Business Angelina sucht 1 Million Start-ups

Österreichs bekannteste Business Angelina
Die Start-up-Grande-Dame Selma Prodanovic über die heimische Gründer-Szene, weibliche Business Angels, ihr neues Projekt und warum sie nicht mehr in Start-ups investiert.

Wo in der eMail-Signatur die Funktion steht, steht bei Selma Prodanovic "Start-up-Grand-Dame". Genau das ist sie. Seit zwei Jahrzehnten baut sie die Szene mit auf, bringt als Mitbegründerin der Austrian Angel Investors Association (AAIA) oder der Plattform Investorinnen.com Gründer und Kapitalgeber zusammen. Ihr neues Projekt heißt 1MillionStartups, ihr Anliegen ist ambitioniert. Aus ihrem Mund hört es sich aber realistisch an: "Entrepreneuren helfen, die Welt zu verbessern."

KURIER: Der Pharmakonzern Roche hat vor einem Monat das heimische Start-up mysugr um kolportierte 200 Millionen Euro gekauft . Wie oft gelingt in Österreich so ein Exit?

Selma Prodanovic: Die Start-up-Szene, wie wir sie heute kennen, gibt es seit 2009. Es hat also ein wenig gedauert, bis die Start-ups groß geworden sind, Exits wie bei Runtastic oder Spock möglich waren. Aber große Exits passieren immer wieder, nicht immer sind sie medial aber so präsent. Gerade vor zwei Wochen hat Xing ein Wiener Start-up um 17 Millionen Euro gekauft (Anm. Prescreen).

Auf die Millionen hoffen – können das Gründer wirklich?

Auch kleinere Exits gibt es immer wieder. Die sind extrem wichtig. Denn die Entrepreneure, die verkaufen, sind die nächste Investoren-Generation. Sie sind durch die Prozesse gegangen, können viel als Mentoren weitergeben. Das sind die besten Business Angels.

Nur zehn Prozent der Start-ups können sich am Markt halten, trotzdem werden bis zu 3500 pro Jahr gegründet. Was ist die Motivation?

Die wenigsten denken an den großen Erfolg. Die Motivation eines Entrepreneurs ist es, ein Problem zu lösen.

Wie sehen Sie die Start-up-Szene in Österreich?

Wir müssen ja immer jammern. Wenn alles gut läuft, heißt es gleich, es läuft zu gut. Die Entwicklung hier ist aber großartig. Wir vergleichen uns nur leider mit Silicon Valley, Berlin oder Tel Aviv. Bis wir dort sind, gibt es noch viel zu tun. Die Szene hier wird jetzt gehypt, viele springen auf, es gibt unterschiedliche Player. In den nächsten Jahren wird sich der Markt in Österreich bereinigen, einige fallen weg, die Qualität wird sich stabilisieren. Dann erst sind wir auf einem reifen Markt.

Woher nehmen junge Gründer aktuell ihr Kapital?

Die Förderlandschaft führt dazu, dass sich viele Start-ups zuerst an institutionelle Förderstellen wenden. Es gibt aber auch immer mehr Geld von Business Angels.

Eine neue AAIA-Studie zeigt erstmals den durchschnittlichen Business Angel in Österreich: Männlich, 47 Jahre, Geschäftsführer, investiert 120.000 Euro in jedes seiner sieben Projekte. Ist das genug?

In Europa investiert ein Business Angel im Schnitt 20.000 Euro pro Projekt. Dafür hat er ein großes Portfolio, streut das Risiko. In Österreich sind die Angels die Créme de la Créme der Unternehmer, einer investiert im Schnitt eine Million. Ob das genug ist? Ich bin überzeugt davon, dass wir bis zu 2000 Business Angels hätten. Ich glaube, mit der Zeit werden wir mehr Personen haben, ihr Investment wird sich aber verringern.

Nur 60 Prozent der heimischen Engel investieren im Inland. Braucht es mehr Kapital aus dem Ausland?

Das ist gerade stark im Kommen. Diese Woche etwa haben sich Investoren aus sieben Ländern zusammengeschlossen, um in das slowenische Start-up Datafy zu investieren.

Sie sind Österreichs bekannteste Business Angelina. Frauen sind in der Investoren-Szene aber noch unterrepräsentiert.

Bei den AAIA haben wir schon fast 20 Prozent Frauenanteil. Es gibt sie also, die Investorinnen. Im Moment steht der Begriff leider noch allein für den Mann. Wir sind aber alle Experten in einem Bereich, haben Erfolg, Expertise und Kapital, unabhängig vom Geschlecht.

Wann investieren Sie in ein Start-up?

Im Moment gar nicht mehr. Ich liebe es, mit Entrepreneuren zu arbeiten, aber ich kann nicht jeden treffen, in jeden investieren, die Nachfrage ist einfach zu groß geworden. Deshalb habe ich 1MillionStartups gegründet. Das ist jetzt mein Weg, um etwas für sie zu tun.

Mit dieser neuen Plattform unterstützen Sie Gründer, die die Welt verbessern wollen. Wie geht das konkret?

Uns geht es vor allem um das Sichtbarmachen. Aktuell sind 150 Start-ups aus 28 Ländern registriert, dabei sein kann jeder, der den Kriterien entspricht. 2030 haben wir dann vor, 100 Millionen in unsere Mitglieder zu investieren. Die Plattform ist aber kein Investment-Matching. Sie soll in erster Linie zeigen, welche Vielfalt es gibt. Wir leben in einer Welt, in der es auf die Größe ankommt. Start-ups sind klein – ein paar Mitarbeiter, ein paar Millionen Umsatz. Wenn wir aber eine Million von diesen Start-ups bündeln, kann man vor dieser Größe nicht mehr die Augen verschließen.

Kommentare