde. Vergangenes Jahr bewies er aber genau das: Bei den Berufsweltmeisterschaften, den World Skills in São Paulo, bei denen 1189 Jugendliche bis 22 Jahren in 50 Berufen gegeneinander antraten, holte er Gold in der Kategorie Schwerfahrzeugtechnik. Mit seiner Punktezahl (544 von insgesamt 600 möglichen) wurde er zudem als bester österreichischer Teilnehmer ausgezeichnet.
Sein Betrieb Pamberger Landmaschinentechnik in Obritzberg, in dem er auch seine Lehre absolvierte, ist stolz auf ihn. „Die Resonanz nach der Meisterschaft war gewaltig. Daheim hat die Musikkapelle und die Feuerwehr gewartet, die ganze Firma hat mich vom Flughafen abgeholt“, erzählt Seiberl. Sonst aber wirkt der 22-Jährige bescheiden was seinen Erfolg angeht. Dabei steckt so viel Fleiß dahinter: Nach seiner Gesellenprüfung absolvierte er auch gleich die Meisterprüfung. Und um sich später auch selbstständig machen zu können, hing er auch eine Unternehmerprüfung an. Er nennt das Weiterbildung. „Das Gebiet interessiert mich so sehr, ich will einfach immer am neuesten Stand sein.“
Unterstützung bei Euro Skills
Im November stehen die Euro Skills, die Europäischen Lehrberufsmeisterschaften, an. Seiberl wird nicht mehr teilnehmen, dafür ein Kollege. „Dem stehe ich jetzt unterstützend zur Seite.“ Sein Tipp, wie man es mit der Lehre weit bringt? „Fleißig sein und von den anderen im Betrieb lernen. Und auf jeden Fall weiterbilden – sonst kommt man nicht vom Fleck.“
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